Beim Literaturfestival in Franschhoek haben zwei frühere südafrikanische Botschafter von ihrer Tätigkeit im Dienst des Landes berichtet und anschließend ihre Bücher signiert: Melanie Verwoerd und Tony Leon.
Melanie Verwoerds Memoiren spielen im Titel auf die
Assoziationen an, die ihr Name hervorruft: „The Verwoerd who Toyi-Toyied“. Sie
hatte als junge Frau Wilhelm Verwoerd geheiratet, den Enkel des
Apartheid-Architekten Hendrik Verwoerd. Sie und ihr Mann schlossen sich dem toyi-toyienden (eine Art
Demonstrationstanz) ANC an. In der Familie kam das gar nicht gut an, ihr Name
verschaffte ihnen aber einen prominenten Platz im ANC. Melanie wurde 1994 als
jüngste Frau ins Parlament gewählt.
Wie Melanie Verwoerd ist auch Tony Leon kein
Karrierediplomat, sondern Politiker. Darauf nimmt der Titel seines Buches
Bezug: „The Accidental Ambassador“. Von 1999 bis 2007 war Leon
Oppositionsführer im Parlament und damit auch für die Fight Back-Wahlkampagne der Democratic Alliance verantwortlich.
Beim ANC wurde dieser Slogan als Schlachtruf gegen die eigene Politik der
Transformation verstanden; der scharfzüngige und arrogante Leon war
insbesondere für Präsident Thabo Mbeki ein rotes Tuch.
Verwoerd und Leon haben sich beide – und das ist durchaus
ungewöhnlich – selbst um einen Botschafterposten beworben. Melanie Verwoerd
wollte aus persönlichen Gründen etwas anderes machen und hat sich sogar getraut
und es geschafft, Thabo Mbeki persönlich die Zusage für den Botschafterposten
in Irland, ihrem Wunschziel, abzuringen. Vier Jahre (2001-2005) war sie dort
Repräsentantin ihres Landes.
Präsident Zuma hatte Tony Leon vorgeschlagen, nach
Beendigung seiner Tätigkeit im Parlament in der Menschenrechtskommission des
Landes mitzuarbeiten. Typisch Leon, verlangte er gleich den Vorsitz, was Zuma
nur vage in Aussicht stellen wollte. Und als er ihm dann einen
Botschafterposten versprach, erlaubte sich Leon nach seiner Zusage einen
Nachsatz: „Stellen Sie aber sicher, dass er an einem bedeutsamen Ort ist.“
Portugal war Leon offensichtlich zu unbedeutend, Argentinien
dagegen wichtig genug (Mitglied der G20) und fern von Posten, in denen er
vermutlich sehr schnell in Streit mit dem Außenministerium geraten wäre oder,
in den Worten von Leon, sich in grundlegenden Werten dem Gastland näher fühlen
würde, als seinen Vorgesetzten im diplomatischen Dienst. Von seinen drei Jahren
in Argentinien (2009 bis 2012) erzählt sein Buch. Anders als die Memoiren von
Melanie Verwoerd, die über ihr turbulentes Leben in Irland insgesamt erzählt,
beschränkt sich Leon auf seine Tätigkeit in Buenos Aires.
Leon schreibt unterhaltsam und ist in seiner Eitelkeit auch
freimütig mit Urteilen und Beurteilungen, sowohl über das Gastland als auch
über Personen und – gelegentlich – sein Heimatland. Das beginnt schon mit
seinem Schnellkurs in Diplomatie, den er u.a. zusammen mit dem ehemaligen
Minister Zola Skwewiya absolviert, der als Botschafter nach London entsandt werden
sollte. Für die „Culture of Performance“
mit ihren endlosen Formularen und Bewertungen hat der umtriebige Leon von
Anfang an außer Verachtung nichts übrig, mit einem britischen Diplomaten nennt
er das „Bullshit Bingo“.
Zu den wichtigen Aufgaben eines Botschafters gehört die
Organisation des „Polittourismus“ heimischer Delegationen. Tony Leon nimmt auch
da kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Ernsthaftigkeit oder das komplette
Desinteresse der Besucher geht. Nur Tokyo Sexwale, der steinreiche Minister für
Wohnungswesen, nimmt seine Dienste nicht in Anspruch, weil er im eigenen
Flugzeug selbst alles mitbringt.
Spannend wird es da, wo Leon über die argentinische Politik
schreibt. „Vote for a Better Yesterday“ ist das Kapitel treffend überschrieben.
Die Kirchnersche Politik lebe u.a. davon, dass sie Feinde ausmache und
ausgrenze: „Einen Teil der argentinischen Gesellschaft gegen einen anderen oder
gegen schattenhafte äußere Feinde in Stellung zu bringen, war ein
Grundzug des Peronismus in Aktion, der von Juan und Evita
Peron, den Gründern der Bewegung, perfekt betrieben und mit Wahlerfolgen
belohnt wurde.“ (Seine eigene konfrontative Fight
Back-Kampagne beurteilt Tony Leon im Vergleich als mild und amateurhaft.)
„Hass als Hoffnung“ hat V.S. Naipaul diese argentinische
Spielart der Politik genannt. Beunruhigend für Leon und seine drei kurzzeitigen
journalistischen Gäste Mondli Makhanya, Peter Bruce und Tim du Plessis sind die
Parallelen zu ihrem eigenen Land. Du Plessis schreibt dazu anschließend in Beeld: „Die gegenwärtige Führung in
Argentinien ist genauso wie der ANC: inhärent korrupt, instinktiv Macht
missbrauchend, und sie zeigt kaum Respekt für demokratische Institutionen wie
Gerichte, Medien und die Zentralbank. …Und nichts ist jemals ihr Fehler. Sie
sind wahre Meister darin, anderen die Schuld zuzuweisen und sich selbst
herauszureden. Genau wie der ANC…“.
Wie der ANC, so die nächste Parallele, müsse sich auch
der Peronismus nicht wirklich vor Wahlen
fürchten. Und wie in Südafrika verliefen die Konflikte und Feindschaften
innerhalb der Allianz von Regierung und Gewerkschaften. Loyalität erkauft sich
die argentinische Regierung mit großzügigen Wahlgeschenken jenseits aller
ökonomischen Vernunft, wirtschaftliche und politische Entscheidungen sind in
der nächsten Umgebung der Präsidentin zentriert.
Am Ende kehrt Leon ein Jahr früher als geplant nach
Südafrika zurück, die Außenministerin Maite Nokoana-Mashabane entspricht seiner
Bitte umgehend und beantwortet damit auch seine wachsende Kritik an der
Außenpolitik, insbesondere dem Abstimmungsverhalten Südafrikas im
Sicherheitsrat der UN. Leons Urteil über die Politik trägt er scharf, aber
diplomatisch verpackt später an der University of the Witwatersrand vor: „Ich
denke, die Sache ist klar. Was auch
immer man über unsere Außenpolitik sagen kann - und es gibt tatsächlich einige
bedeutsame Verdienste -, das Versprechen, das Nelson Mandela 1993 abgegeben
hat, als er sagte, dass ‚die Menschenrechte das Licht sein werden, das unsere
Außenpolitik leiten wird’, ist nicht darunter.“
Auch Melanie Verwoerd, die einst für den ANC etwas
riskierte, begeistert für ihn warb und in ihrem Buch davon erzählt, schildert
den schleichenden Niedergang seiner moralischen Autorität und weiß ein Lied zu
singen, wie die Zentrale in Pretoria ihren Auslandsvertretern das Leben schwer
machen kann.
Tony Leon ist jetzt zurück im eigenen Land und wirbt wieder
für sich. Und natürlich gern auch für sein Buch. Melanie Verwoerd, die in
Irland die Liebe ihres Lebens fand und ihr Buch auch geschrieben hat, um die in
dem katholischen Land kontroverse Affäre mit dem prominenten Gerry Ryan ins
rechte Licht zu rücken, ist nach dessem plötzlichen Tod dort geblieben.
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