Donnerstag, 4. Dezember 2014

Dullstroom, die "Highveld Gazette" und das "Load Shedding"





Dullstroom ist eine freundliche kleine Stadt in Mpumalanga. Touristen machen dort gern halt, wenn sie von Johannesburg zum Krüger-Nationalpark fahren, Südafrikaner kommen zum Forellenfischen hierher. Der Ort nimmt stolz einige Rekorde für sich in Anspruch - auch den, dass er die höchstgelegene Bahnstation Südafrikas hat und zu den kältesten Orten des Landes gehört.
Der Kommunikation mit den Städten der Umgebung und zur Werbung dient die Highveld Gazette (THG), ein gratis verteiltes Anzeigenblättchen, das aber auch kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn die Dinge nicht so sind, wie sie sein sollen. Dass mit der Energieversorgung etwas nicht in Ordnung ist, bekommt man auch hier zu spüren. Immer mal wieder wird für ein paar Stunden der Strom ausgeschaltet, load shedding genannt, weil es reihum alle Teile des Landes trifft. Gerade erst ist ein großes Kohlesilo in der Provinz kollabiert, die Versorgung akut gefährdet.
Doch den Leitartikler der Gazette regt Mitte November etwas anderes auf: die Weigerung oder Unfähigkeit vieler Stromkunden, ihre Rechnungen zu bezahlen; THG hatte immer wieder darüber berichtet. Viele Städte beziehen Strom von Eskom, den sie an ihre Bürger weiterverkaufen, bezahlen aber ihre Rechnungen nicht. Sie stehen bereits mit 3,2 Milliarden Rand bei dem parastaatlichen Unternehmen in der Kreide, weil es kein ordentliches Finanzmanagement gibt oder sie nicht in der Lage sind, das Geld von ihren Bürgerinnen und Bürgern einzutreiben. Und dann legt der Autor richtig los: „Eine Kombination von wachsender Arbeitslosigkeit, ökonomisch schwierigen Zeiten und der Heranziehung von Generationen von ‚frei geborenen‘ Bürgern, die im Anspruchsdenken der Post-Apartheid-Kultur aufgewachsen sind, hat ein gigantisches Warum-sollen-wir-überhaupt-zahlen-Monster geschaffen. Dieses Monster ist inzwischen so groß, dass es nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist.“
Am Ende müsse der Steuerzahler für alles aufkommen, und die nächste Runde der Gebührenerhöhung im neuen Jahr sei auch schon absehbar. Und dabei sind die Strompreise in den letzten Jahren ohnehin kräftig angehoben worden. Für das Management von Eskom – bekannt für deftige Gehaltserhöhungen, Bonuszahlungen und Abfindungen – steht aber immer Geld zur Verfügung. Auch wenn unter Südafrikas parastatals defizitäre Staatsbetriebe sind, orientieren sich die Ansprüche der leitenden Herren und Damen eher an den schlechten Vorbildern der Privatwirtschaft.
Kaum zu glauben, was über Eskom im November noch alles zu lesen ist - das kollabierte Silo ist erst der Anfang: Dann ist die Kohle nass geworden und es fehlen Wasser und Diesel in den Kraftwerken, später müssen einige wegen Wartung heruntergefahren werden, Reserven (etwa 15 % sind international üblich) gibt es nicht. In der ersten Dezemberwoche ist dann „Stufe 3“ von load shedding erreicht: Dreimal am Tag kann jetzt die Stromversorgung unterbrochen werden. Schon im März hatte die Oppositionspartei „Democratic Alliance“ auf Plakaten in Johannesburg gespottet: „Load shedding – proudly brought to you by the ANC.” Die Regierungspartei fand das gar nicht lustig.  
Dafür bekommen die Südafrikanerinnen und Südafrikaner nun wieder Post: Mehr als drei Monate lang war sie bestreikt worden. Und so gut wie pleite ist sie auch. Ferial Haffajee, die streitbare Chefredakteurin der Sonntagszeitung „City Press“, hat den deplorablen Zustand der öffentlichen Dienstleistungen mit der Situation in Nigeria verglichen. Der Vergleich falle zuungunsten Südafrikas aus: „Während der Staat in Nigeria langsam wieder ins Leben seiner Bürger zurückkehrt, zieht sich unserer aus der Versorgung zurück.“
Wer in einem idyllischen Gartenrestaurant in Dullstroom sitzt, auf seine gebratene Forelle und das selbstgebraute ginger beer wartet, erlebt ein anderes Südafrika. Touristen fehlt es an nichts; die Busse, die hier Station machen, haben dem Ort zu einer kleinen Blüte verholfen. Die einen investieren in Restaurants, die anderen verkaufen auf der Straße Macadamia-Nüsse, die sehr viel preiswerter sind als in den Supermärkten in Johannesburg.