Sonntag, 27. Februar 2011

Poolwasser-Diebstahl

Michael Bilsbury schaut leicht traurig, leicht amüsiert in seinen Pool. Der Südafrikaner ist in seinem Haus in Walmer bei Port Elizabeth Opfer einer neuen Variante der Kriminalität geworden: Diebe haben ihm das Wasser aus seinem Pool gestohlen.
Zwei Tage zuvor, so schreibt die "Sunday Times" heute, hatte seine Frau Jacki noch gelacht, als sie in der Zeitung von einem ähnlichen Diebstahl las. Poolwasser klauen ist Mode, die Bilsburys sind nicht die einzigen Opfer. Auch sie sitzen jetzt auf dem Trockenen.
Wasser ist knapp in Port Elizabeth, und es ist heiß. Die Diebe kommen meist nachts, sie haben einen Bakkie mit einem Tank auf der Ladefläche und mindestens eine Handpumpe. Jacki und Michael Bilsbury schliefen und haben nichts gemerkt.
Die Polizei empfiehlt Hunde, hat aber sonst auch kein Rezept. "Ein perfektes Verbrechen", sagt Bilsbury und lacht: "Schließlich kann man sein eigenes Wasser ja nicht wiedererkennen..."

Zu viele Coloureds am Kap?

Es gibt etwa 50 Millionen Südafrikaner - genau weiß das keiner, wahrscheinlich sind es mehr. Nach der Volkszählung in diesem Jahr hofft man etwas genauere Daten zu haben. 4,4 Millionen von ihnen sind „Coloureds“, nicht weiß und nicht schwarz, sondern Kinder und Kindeskinder aus Beziehungen von Menschen mit verschiedener Hautfarbe oder als Sklaven aus Asien ans Kap gebracht. Sie leben ganz überwiegend in den Provinzen Western und Northern Cape.

Unter der Apartheid waren ihnen ebenfalls grundlegende Rechte vorenthalten worden, weshalb sich manche von ihnen dem Widerstand gegen diese Politik angeschlossen und sich als „schwarz“ bezeichnet haben. Bei den neuen Gesetzen zur Korrektur der von der Apartheid hinterlassenen Strukturen wurden sie ausdrücklich in den generischen Begriff „black“ eingeschlossen, sollen als von den Fördermaßnahmen für „historisch Benachteiligte“ profitieren können.

Viele Coloureds aber haben eher den Eindruck, benachteiligt als bevorzugt zu werden. „Früher waren wir nicht weiß genug, jetzt sind wir nicht schwarz genug.“ Dieses Gefühl schlägt sich auch im Wahlverhalten nieder. Weil die Coloureds sich nicht vom ANC vertreten fühlen oder von dessen Regierungsleistungen enttäuscht sind, geben die meisten nun ihre Stimme der „Democratic Alliance“ (DA). So konnte Helen Zille 2006 Bürgermeisterin von Kapstadt werden. Und weil der ANC 2009 auch die Provinzwahlen nicht mehr gewann - er verlor 14 Prozent -, ist die dynamische Helen Zille nun Chefin der Provinzregierung.

Dem ANC ist das ein Dorn im Auge, er möchte die Provinz gern wieder unter seine Kontrolle bringen. Rechtzeitig zu den in diesem Jahr anstehenden Kommunalwahlen hat er deshalb dafür gesorgt, dass nun ein Coloured an die Spitze der notorisch zerstrittenen Parteigliederung am Kap gewählt wurde. Doch kaum war dieses Manöver gelungen, sorgte ein Regierungsvorhaben für neuen Frust und neues Misstrauen: Die geplante Ergänzung zum Gleichstellungsgesetz (Employment Equity Act) sieht vor, dass in Zukunft nur noch die nationale Bevölkerungszusammensetzung Maßstab dafür sein soll, inwieweit ein Unternehmen den Vorgaben von „black economic empowerment“ (BEE) entspricht. Gute BEE-Bewertungen braucht man zum Beispiel, wenn man Regierungsaufträge haben möchte.

Bisher konnte ein Unternehmen sich an der nationalen und an der regionalen Bevölkerungsstruktur orientieren. Nun hat die Gewerkschaft Solidarity vorgerechnet, dass durch die geplante neue Regelung theoretisch bis zu einer Million Coloureds am Kap ihren Job verlieren könnten. Sofort wurde heftig gestritten, Solidarity und die DA wurden beschuldigt, den Leuten Angst einzujagen und Rassenspannungen zu schüren. Dabei lägen doch die Coloureds dem ANC sehr am Herzen. Der ANC der Kapprovinz ist ziemlich nervös geworden und will nun mit dem federführenden Arbeitsministerium reden.

Kaum war der erste Schlagabtausch vorbei, kam es noch härter. Jimmy Manyi hatte als Präsident des Black Management Forum im April 2010 in einer Fernsehdiskussion gesagt, dass es in der Kapprovinz zu viele („an oversupply“) Coloureds gebe und die sich doch in andere Provinzen bemühen sollten. Diese Sequenz ist seit ein paar Tagen auf YouTube zu sehen. Manyi war damals auch Staatssekretär im Arbeitsministerium. Einen Interessenkonflikt zwischen beiden Positionen hat er stets geleugnet. Bald darauf verlor er aber seinen Posten - soweit man weiß, weil er bei einem offiziellen Termin mit Repräsentanten Norwegens gleichzeitig private Geschäfte anbahnen wollte und die Norweger sich beschwerten.

Die kürzlich erfolgte Ernennung Manyis zum Regierungssprecher wurde weithin sarkastisch als „überraschend“ kommentiert. Der Journalistik-Professor Anton Harber schrieb am 3. Februar in seinem Blog, dass man diesen Job nur ausfüllen könne, wenn man nicht selbst zum Thema der Berichterstattung werde. Das wäre für Manyi etwas Neues. In der Tat: Nun ist er wegen seiner kontroversen Ansichten wieder in den Schlagzeilen.

Nach einigen Tagen lebhafter öffentlicher Debatte hat sich Manyi nun entschuldigt, entschuldigen müssen - sowohl der ANC als auch der mit ihm verbündete Gewerkschaftsdachverband COSATU hatten sich mit deutlichen Worten von seinen Bemerkungen distanziert. Von den Coloureds wird ihm kaum einer seine Entschuldigung abnehmen, und bei der DA reibt man sich für diese unerwartete Wahlkampfhilfe kräftig die Hände.

Hautfarbe als Kriterium in der Politik ist in Südafrika also noch lange nicht passé. Das spüren vor allem die Minderheiten. Neben den Coloureds sind das die Weißen und die Inder. „SA voted for a democracy and ended up with a revolution“, hat Flip Buys, der Generalsekretär von Solidarity, seine Kritik der bisherigen Transformationspolitik überschrieben („Business Day“ vom 25.2.2011). Und die nur geborgte Zugehörigkeit der indischen Bevölkerungsgruppe beschreibt Imraan Coovadia in einem schönen Essay („Das Mitternachtsgespenst“, abgedruckt in meinem Buch „Katerstimmung am Kap“).

Donnerstag, 24. Februar 2011

Strom? Nur für bestimmte Wähler!

Man stelle sich kurz vor, dass der Hamburger Wahlbezirk Eimsbüttel vom Stromnetz genommen worden ist: Zuviele Wähler dort haben die Grünen gewählt, und die SPD-Regierung will sie bestrafen - mit einem Blackout.

Abstrus? Nicht in Südafrika!

Zweli Mkhize, Ministerpräsident der Provinz KwaZulu-Natal, hat in seiner Regierungserklärung im Parlament von Pietermaritzburg gerade einen solchen Fall angeprangert: Korrupte Politiker im Verein mit Beamten des staatlichen Stromunternehmens Eskom hätten dafür gesorgt, dass ungefähr 16.000 Haushalte in einigen Wahlbezirken von Nqutu und Nongoma ohne Strom seien - als Bestrafung für das „falsche“ Abstimmen: In dem Gebiet sind der ANC und die lange Jahre in KwaZulu-Natal tonangabende „Inkatha Freedom Party“ total (und manchmal gewalttätig) zerstritten.

Das Verhalten der Beamten sei „unakzeptabel“, meinte Mkhize; in 85 Fällen werde jetzt ermittelt, einige Beamte seien bereits gefeuert.

Jetzt gibt es sogar eine Hotline für Beschwerden; 350 Anrufe seien bereits eingegangen. Gegen korrupte Beamte soll künftig energisch vorgegangen werden, versprach der Premier - man merkt: In Südafrika stehen Kommunalwahlen ins Haus, good governance, ganz konkret: service delivery, versprechen jetzt alle Parteien.

Nqutu und Nongoma sind keine Einzelfälle. Aus dem ganzen Land werden delivery protests berichtet; 90 % der Gemeinden, die vom ANC regiert werden - so schätzt der famose Barney Mthombothi, Chefredakteur der „Financial Mail“ -, funktionieren nicht richtig, weil in der Verwaltung jetzt inkompetente Leute sitzen, die keinerlei Qualifikation für ihren Job haben.

In diesen Wochen macht Wesselton in der Provinz Mpumalanga Schlagzeilen: Aufgebrachte Jugendliche liefern sich dort im Township Straßenschlachten mit der Polizei. Auch gegenüber Reportern machen sie sich Luft. „Wenn die Stadträte gewählt sind, ziehen sie erst einmal in einen feinen Wohnbezirk“, erzählen sie ihnen, „schicken ihre Kinder auf gute Schulen und kümmern sich dann um Jobs für ihre Verwandten und Freunde. Wir gehen leer aus.“ Ihre Namen wollen sie den Journalisten nicht nennen: „Die holen uns sonst.“ Einer liftet sein T-Shirt und zeigt seine Schrammen: Die Polizei hat ihn vor einer Woche festgenommen und verprügelt. 200 Rand (20 Euro) hat sich seine Mutter von einem Kredithai geliehen, um ihn gegen Kaution freizubekommen.

80 % der Menschen in Wesselton, so schätzt man, sind arbeitslos. Ein ANC-Mitglied ist heute desillusioniert: Bei jeder Wahl habe die Partei viel versprochen, geändert habe sich im Township nichts. „Ein Loch im Boden ist unsere Toilette. Die Straßen sind kaputt, wir haben keinen Strom.“ Jetzt will er einen unabhängigen Kandidaten wählen, einen Lehrer. Ihn kennt er, von ihm glaubt er, dass er sich wirklich für das Township einsetzen werde. Gewählt wird noch in diesem Jahr; ein genaues Datum muss noch festgelegt werden.

Jonny Steinberg: Little Liberia

„Ich war eigentlich nie so froh, Südafrikaner zu sein, wie bei der Recherche zu diesem Buch“, sagte Jonny Steinberg, als er in der „Book Lounge“ von Kapstadt sein neues Buch vorstellte. „Little Liberia: An African Odyssey in New York“ schildert die Geschichte Liberias anhand der Diaspora in New York - in einem kleinen Abschnitt der Park Street in Staten Island stammt so gut wie jeder Bewohner aus Liberia, und dort werden die politischen Kämpfe der Exilanten erbitterter ausgefochten als in der Heimat.
Mervyn Sloman, der belesene Besitzer der Book Lounge, nennt Steinberg den besten Non-Fiction-Schreiber Südafrikas, zweimal schon hat Steinberg den angesehenen Alan Paton Award gewonnen. In einem Gespräch mit Graeme Simpson, einem in New York arbeitenden Südafrikaner, war Steinberg darauf gestoßen, dass die Liberianer dort eine kleine, enge Community sind. Zwei Jahre lang verfolgt (shadowing nennt man diese Methode hier) er sie in New York, lernt intensiv die Diskussionen und Intrigen einer Diaspora kennen und schildert sie anhand zweier Männer: Jacob und Rufus, die Anfang des Jahrtausends beide den Vorsitz der „Staten Island Liberian Community Association“ erringen wollen.
In Liberia sucht Steinberg Zeugen; herausgekommen ist ein Buch über ein Land in Afrika und über das Exil in den USA und die psychologischen Folgen - Steinbergs bislang bestes Buch, meint der „Book Lounge“-Chef. Der kleine Laden - wohl die bestsortierte und auf jeden Fall die aktivste Buchhandlung von Kapstadt - ist so voll, dass viele auf dem Fußboden sitzen oder stehen müssen. Steinberg scheint seine Fans zu haben! „Little Liberia“ wird eines unserer nächsten Leseabenteuer werden…

Mittwoch, 23. Februar 2011

Simbabwe: Gefährliches Fernsehen

Selbst Fernsehberichte oder Videos anzuschauen, kann in Simbabwe gefährlich sein. Gestern berichtete die „New York Times“, in Harare seien mindestens 46 Menschen verhaftet worden, die gemeinsam Al Jazeera- und BBC-Reports über die Unruhen im Mittleren Osten verfolgen wollten. Ihnen droht ein Prozess wegen des Verdachts, einen Umsturz zu planen. Beschlagnahmte Beweismittel: ein Videoprojektor, zwei DVS und ein Laptop.

Dass Autokraten wie Mubarak in Ägypten oder die korrupte Clique um Ben Ali von der erbosten Bevölkerung öffentlich kritisiert und gestürzt werden konnten, wird auch im südlichen Afrika aufmerksam verfolgt. Hörfunk und Zeitungen diskutieren, ob der seit 1980 in Simbabwe regierende (und am Montag gerade 87 Jahre alt gewordene) Robert Mugabe nicht auch von einem Volksaufstand hinweggefegt werden könnte.

Parallelen zu Mubarak gibt es genug: Beide Präsidenten ließen foltern, warfen ihre Gegner ins Gefängnis, beschäftigten einen riesigen Sicherheitsapparat. Die Simbabwer aber sind in der Regel viel ärmer, das Internet spielt im Land längst keine so große Rolle - und die Armee steht bislang fest an der Seite von Mugabe.

Trevor Ncube, Besitzer von drei unabhängigen Zeitungen in Simbabwe, schrieb in seinem südafrikanischen „Mail & Guardian“: „Die wichtigste Lektion, die wir von Tunesien und Ägypten lernen können: Wir als Simbabwer müssen unsere Befreiung selbst organisieren.“

In Simbabwe soll in diesem Jahr gewählt werden. Regierungsgegner sehen in der Verhaftung der Video-Zuschauer als deutliche Einschüchterung: ‚Versucht es nicht - hier wird es nicht funktionieren’. Auf Umsturzversuch steht in Simbabwe bis zu 20 Jahre Haft.

Nachtrag 26.2.: Mittlerweile sind die 46 Inhaftierten dem Richter vorgeführt worden (siehe das Bild oben); ihnen soll wegen Hochverrats der Prozess gemacht werden. Nach Angaben ihrer Anwälte sind einige in der Haft gefoltert worden. Hochverrat kann in Simbabwe mit dem Tod bestraft werden.

Samstag, 19. Februar 2011

U2

98.000 waren es am Sonntag in Johannesburg, 72.000 dann gestern abend in Kapstadt: U2 füllt die Fußballstadien; die Presse spricht von den größten Konzerten, die es in Südafrika je gegeben hat.

Ein Erlebnis. Nicht unbedingt, was die Lautstärke anging , aber das Drumherum. „Toll“ sei wirklich untertrieben, schrieb ein Journalist nach dem Johannesburger Act: „it’s mind-blowing!“ Ganz so hoch sollte man es vielleicht nicht hängen, aber toll war es schon.

Schon nachmittags beherrscht U2 die Stadt. Überall Fußgänger, die in Richtung Stadion streben. Der Fanwalk, zur Fußball-WM eingerichtet, ist wieder bevölkert, Busse fahren die U2-Fans kostenlos zum Stadion. Wir machen uns vorsichtshalber schon früh auf den Weg, lassen uns treiben. Um uns herum fast ausschließlich Weiße. Alle sind friedlich, die Fußgänger haben - zum erstenmal nach der Fußball-WM - die Innenstadt von Kapstadt wieder weitgehend in der Hand; einige Asphaltspuren hat die Polizei für Autos sogar gesperrt. Auch sonst wacht auf jedem Meter die Polizei über die Sicherheit. Nach 20 Minuten Fußmarsch ist das Stadion erreicht. Auch von nah gesehen sieht es schön aus.

Der Aufwand ist nicht nur von Behördenseite aus immens. In der Mitte des Stadions steht „The Claw“ von U2: ein Bühnen-Monstrum, das eine Rundum-Bespielung erlaubt - 68 Meter lang, 48 Meter tief. Die Experten sprechen stolz von der größten Bühne, die jemals auf Welttournee gegangen ist. (Angefangen hatte die 360 Degree Tour 2009, beendet wird sie 2013!) Allein an diesem Abend erwarten die Veranstalter 50 Millionen Rand Einnahmen und erklären aber gleich, die Kosten dieser Tour seien ebenso gigantisch. 132 Mann reisen mit der Band, 200 Container werden von Stadion zu Stadion geschafft, der Bühnenaufbau dauert sechs Tage. (Es gibt übrigens zwei „Claws“: Die in Johannesburg zum Einsatz kam, ist schon - in Containern verpackt - auf dem Weg nach Brasilien…)

Am nächsten Tag erzählt uns Inge, eine dynamische zugewanderte Kapstädterin, die im Stadium Flammkuchen verkauft hat, wie unglaublich schnell und professionell alles auf- und wieder abgebaut wurde: Heute morgen um sechs waren große Teile der Bühne bereits in Kisten verpackt.

Kurz nach 19 Uhr beginnt dann die erste Vorgruppe, das malische Duo Amadou and Mariam. Die blinden Musiker spielen eine halbe Stunde, dann ist Umbaupause. Punkt 20 Uhr geht das Licht aus, das Publikum schreit auf, begrüßt die südafrikanische Rockband Arno Carstens and the Springbok Nude Girls (der Titel der Männer-Band ist nur selbstironisch zu verstehen!), die sich ebenfalls 30 Minuten abmüht. Dann wieder Umbaupause. U2 lässt sich 60 Minuten Zeit, das Publikum - mittlerweile sind die letzten Sitzplätze gefüllt, die Profis wissen eben, wann es los geht - vertreibt sich die Zeit mit der „Welle“.

Um 21.30 Uhr geht es dann richtig los. Wie vier Gladiatoren marschieren Bono, The Edge, Bassist Adam Clayton und Drummer Larry Mullen jr. auf die Bühne. Der Jubel ist groß, die Band legt los. Die Lautstärke ist allerdings grenzwertig, manches scheint sogar übersteuert. Schon erstaunlich, wieviel Lärm vier nun auch schon etwas ältere Herren produzieren können! Die Bässe lockern die Nackenmuskulatur, der ganze Körper vibriert mit. Vom Text versteht man leider nicht allzu viel.

Aus der Presse wissen wir: Beim Bühnenaufbau hat der Soundcheck extra darauf geachtet, dass in den Häusern im benachbarten Stadtteil Greenpoint die Fenster heil bleiben sollten; ob das geglückt ist, scheint mir zweifelhaft. Signal Hill, der Aussichtspunkt oberhalb von Greenpoint, ist diesen Abend übrigens gesperrt: Niemand soll von dort oben gratis ins Stadion hineinschauen und mithören können.

Die Show von U2 ist hoch professionell, und singen kann Bono - soviel stellen wir trotz der Lautstärke schnell fest. Wir sitzen offenbar im Fan-Block, hinter uns stehen die Massen, kennen alle Texte und tanzen mit. Das Publikum lässt einen gelegentlich vergessen, dass man in Afrika ist, aber Bono erinnert immer wieder daran: mit Einblendungen von Nelson Mandela und Desmond Tutu, mit einem „Graca“ (der Ehefrau Mandelas gewidmeten Lied), mit Dank ans Publikum für die „Free Mandela“-Kampagne und mit Respektbekundungen für Zackie Achmat von der Treatment Action Campaign, der so viel dafür getan hat, dass HIV/Aids nicht kleingeredet werden konnte und die Regierung nun endlich ernst macht mit der medikamentösen Therapie. In der privilegierten Gesellschaft von Menschen, die U2 schon in Berlin erlebt haben, lernen wir, dass das schöne Duo mit Yvonne Chaka Chaka nur am Kap zu hören war.

Als Aung San Suu Kyi aus Birma - das ist das Land, das die dortigen Machthaber und die „Tagesschau“ Myanmar nennen - auch noch gewürdigt wird und Leuchten mit dem Logo von Amnesty International das Bühnenrund erleuchten, nähert sich die Show ihrem Ende. Ein Zugabenteil, dann ist kurz vor Mitternacht Schluss. Mehr als zwei Stunden U2 - uns dröhnen die Ohren. Im friedlichen Strom der Fussgänger und unter den wachen Augen von Polizei und
Sicherheitspersonal geht es zurück zum Auto.

Gut, dabei gewesen zu sein!

Freitag, 18. Februar 2011

Will it ever be safe, Mr. President?

Vor dem Konzert ist nach dem Konzert - hier ein Leserbrief eines Besuchers des U2-Konzerts in Johannesburg am vergangenen Sonntag. Wir Kapstädter sind heute dran (mit dem Konzert!)...

Sir - I address this letter to President Jacob Zuma. On Sunday evening I went to the U2 concert with two of my daughters - I left inspired. Bono can sing, but properly. The band can make music - it’s clever. U2 is a worldclass act and they are performing in our back yard - I love it!
Everyone was included - Nelson Mandela, Desmond Tutu, Aung San Suu Kyi, the Egyptians, the Bahrain people and over 100 000 of us South Africans. At one point Bono referred to SA simply as “the future” - I believed him, we all did.
After the concert was over we clambered, rushed, pushed, squashed into the train back to Park Station. Jam-packed together we rode, a snug and sweaty crowd of us South Africans, closer to one another than you’d ever think we’d accept (I mean vas, boet, armpit to armpit), but happy in the knowledge that we are the future - proudly South African.
Like unleashed ants we emerged from all exits of Park Station into the badly lit streets of Braamfontein, dodging the self-appointed car guards in their luminous red and yellow waistcoats, waiting to cash in, past the empty buildings and people of the night, headed home.
Some hours earlier I’d parked my bakkie on a well-lit corner across the road from a garage, three or so blocks away from the stadion - it was as close as you could get, by then - I mean, U2 is in town!
It was around midnight. I could already see from more than a block away that my car was gone. I swallowed and blinked and walked on, kinda hoping that my kids wouldn’t have to notice until they had to, but I knew it was gone, stolen. The first trainload of us had by now disappeared into the night, we were alone. I started calling people I know who live nearby - Dave answered, but he was in Cape Town, others were asleep.
I spotted our car guard, “Michael” (asking their name at the beginning seems like the right thing to do). He denied his name and any knowledge of us, or our car.
Suddenly you feel exposed, fragile - forget all the polite adjectives - I was scared. I was aware of being alone, but not - I was aware of the night.
We decided to walk back to the station, in the middle of a six-lane one-way street, huddled together, facing the occasional oncoming car - too scared to walk on the pavement in the shadows of the deserted buildings.
As citizens of our country we deserve to feel safe, to know that we are safe. All of us, all of the time. Dammit, it’s our right!
A friend finally answered her cellphone and came to fetch us. I got home at about 2.30am, after reporting the theft to the police.
I began disconnecting the automatic garage doors, bolting the gates - then I sat in the garden, waiting to see if they would come.
I’m still angry.
I’ve changed the locks and remotes and alarm codes (you know the story), I’ve checked the electric fence and the cameras - at my house, where I live!
We can’t accept it, we can’t think its normal, it is not. I want to get involved, how can I help? I want “the future”.
Mark Barnes, Johannesburg

Dienstag, 15. Februar 2011

Angekommen

Was für eine Umgewöhnung: Morgens in Hamburg Neuschnee, spätabends in Kapstadt leicht schwüle 22 Grad plus! Aber man gewöhnt sich ja an alles…
Gut 30 Grad und mehr tagsüber erfordern allerdings schon ernste Gegenmaßnahmen: kurze Hose, möglichst wenig ruckartige Bewegungen, regelmäßige Abkühlung im Pool. Die - vor allem von Renate lang entbehrte - Gartenarbeit hat uns allerdings auch schon im Griff: Heute haben wir das über die Mauern rankende Dickicht etwas gelichtet.
Und in den Zeitungen stehen die alten Probleme. Drei Beispiele.

Busverkehrspläne verschoben
Für den Transport der Fußballfans zur Fußball-WM im vergangenen Jahr war Kapstadt groß gelobt worden - der Start der Innenstadt- und der Westküsten-Linie ist aber gerade wieder einmal verschoben worden. Die Straßen sind mit Busspur fertig umgebaut, die Busse stehen bereit - einzig die Shuttle-Linie Innenstadt-Flughafen fährt, mit sehr mäßigen Passagierzahlen.
Deutlich teurer wird das Ganze auch noch: statt ursprünglich 1,4 Milliarden Rand schätzt man die Kosten heute auf 4,6 Milliarden - aber wer aus der Stadt der Elbphilharmonie kommt, sollte darüber vielleicht nicht allzu laut lästern.
Hinter dem Streit stehen Wirtschaftsinteressen: Die Taxiunternehmer befürchten große Geschäftseinbußen, es wird seit Jahren heftig verhandelt. Um das Projekt überhaupt zum Laufen zu bringen, sind den Taxiunternehmern Anteile am Busunternehmen angeboten worden; gerade geht der Streit darum, ob nicht zwei, sondern drei Firmen sich beteiligen dürfen. In weiteren „urgent meetings“ soll diese Frage jetzt geklärt werden; die Busse werden aber wohl auch im März noch in den Depots bleiben. Ob sie im Mai fahren dürfen, bleibt offen.

Für einen sicheren Tafelberg
Am vergangenen Sonntag stürmten 50 Radfahrer am Rhodes Memorial den Tafelberg hoch (siehe das Bild zu Beginn des Blog-Eintrags!), um für mehr Sicherheit auf dem Berg zu demonstrieren. Die „Table Mountain Safety Action Group“ hatte die Aktion organisiert. Sie gibt es seit drei Jahren, nachdem immer mehr Überfälle auf Tafelberg-Wanderer gemeldet worden waren. Die „Cape Times“ hat in diesem Jahr bereits 17 Überfälle gezählt; nach offiziellen Zahlen waren es in den vergangenen elf Jahren insgesamt 400.
Paul Edmunds war einer der Demonstranten. Im Dezember war er beim Rhodes Memorial zweimal überfallen worden, jetzt war er zum erstenmal wieder auf dem Berg. „Alleine mache ich das nicht mehr“, sagt er. Auch die Tourismusexperten sind besorgt. Überfälle auf dem Tafelberg bringen eine schlechte Presse und schrecken Touristen ab. Wie es auf dem Tafelberg mehr Sicherheit geben kann, weiß allerdings niemand so genau.

Rückkehr nach District Six
Die gute Nachricht bringt „The New Age“, trotz des esoterisch angehauchten Titels eine ANC-nahe neue Tageszeitung, die endlich die Wahrheit über das schöne Südafrika veröffentlichen soll: Vor einer Woche sind wieder einige Ur-Einwohner des District Six in die Kapstädter Innenstadt zurückgekehrt; Präsident Zuma selbst hat ihnen die Schlüssel zu ihren neuen Häusern überreicht. Der District Six war in den 60er Jahren von der Apartheid-Regierung zum „weißen Gebiet“ erklärt worden; seine bunt gemischten Bewohner wurden zwangsumgesiedelt - ein Museum schildert dies heute immer noch sehr eindrücklich. Jahrzehntelang war der District Six Brachland, seit einigen Jahren wird dort wieder gebaut. „This is more than a house“, sagte Präsident Zuma bei der Zeremonie, „it is about restoring a nation’s dignity.“ Stimmt. 16 Jahre nach dem Ende der Apartheid stehen im District Six vielleicht 16 neue Häuser (wir werden noch einmal nachzählen!)…

Freitag, 11. Februar 2011

20a Milner Road

 Tamboerskloof ist ein sehr altes Viertel von Kapstadt - von der Innenstadt eigentlich zu Fuß zu erreichen, wenn man vom Parlament in Richtung Tafelberg hochgeht (aber wer geht in Kapstadt schon zu Fuß!). Also für Autofahrer: Wenn man von der Innenstadt auf der Buitengracht-Straße in Richtung Tafelberg-Seilbahn fährt, kommt man durch Tamboerskloof. Relativ am Anfang ist das "Lord Milner Hotel". Lord Milner war britischer Gouverneur der Kap-Kolonie, und in dem alten Wohnviertel stehen überwiegend kleine, viktorianische Häuser. Die Milner Road, die beim Hotel von der Hauptstraße rechts abgeht, führt ziemlich steil den Berg hoch - und ziemlich weit oben ist die Hausnummer 20a: in den nächsten beiden Monaten unser Standort.
Von der Straße aus gesehen ein unspektakulärer Backstein-Bau, man sieht vor allem die Garage - innen aber sehr schön: ein Hanghaus mit fünf verschiedenen Ebenen, einem großen Hauptraum (Eßecke, offene Küche, großes Wohnzimmer), oben ein Arbeitszimmer mit Blick auf den Tafelberg und auf der anderen Seite der "master bedroom" mit Aussicht auf Signal Hill und die Innenstadt von Kapstadt.
Im Garten steht ein großer Baum, auf dem sich Perlhühner breit machen (und einen Höllenlärm veranstalten sollen). Hinter dem Grundstück ist eine große Wiese, auf der manchmal Polizeipferde weiden. Weiter den Berg hoch sieht man nur noch Büsche und Bäume - dass man hier mitten in einer Weltstadt ist und die Innenstadt in fünf Minuten erreichen kann, glaubt einem niemand... In zwei Tagen werden wir dort wohnen!!

Donnerstag, 10. Februar 2011

Rückkehr ans Kap

Wir sollten ruhig mal wieder was schreiben, meinte Elke. Na gut: In drei Tagen sind wir wieder in Kapstadt, werden noch den Nachsommer dort erleben (und wie angekündigt U2 hören) - und wohl auch mitbekommen, was aus den Hoffnungen, die mit der Fußball-WM verknüpft waren, geworden ist. Also: Der Blog wird wieder belebt, gelegentliche Eintragungen sind nicht auszuschließen. Wer's mag, darf gern wieder mitlesen!