Es gibt etwa 50 Millionen Südafrikaner - genau weiß das keiner, wahrscheinlich sind es mehr. Nach der Volkszählung in diesem Jahr hofft man etwas genauere Daten zu haben. 4,4 Millionen von ihnen sind „Coloureds“, nicht weiß und nicht schwarz, sondern Kinder und Kindeskinder aus Beziehungen von Menschen mit verschiedener Hautfarbe oder als Sklaven aus Asien ans Kap gebracht. Sie leben ganz überwiegend in den Provinzen Western und Northern Cape.
Unter der Apartheid waren ihnen ebenfalls grundlegende Rechte vorenthalten worden, weshalb sich manche von ihnen dem Widerstand gegen diese Politik angeschlossen und sich als „schwarz“ bezeichnet haben. Bei den neuen Gesetzen zur Korrektur der von der Apartheid hinterlassenen Strukturen wurden sie ausdrücklich in den generischen Begriff „black“ eingeschlossen, sollen als von den Fördermaßnahmen für „historisch Benachteiligte“ profitieren können.
Viele Coloureds aber haben eher den Eindruck, benachteiligt als bevorzugt zu werden. „Früher waren wir nicht weiß genug, jetzt sind wir nicht schwarz genug.“ Dieses Gefühl schlägt sich auch im Wahlverhalten nieder. Weil die Coloureds sich nicht vom ANC vertreten fühlen oder von dessen Regierungsleistungen enttäuscht sind, geben die meisten nun ihre Stimme der „Democratic Alliance“ (DA). So konnte Helen Zille 2006 Bürgermeisterin von Kapstadt werden. Und weil der ANC 2009 auch die Provinzwahlen nicht mehr gewann - er verlor 14 Prozent -, ist die dynamische Helen Zille nun Chefin der Provinzregierung.
Dem ANC ist das ein Dorn im Auge, er möchte die Provinz gern wieder unter seine Kontrolle bringen. Rechtzeitig zu den in diesem Jahr anstehenden Kommunalwahlen hat er deshalb dafür gesorgt, dass nun ein Coloured an die Spitze der notorisch zerstrittenen Parteigliederung am Kap gewählt wurde. Doch kaum war dieses Manöver gelungen, sorgte ein Regierungsvorhaben für neuen Frust und neues Misstrauen: Die geplante Ergänzung zum Gleichstellungsgesetz (Employment Equity Act) sieht vor, dass in Zukunft nur noch die nationale Bevölkerungszusammensetzung Maßstab dafür sein soll, inwieweit ein Unternehmen den Vorgaben von „black economic empowerment“ (BEE) entspricht. Gute BEE-Bewertungen braucht man zum Beispiel, wenn man Regierungsaufträge haben möchte.
Bisher konnte ein Unternehmen sich an der nationalen und an der regionalen Bevölkerungsstruktur orientieren. Nun hat die Gewerkschaft Solidarity vorgerechnet, dass durch die geplante neue Regelung theoretisch bis zu einer Million Coloureds am Kap ihren Job verlieren könnten. Sofort wurde heftig gestritten, Solidarity und die DA wurden beschuldigt, den Leuten Angst einzujagen und Rassenspannungen zu schüren. Dabei lägen doch die Coloureds dem ANC sehr am Herzen. Der ANC der Kapprovinz ist ziemlich nervös geworden und will nun mit dem federführenden Arbeitsministerium reden.
Kaum war der erste Schlagabtausch vorbei, kam es noch härter. Jimmy Manyi hatte als Präsident des Black Management Forum im April 2010 in einer Fernsehdiskussion gesagt, dass es in der Kapprovinz zu viele („an oversupply“) Coloureds gebe und die sich doch in andere Provinzen bemühen sollten. Diese Sequenz ist seit ein paar Tagen auf YouTube zu sehen. Manyi war damals auch Staatssekretär im Arbeitsministerium. Einen Interessenkonflikt zwischen beiden Positionen hat er stets geleugnet. Bald darauf verlor er aber seinen Posten - soweit man weiß, weil er bei einem offiziellen Termin mit Repräsentanten Norwegens gleichzeitig private Geschäfte anbahnen wollte und die Norweger sich beschwerten.
Die kürzlich erfolgte Ernennung Manyis zum Regierungssprecher wurde weithin sarkastisch als „überraschend“ kommentiert. Der Journalistik-Professor Anton Harber schrieb am 3. Februar in seinem Blog, dass man diesen Job nur ausfüllen könne, wenn man nicht selbst zum Thema der Berichterstattung werde. Das wäre für Manyi etwas Neues. In der Tat: Nun ist er wegen seiner kontroversen Ansichten wieder in den Schlagzeilen.
Nach einigen Tagen lebhafter öffentlicher Debatte hat sich Manyi nun entschuldigt, entschuldigen müssen - sowohl der ANC als auch der mit ihm verbündete Gewerkschaftsdachverband COSATU hatten sich mit deutlichen Worten von seinen Bemerkungen distanziert. Von den Coloureds wird ihm kaum einer seine Entschuldigung abnehmen, und bei der DA reibt man sich für diese unerwartete Wahlkampfhilfe kräftig die Hände.
Hautfarbe als Kriterium in der Politik ist in Südafrika also noch lange nicht passé. Das spüren vor allem die Minderheiten. Neben den Coloureds sind das die Weißen und die Inder. „SA voted for a democracy and ended up with a revolution“, hat Flip Buys, der Generalsekretär von Solidarity, seine Kritik der bisherigen Transformationspolitik überschrieben („Business Day“ vom 25.2.2011). Und die nur geborgte Zugehörigkeit der indischen Bevölkerungsgruppe beschreibt Imraan Coovadia in einem schönen Essay („Das Mitternachtsgespenst“, abgedruckt in meinem Buch „Katerstimmung am Kap“).
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