Der 16. August ist ein schwarzer Tag in der Geschichte Südafrikas: Bei Demonstrationen vor der Marikana-Mine des Unternehmens Lonmin – seit neun Tagen streiken dort Bergleute - feuert die Polizei in die Menge; 34 Arbeiter sterben. Beim Betrachten der Bilder fühlt sich mancher an finstere Apartheid-Zeiten erinnert, eine Kommission soll den Vorfall jetzt untersuchen. „Business Day“-Reporter Sam Mkokeli beschreibt die Welt der Minenarbeiter.
Verwenden wir einen Gedanken auf die Minenarbeiter – die Leute, die unsere Wirtschaft tief im Erdinneren in Schwung bringen. Einige von ihnen kommen von weit her, aus Gebieten wie Lesotho, der Transkei und Mosambik, um im Platin-Gürtel von Rustenburg ein besseres Auskommen zu finden.
Für sie ist das Lonmin-Massaker (oder der „Zwischenfall“, wie es die Konservativen nennen) ebenso verwirrend – oder so einfach - zu beschreiben wie für die Analysten in ihren Elfenbeintürmen, die jetzt nach Erklärungen suchen.
Einige der Minenarbeiter haben kaum Schulbildung und große Familien, die von ihrem mageren Lohn leben müssen. Die „Rock Drillers“ geben ihren Monatslohn mit 4.200 Rand an (umgerechnet 420 Euro) und arbeiten dafür bis zu 14 Stunden täglich im dunklen und nassen Erdinneren.
Sie sagen, dass sie genug haben von den regulären Gehaltsverhandlungen in einer Sprache, die sie nicht verstehen. „Was sind Prozente?“, fragt einer aus dem Eastern Cape, der nach der 7. Klasse die Schule verließ.
Die Minenarbeiter sehen sich als Opfer des Systems. Von ihrem Arbeitgeber fühlen sie sich verraten, von der nationalen Minengewerkschaft NUM auch – die habe zugesehen, wie sie von der Polizei abgeschlachtet wurden, sagen sie.
Präsident Zuma machen sie nicht direkt dafür verantwortlich, aber sie lasten ihm an, dass die Polizei am vergangenen Donnerstag mit scharfer Munition geschossen hat – so sagt einer, der die Schießerei überlebte. Er könne selbst kaum glauben, dass er davongekommen ist; es sei so dramatisch gewesen „wie in einem Van-Damme-Film“.
Wie sagt man Minenarbeitern, die gesehen haben, wie ihre Kollegen erschossen wurden, dass es einen demokratischen Weg gibt, Konflikte zu lösen? Ihre Antwort ist, dass das System sie übergeht und dass sie von ihrer Gehaltsforderung nach 12.500 Rand im Monat nicht ablassen werden.
Wenn die Minenarbeiter nicht einmal Prozentsteigerungen verstehen, wie können sie dann Erklärungen nachvollziehen, dass ihre Forderungen von einer unter Druck stehenden Minenindustrie nicht zu erfüllen sind? Sie sehen das so: Arbeitgeber und Gewerkschaft hätten viel zu lange prozentuale Gehaltssteigerungen ausgehandelt, die schlussendlich 100 Rand ausmachten.
Sie leben im Elend, in Ein-Raum-Hütten. Heime der Unternehmen lehnen sie ab und stecken das Wohngeld von 1.800 Rand lieber in die eigene Tasche.
Was sie fordern, sei doch ganz vernünftig, sagen zwei Jüngere. Mit einem Gehalt von 12.000 Rand im Monat könnten sie sich ein Auto leisten und am Wochenende nach Johannesburg fahren. Außerdem könnten sie mehr Geld nach Hause schicken, zu ihren Familien in Libode und Port St. Johns in der ländlichen Transkei.
Alles in allem: Wie versucht man, mit einem zu argumentieren, der seinen Arbeitgeber für gefühllos hält, sich von der Gewerkschaft verkauft fühlt, Journalisten als Lügner und Störenfriede ansieht und die Regierung als Drahtzieher der brutalen Polizei?
Marikana ist zwar nur 100 Kilometer vom Glamour und Glitzer Johannesburgs entfernt, liegt aber im Jahre 2012 auf einem anderen Planeten, eine Welt, in der Sangomas immer noch zugetraut wird, Schutz vor Gewehrkugeln zu bieten und deren Ziele unsichtbar machen zu können. Während ich diesen Blog-Eintrag an diesem Donnerstag der Trauerfeier beende, wird ein paar Schritte entfernt einem Fernseh-Journalisten bedeutet, er möge seine Mütze abnehmen, da Männer hier auf diese Weise ihren Respekt bezeugten. Das hat mit dem Südafrika, das ich kenne, wenig zu tun. Das ist die andere Seite unseres schönen Landes.
Sam Mkokeli
Quelle: Business Day, 23.8.2012
(www.bdlive.co.za/blogs/politics/2012/08/23/a-thought-for-the-mineworkers)