Samstag, 19. Februar 2011

U2

98.000 waren es am Sonntag in Johannesburg, 72.000 dann gestern abend in Kapstadt: U2 füllt die Fußballstadien; die Presse spricht von den größten Konzerten, die es in Südafrika je gegeben hat.

Ein Erlebnis. Nicht unbedingt, was die Lautstärke anging , aber das Drumherum. „Toll“ sei wirklich untertrieben, schrieb ein Journalist nach dem Johannesburger Act: „it’s mind-blowing!“ Ganz so hoch sollte man es vielleicht nicht hängen, aber toll war es schon.

Schon nachmittags beherrscht U2 die Stadt. Überall Fußgänger, die in Richtung Stadion streben. Der Fanwalk, zur Fußball-WM eingerichtet, ist wieder bevölkert, Busse fahren die U2-Fans kostenlos zum Stadion. Wir machen uns vorsichtshalber schon früh auf den Weg, lassen uns treiben. Um uns herum fast ausschließlich Weiße. Alle sind friedlich, die Fußgänger haben - zum erstenmal nach der Fußball-WM - die Innenstadt von Kapstadt wieder weitgehend in der Hand; einige Asphaltspuren hat die Polizei für Autos sogar gesperrt. Auch sonst wacht auf jedem Meter die Polizei über die Sicherheit. Nach 20 Minuten Fußmarsch ist das Stadion erreicht. Auch von nah gesehen sieht es schön aus.

Der Aufwand ist nicht nur von Behördenseite aus immens. In der Mitte des Stadions steht „The Claw“ von U2: ein Bühnen-Monstrum, das eine Rundum-Bespielung erlaubt - 68 Meter lang, 48 Meter tief. Die Experten sprechen stolz von der größten Bühne, die jemals auf Welttournee gegangen ist. (Angefangen hatte die 360 Degree Tour 2009, beendet wird sie 2013!) Allein an diesem Abend erwarten die Veranstalter 50 Millionen Rand Einnahmen und erklären aber gleich, die Kosten dieser Tour seien ebenso gigantisch. 132 Mann reisen mit der Band, 200 Container werden von Stadion zu Stadion geschafft, der Bühnenaufbau dauert sechs Tage. (Es gibt übrigens zwei „Claws“: Die in Johannesburg zum Einsatz kam, ist schon - in Containern verpackt - auf dem Weg nach Brasilien…)

Am nächsten Tag erzählt uns Inge, eine dynamische zugewanderte Kapstädterin, die im Stadium Flammkuchen verkauft hat, wie unglaublich schnell und professionell alles auf- und wieder abgebaut wurde: Heute morgen um sechs waren große Teile der Bühne bereits in Kisten verpackt.

Kurz nach 19 Uhr beginnt dann die erste Vorgruppe, das malische Duo Amadou and Mariam. Die blinden Musiker spielen eine halbe Stunde, dann ist Umbaupause. Punkt 20 Uhr geht das Licht aus, das Publikum schreit auf, begrüßt die südafrikanische Rockband Arno Carstens and the Springbok Nude Girls (der Titel der Männer-Band ist nur selbstironisch zu verstehen!), die sich ebenfalls 30 Minuten abmüht. Dann wieder Umbaupause. U2 lässt sich 60 Minuten Zeit, das Publikum - mittlerweile sind die letzten Sitzplätze gefüllt, die Profis wissen eben, wann es los geht - vertreibt sich die Zeit mit der „Welle“.

Um 21.30 Uhr geht es dann richtig los. Wie vier Gladiatoren marschieren Bono, The Edge, Bassist Adam Clayton und Drummer Larry Mullen jr. auf die Bühne. Der Jubel ist groß, die Band legt los. Die Lautstärke ist allerdings grenzwertig, manches scheint sogar übersteuert. Schon erstaunlich, wieviel Lärm vier nun auch schon etwas ältere Herren produzieren können! Die Bässe lockern die Nackenmuskulatur, der ganze Körper vibriert mit. Vom Text versteht man leider nicht allzu viel.

Aus der Presse wissen wir: Beim Bühnenaufbau hat der Soundcheck extra darauf geachtet, dass in den Häusern im benachbarten Stadtteil Greenpoint die Fenster heil bleiben sollten; ob das geglückt ist, scheint mir zweifelhaft. Signal Hill, der Aussichtspunkt oberhalb von Greenpoint, ist diesen Abend übrigens gesperrt: Niemand soll von dort oben gratis ins Stadion hineinschauen und mithören können.

Die Show von U2 ist hoch professionell, und singen kann Bono - soviel stellen wir trotz der Lautstärke schnell fest. Wir sitzen offenbar im Fan-Block, hinter uns stehen die Massen, kennen alle Texte und tanzen mit. Das Publikum lässt einen gelegentlich vergessen, dass man in Afrika ist, aber Bono erinnert immer wieder daran: mit Einblendungen von Nelson Mandela und Desmond Tutu, mit einem „Graca“ (der Ehefrau Mandelas gewidmeten Lied), mit Dank ans Publikum für die „Free Mandela“-Kampagne und mit Respektbekundungen für Zackie Achmat von der Treatment Action Campaign, der so viel dafür getan hat, dass HIV/Aids nicht kleingeredet werden konnte und die Regierung nun endlich ernst macht mit der medikamentösen Therapie. In der privilegierten Gesellschaft von Menschen, die U2 schon in Berlin erlebt haben, lernen wir, dass das schöne Duo mit Yvonne Chaka Chaka nur am Kap zu hören war.

Als Aung San Suu Kyi aus Birma - das ist das Land, das die dortigen Machthaber und die „Tagesschau“ Myanmar nennen - auch noch gewürdigt wird und Leuchten mit dem Logo von Amnesty International das Bühnenrund erleuchten, nähert sich die Show ihrem Ende. Ein Zugabenteil, dann ist kurz vor Mitternacht Schluss. Mehr als zwei Stunden U2 - uns dröhnen die Ohren. Im friedlichen Strom der Fussgänger und unter den wachen Augen von Polizei und
Sicherheitspersonal geht es zurück zum Auto.

Gut, dabei gewesen zu sein!

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