Donnerstag, 8. August 2013

Verwoerd und Leon: Diplomaten-Bücher




Beim Literaturfestival in Franschhoek haben zwei frühere südafrikanische Botschafter von ihrer Tätigkeit im Dienst des Landes berichtet und anschließend ihre Bücher signiert: Melanie Verwoerd und Tony Leon.
Melanie Verwoerds Memoiren spielen im Titel auf die Assoziationen an, die ihr Name hervorruft: „The Verwoerd who Toyi-Toyied“. Sie hatte als junge Frau Wilhelm Verwoerd geheiratet, den Enkel des Apartheid-Architekten Hendrik Verwoerd. Sie und ihr Mann schlossen sich dem toyi-toyienden (eine Art Demonstrationstanz) ANC an. In der Familie kam das gar nicht gut an, ihr Name verschaffte ihnen aber einen prominenten Platz im ANC. Melanie wurde 1994 als jüngste Frau ins Parlament gewählt. 
Wie Melanie Verwoerd ist auch Tony Leon kein Karrierediplomat, sondern Politiker. Darauf nimmt der Titel seines Buches Bezug: „The Accidental Ambassador“. Von 1999 bis 2007 war Leon Oppositionsführer im Parlament und damit auch für die Fight Back-Wahlkampagne der Democratic Alliance verantwortlich. Beim ANC wurde dieser Slogan als Schlachtruf gegen die eigene Politik der Transformation verstanden; der scharfzüngige und arrogante Leon war insbesondere für Präsident Thabo Mbeki ein rotes Tuch.
Verwoerd und Leon haben sich beide – und das ist durchaus ungewöhnlich – selbst um einen Botschafterposten beworben. Melanie Verwoerd wollte aus persönlichen Gründen etwas anderes machen und hat sich sogar getraut und es geschafft, Thabo Mbeki persönlich die Zusage für den Botschafterposten in Irland, ihrem Wunschziel, abzuringen. Vier Jahre (2001-2005) war sie dort Repräsentantin ihres Landes.
Präsident Zuma hatte Tony Leon vorgeschlagen, nach Beendigung seiner Tätigkeit im Parlament in der Menschenrechtskommission des Landes mitzuarbeiten. Typisch Leon, verlangte er gleich den Vorsitz, was Zuma nur vage in Aussicht stellen wollte. Und als er ihm dann einen Botschafterposten versprach, erlaubte sich Leon nach seiner Zusage einen Nachsatz: „Stellen Sie aber sicher, dass er an einem bedeutsamen Ort ist.“
Portugal war Leon offensichtlich zu unbedeutend, Argentinien dagegen wichtig genug (Mitglied der G20) und fern von Posten, in denen er vermutlich sehr schnell in Streit mit dem Außenministerium geraten wäre oder, in den Worten von Leon, sich in grundlegenden Werten dem Gastland näher fühlen würde, als seinen Vorgesetzten im diplomatischen Dienst. Von seinen drei Jahren in Argentinien (2009 bis 2012) erzählt sein Buch. Anders als die Memoiren von Melanie Verwoerd, die über ihr turbulentes Leben in Irland insgesamt erzählt, beschränkt sich Leon auf seine Tätigkeit in Buenos Aires.
Leon schreibt unterhaltsam und ist in seiner Eitelkeit auch freimütig mit Urteilen und Beurteilungen, sowohl über das Gastland als auch über Personen und – gelegentlich – sein Heimatland. Das beginnt schon mit seinem Schnellkurs in Diplomatie, den er u.a. zusammen mit dem ehemaligen Minister Zola Skwewiya absolviert, der als Botschafter nach London entsandt werden sollte. Für die „Culture of  Performance“ mit ihren endlosen Formularen und Bewertungen hat der umtriebige Leon von Anfang an außer Verachtung nichts übrig, mit einem britischen Diplomaten nennt er das „Bullshit Bingo“.
Zu den wichtigen Aufgaben eines Botschafters gehört die Organisation des „Polittourismus“ heimischer Delegationen. Tony Leon nimmt auch da kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Ernsthaftigkeit oder das komplette Desinteresse der Besucher geht. Nur Tokyo Sexwale, der steinreiche Minister für Wohnungswesen, nimmt seine Dienste nicht in Anspruch, weil er im eigenen Flugzeug selbst alles mitbringt.   
Spannend wird es da, wo Leon über die argentinische Politik schreibt. „Vote for a Better Yesterday“ ist das Kapitel treffend überschrieben. Die Kirchnersche Politik lebe u.a. davon, dass sie Feinde ausmache und ausgrenze: „Einen Teil der argentinischen Gesellschaft gegen einen anderen oder gegen schattenhafte äußere Feinde in Stellung zu bringen, war ein
Grundzug des Peronismus in Aktion, der von Juan und Evita Peron, den Gründern der Bewegung, perfekt betrieben und mit Wahlerfolgen belohnt wurde.“ (Seine eigene konfrontative Fight Back-Kampagne beurteilt Tony Leon im Vergleich als mild und amateurhaft.)
„Hass als Hoffnung“ hat V.S. Naipaul diese argentinische Spielart der Politik genannt. Beunruhigend für Leon und seine drei kurzzeitigen journalistischen Gäste Mondli Makhanya, Peter Bruce und Tim du Plessis sind die Parallelen zu ihrem eigenen Land. Du Plessis schreibt dazu anschließend in Beeld: „Die gegenwärtige Führung in Argentinien ist genauso wie der ANC: inhärent korrupt, instinktiv Macht missbrauchend, und sie zeigt kaum Respekt für demokratische Institutionen wie Gerichte, Medien und die Zentralbank. …Und nichts ist jemals ihr Fehler. Sie sind wahre Meister darin, anderen die Schuld zuzuweisen und sich selbst herauszureden. Genau wie der ANC…“.
Wie der ANC, so die nächste Parallele, müsse sich auch der  Peronismus nicht wirklich vor Wahlen fürchten. Und wie in Südafrika verliefen die Konflikte und Feindschaften innerhalb der Allianz von Regierung und Gewerkschaften. Loyalität erkauft sich die argentinische Regierung mit großzügigen Wahlgeschenken jenseits aller ökonomischen Vernunft, wirtschaftliche und politische Entscheidungen sind in der nächsten Umgebung der Präsidentin zentriert.
Am Ende kehrt Leon ein Jahr früher als geplant nach Südafrika zurück, die Außenministerin Maite Nokoana-Mashabane entspricht seiner Bitte umgehend und beantwortet damit auch seine wachsende Kritik an der Außenpolitik, insbesondere dem Abstimmungsverhalten Südafrikas im Sicherheitsrat der UN. Leons Urteil über die Politik trägt er scharf, aber diplomatisch verpackt später an der University of the Witwatersrand vor: „Ich denke, die  Sache ist klar. Was auch immer man über unsere Außenpolitik sagen kann - und es gibt tatsächlich einige bedeutsame Verdienste -, das Versprechen, das Nelson Mandela 1993 abgegeben hat, als er sagte, dass ‚die Menschenrechte das Licht sein werden, das unsere Außenpolitik leiten wird’, ist nicht darunter.“
Auch Melanie Verwoerd, die einst für den ANC etwas riskierte, begeistert für ihn warb und in ihrem Buch davon erzählt, schildert den schleichenden Niedergang seiner moralischen Autorität und weiß ein Lied zu singen, wie die Zentrale in Pretoria ihren Auslandsvertretern das Leben schwer machen kann. 
Tony Leon ist jetzt zurück im eigenen Land und wirbt wieder für sich. Und natürlich gern auch für sein Buch. Melanie Verwoerd, die in Irland die Liebe ihres Lebens fand und ihr Buch auch geschrieben hat, um die in dem katholischen Land kontroverse Affäre mit dem prominenten Gerry Ryan ins rechte Licht zu rücken, ist nach dessem plötzlichen Tod dort geblieben.