Dullstroom ist eine freundliche kleine Stadt in Mpumalanga.
Touristen machen dort gern halt, wenn sie von Johannesburg zum
Krüger-Nationalpark fahren, Südafrikaner kommen zum Forellenfischen hierher.
Der Ort nimmt stolz einige Rekorde für sich in Anspruch - auch den, dass er die
höchstgelegene Bahnstation Südafrikas hat und zu den kältesten Orten des Landes
gehört.
Der Kommunikation mit den Städten der Umgebung und zur
Werbung dient die Highveld Gazette (THG),
ein gratis verteiltes Anzeigenblättchen, das aber auch kein Blatt vor den Mund
nimmt, wenn die Dinge nicht so sind, wie sie sein sollen. Dass mit der
Energieversorgung etwas nicht in Ordnung ist, bekommt man auch hier zu spüren.
Immer mal wieder wird für ein paar Stunden der Strom ausgeschaltet, load shedding genannt, weil es reihum
alle Teile des Landes trifft. Gerade erst ist ein großes Kohlesilo in der
Provinz kollabiert, die Versorgung akut gefährdet.
Doch den Leitartikler der Gazette regt Mitte November etwas anderes auf: die Weigerung oder
Unfähigkeit vieler Stromkunden, ihre Rechnungen zu bezahlen; THG hatte immer
wieder darüber berichtet. Viele Städte beziehen Strom von Eskom, den sie an
ihre Bürger weiterverkaufen, bezahlen aber ihre Rechnungen nicht. Sie stehen
bereits mit 3,2 Milliarden Rand bei dem parastaatlichen Unternehmen in der
Kreide, weil es kein ordentliches Finanzmanagement gibt oder sie nicht in der
Lage sind, das Geld von ihren Bürgerinnen und Bürgern einzutreiben. Und dann
legt der Autor richtig los: „Eine Kombination von wachsender Arbeitslosigkeit,
ökonomisch schwierigen Zeiten und der Heranziehung von Generationen von ‚frei geborenen‘
Bürgern, die im Anspruchsdenken der Post-Apartheid-Kultur aufgewachsen sind,
hat ein gigantisches Warum-sollen-wir-überhaupt-zahlen-Monster geschaffen. Dieses
Monster ist inzwischen so groß, dass es nicht mehr unter Kontrolle zu bringen
ist.“
Am Ende müsse der Steuerzahler für alles aufkommen, und die
nächste Runde der Gebührenerhöhung im neuen Jahr sei auch schon absehbar. Und
dabei sind die Strompreise in den letzten Jahren ohnehin kräftig angehoben
worden. Für das Management von Eskom – bekannt für deftige Gehaltserhöhungen,
Bonuszahlungen und Abfindungen – steht aber immer Geld zur Verfügung. Auch wenn unter Südafrikas
parastatals defizitäre Staatsbetriebe sind, orientieren sich die Ansprüche der leitenden Herren und Damen eher an den schlechten Vorbildern der Privatwirtschaft.
Kaum zu glauben, was über Eskom im November noch alles zu
lesen ist - das kollabierte Silo ist erst der Anfang: Dann ist die Kohle nass
geworden und es fehlen Wasser und Diesel in den Kraftwerken, später müssen
einige wegen Wartung heruntergefahren werden, Reserven (etwa 15 % sind
international üblich) gibt es nicht. In der ersten Dezemberwoche ist dann
„Stufe 3“ von load shedding erreicht:
Dreimal am Tag kann jetzt die Stromversorgung unterbrochen werden. Schon im März hatte die Oppositionspartei
„Democratic Alliance“ auf Plakaten in Johannesburg gespottet: „Load shedding –
proudly brought to you by the ANC.” Die Regierungspartei fand das gar
nicht lustig.
Dafür bekommen die Südafrikanerinnen und Südafrikaner nun
wieder Post: Mehr als drei Monate lang war sie bestreikt worden. Und so gut wie
pleite ist sie auch. Ferial Haffajee, die streitbare Chefredakteurin der
Sonntagszeitung „City Press“, hat den deplorablen Zustand der öffentlichen
Dienstleistungen mit der Situation in Nigeria verglichen. Der Vergleich falle
zuungunsten Südafrikas aus: „Während der Staat in Nigeria langsam wieder ins
Leben seiner Bürger zurückkehrt, zieht sich unserer aus der Versorgung zurück.“
Wer in einem idyllischen Gartenrestaurant in Dullstroom
sitzt, auf seine gebratene Forelle und das selbstgebraute ginger beer wartet, erlebt ein anderes Südafrika. Touristen fehlt
es an nichts; die Busse, die hier Station machen, haben dem Ort zu einer
kleinen Blüte verholfen. Die einen investieren in Restaurants, die anderen
verkaufen auf der Straße Macadamia-Nüsse, die sehr viel preiswerter sind als in
den Supermärkten in Johannesburg.