Donnerstag, 20. April 2017

Südafrika und der Schatten Zimbabwes



Die Entwicklung, die Zimbabwe genommen hat, sehen viele Südafrikaner als Menetekel. Wenn neuerdings der Präsident die „radikale ökonomische Transformation“ (RET) fordert und erneut debattiert wird, ob man Land nicht auch ohne Entschädigung enteignen kann, weil es ja einst „gestohlen“ wurde, dann wird schnell auf die Misere in Zimbabwe verwiesen. Mit Blick auf die zunehmend kompromittierte Regierungspartei ANC sprechen Kritiker auch von der „ZANUfication“ der einstigen Befreiungsbewegung, die sich immer mehr Mugabes Parteiapparat annähere.
In der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Financial Mail“ nehmen verschiedene Kommentatoren darauf Bezug. Ann Crotty verweist auf die Emigration von etwa 25 Prozent der simbabweschen Bevölkerung: Bis zu drei Millionen Menschen seien nach Südafrika gezogen, viele würden dort als wache und hart arbeitende Arbeitskräfte geschätzt. Für Südafrikanerinnen und Südafrikaner gebe es eine solche Ausweichmöglichkeit nicht; nur wenige, gut ausgebildete Südafrikaner hätten eine Chance, im Ausland Arbeit und ein Aufenthaltsrecht zu finden. Jetzt würden sich auch in Großbritannien die Tore schließen, das Land, das bisher vielen Menschen aus seinen ehemaligen Kolonien eine Chance gegeben habe.
Justice Malala, der jede Woche eine Restaurantkritik schreibt, in der er politische und kulinarische Betrachtungen mischt, hat einen Rat für den von Enteignung sprechenden Präsidenten: „Zuma sollte Restaurants besuchen. In fast jedem Restaurant in Johannesburg, Kapstadt, Tshwane (früher Pretoria) und Port Elizabeth würde er sehr gut bedient werden. Er sollte die Kellner auch fragen, wo sie herkommen. Sie sind aus Zimbabwe. Sie sind deshalb hier, weil Enteignung ohne Entschädigung in ihrem Land so großartige Ergebnisse gezeitigt hat.“
Sikonathi Mantshantsha, der stellvertretende Chefredakteur des Blattes, sieht einen „Spurt in den Ruin“ und formuliert noch schärfer: „Es sieht danach aus, dass die Machthaber im heutigen Südafrika – wie vor 20 Jahren ihre Kollegen in Zimbabwe – immer noch glauben, dass sie mit vorgehaltener Waffe den heutigen Besitzern das Land einfach wegnehmen können. Sie werden nicht zulassen, dass jemand ihnen dabei den Weg versperrt. Nicht einmal die Armut von mehr als 400 000 früheren Farmarbeitern wird sie daran hindern, an 4 000 weißen Farmern Rache zu nehmen.“

     

Sonntag, 16. April 2017

Im Gefängnis



Nachmittags kurz nach 16 Uhr öffnete sich das Gittertor, und wir gingen ins Gefängnis. Es liegt in der Kleinen Karoo in Willowmore und hat vier Sterne: "The Old Jail" dient seinem ursprünglichen Zweck schon lange nicht mehr und ist heute ein kleines, feines guesthouse.
Gebaut wurde das Gefängnis in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts etwas außerhalb von Willowmore. Die Straftaten damals waren nicht so viel anders als heute: Viehdiebstahl, Diebstahl, Alkoholismus, Vergewaltigung. Auch „Buren-Rebellen“, wie es in der von Briten gegründeten Siedlung hieß, mussten hier im Krieg (1890-1902) einsitzen.
Schon 1950 gab es aber so wenige Gefangene, dass die Stadt das Gebäude verkaufte. Es wechselte mehrmals den Besitzer und stand zuletzt viele Jahre lang leer, war von Ratten und Fledermäusen bewohnt. Bis 2008 Karen, eine Deutsch-Südafrikanerin, und ihr aus der Ukraine stammender Mann Oleg es kauften, instand setzten und zeitgemäß ausstatteten. Das war harte Arbeit, denn das Gefängnis war auf felsigem Grund und mit dicken Mauern aus Karoo-Fels gebaut worden, um Ausbrüche zu verhindern.
Das alles dauerte fünf Jahre, und wer heute hier einkehrt, genießt ein mit viel Spürsinn und Umsicht eingerichtetes B&B. Drei Zellen wurden zu Suiten vergrößert und umgebaut - nur das Türschloss und die Gucklöcher für die Vollzugsbeamten erinnern noch an die Historie. Und der Safe, der im Zimmer als Beistelltisch dient, ist eine augenzwinkernde Reminiszenz an die Vergangenheit. Jedes Apartment hat einen eigenen Innenhof, und in einem weiteren Hof, in dem die Gefangenen früher Steine klopfen (hard labour) mussten, lockt nun ein Pool zum Schwimmen.
Karen und Oleg haben sich auch sonst bemüht, an die Geschichte des Gebäudes anzuknüpfen. In der großen Eingangshalle zum Beispiel, die auch als Galerie dient, wird das Frühstück an einem respekterheischenden Tisch serviert, an dem früher Urteile gefällt wurden.
Sehr viel luxuriöser als im „The Old Jail“ lässt sich ein Gefängnisaufenthalt kaum denken. Wer weniger ausgeben, aber ebenfalls auf dem historischen Gelände leben will, kann in den umgebauten Ställen übernachten. Bei der Ausfahrt vom Gelände fällt ein Schild am Tor ins Auge: "Wiederholungstäter erwünscht". Könnte gut passieren!

Montag, 10. April 2017

Safari zu den Erdmännchen



Morgens um 6 Uhr ist es in dieser Jahreszeit auch in Südafrika stockfinster, und im Auto ist es kalt. Wir stehen an der Kreuzung bei Oudtshoorn und warten, wollen auf Safari. Aber nicht zu den
Straußen, die die Stadt berühmt gemacht haben, sondern zu den meerkat: den Erdmännchen. Ein zweites Auto hält: ob wir zu den meerkat - okay! Ein paar Minuten später kommt eine Autokarawane auf uns zu und biegt ein - die übrigen meerkat-Liebhaber.
Ein Dutzend Wagen rumpeln einen Feldweg entlang, dann stoppt das Führungsfahrzeug. Für gut 20 Menschen gibt es jetzt erst einmal eine Tasse Kaffee und jede Menge Einweisungen. Devey Glinister, Chef der "meerkat adventures", erklärt, dass Erdmännchen scheue Tiere sind und sie lange gebraucht haben, sich an Menschen zu gewöhnen. Nun aber betrachten sie ruhig sitzende Menschen als Pflanzen – wer schon länger verheiratet sei, wisse ja, wie sich das anfühle. Nur eines sei streng verboten: aufzustehen. Dann sei es schnell vorbei mit dem Foto, dann bliebe nur ein Selfie.
Anderthalb Jahre, so erzählt auch Devey-Mitarbeiter Jaydi später, habe er die Erdmännchen immer wieder aufgesucht, die Distanz zu ihnen immer weiter verringert, ihnen vorgelesen, erzählt, Filme abgespielt, um sie an den Klang menschlicher Stimmen zu gewöhnen. Und jetzt würden diese Erdmännchen Menschen nicht mehr als Feinde ansehen.
Der Kaffee wirkt, mittlerweile ist es heller geworden, ein Mitarbeiter sucht mit dem Fernglas nach den meerkat. Sie bewohnen ein ausgedehntes unterirdisches Tunnelsystem, das 70 Eingänge haben kann, und bei Sonnenaufgang erscheinen sie irgendwo. Jetzt hat der Mann mit dem Fernglas sie entdeckt: Es sollte, so Jaydi, eine Familie mit zehn Mitgliedern sein.
Im Gänsemarsch machen wir uns auf den Weg, dann platziert uns Jaydi auf die klappbaren Regiestühle, und wir warten, während Jaydi die Stimme nicht einmal senkt, um ausführlich vom Leben der Erdmännchen zu erzählen. Und tatsächlich: nicht einmal zehn Meter entfernt von uns richtet sich eines der meerkat auf, schaut in unsere Richtung und lässt sich von Jaydis Erklärungen nicht im Geringsten stören.
Mittlerweile wärmt die Morgensonne sehr angenehm unseren Rücken, und genau wegen dieser Morgensonne recken sich immer mehr meerkat in die Höhe. Nach einigen Minuten sind es vier, fünf, und dann ist es fast die gesamte Familie: neun meerkat lassen sich ihr Bauchfell von der Sonne erwärmen. Jaydi kann die einzelnen Tiere sogar unterscheiden und weiß, dass wir das letzte Familienmitglied wohl nicht zu Gesicht bekommen werden: Es sei erst kürzlich zu der Familie gestoßen und habe den langen Erziehungsprozess nicht mitgemacht, betrachte also Menschen weiterhin als Feinde und tauche deshalb nicht auf.
Eine gute Viertelstunde dauert die Aufwärmphase, dann haben die Erdmännchen genug Sonne getankt und verschwinden. Wir klappen unsere Stühle zusammen und marschieren im Gänsemarsch zurück zu den Autos - und die Erdmännchen haben 20 neue Freunde gewonnen.