Wie geht es eigentlich den Weißen in Südafrika? Das ist eine Frage, die selten gestellt wird, da die schwarze Bevölkerung verständlicherweise viel Sympathie genießt. Sie verdient aber doch Beachtung.
Die Erleichterung, die mit dem friedlichen Machtwechsel verbunden war, und der vorsichtige Optimismus nach der Wahl Mandelas zum Präsidenten sind jedenfalls verflogen. Gründlich. Die Weißen (und die übrigen Minderheiten der Coloureds und Inder) haben für die Regierung nichts mehr übrig, viele sind zynisch geworden und wählen, um wenigstens ein Zeichen zu setzen, die Oppositionspartei „Democratic Alliance“. Da die große Mehrheit der schwarzen weiterhin ANC wählt, sprechen Experten von einem ethnischen Zensus.
19 Jahre nach der Machtübernahme durch den ANC ist klar, dass hier eine afrikanisch-nationalistische Partei an der Macht ist, die sich des Staatsapparates bemächtigt hat und - sehr effizient - daran arbeitet, viel vom wirtschaftlichen Reichtum des Landes in ihre Taschen fließen zu lassen. Legal und illegal. Die Leistungen der Partei aber lassen vielerorts zu wünschen übrig, vor allem in den Provinzen und auf dem Land.
Die Weißen zahlen Steuern, aber sie bekommen vom Staat nicht das, was Staaten sonst einigermaßen gewährleisten: öffentliche Sicherheit und Schulen für ihre Kinder. Das Geld dafür müssen sie zusätzlich aufbringen. Es gibt in Südafrika mehr private Sicherheitsleute als Polizisten, und wer irgend kann, schickt seine Kinder auf Privatschulen.
Viele haben deshalb das Land verlassen - wie viele, weiß niemand genau. Manche Auswanderer aber kommen auch frustriert und heimwehkrank zurück, denn das Leben in Südafrika hat auch viel zu bieten. Jenseits von Politik, Kriminalität und Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder geht es den meisten Weißen weiterhin ziemlich gut.
Darauf hat gerade wieder Frans Cronje vom renommierten South African Institute for Race Relations hingewiesen ("City Press" vom 19. Mai 2013). Zum einen ist der Bildungsstand enorm gewachsen. Heute machen fast alle weißen Kinder Abitur (matric), und 60 Prozent der 20- bis 24-jährigen sind in einer höheren Bildungsinstitution eingeschrieben. Und obwohl nichtweiße Kandidaten bei Positionen im öffentlichen Dienst und teilweise auch der Privatwirtschaft gezielt bevorzugt werden, ist die Arbeitslosigkeit in der weißen Bevölkerungsgruppe nur von 3 auf 5,7 Prozent gestiegen. Das ist zwar immer noch bitter, aber im internationalen Vergleich ziemlich gering und geradezu überraschend, wenn man bedenkt, dass 2012 in der schwarzen Bevölkerung 29 Prozent arbeitslos gewesen sind. Arbeitslos und arm bzw. verarmt sind vor allem Weiße mit sehr niedrigem Bildungsniveau, die früher durch Apartheid privilegiert wurden und jetzt schwarze Konkurrenten haben.
Das gute wirtschaftliche Abschneiden der weißen Bevölkerung in einem sie nicht länger begünstigenden, manchmal sogar benachteiligenden Umfeld lässt sich dadurch erklären, dass sich ihr Arbeitsfeld geändert hat. Waren 1994 noch viele im Staatsdienst beschäftigt, so sind sie heute ganz überwiegend selbständig, haben Unternehmen gegründet oder sind freiberuflich tätig.
Cronje interpretiert das als Befreiung: Die transition nach 1994 werde als Befreiung der Schwarzen in die Geschicht eingehen, es sei aber eine bedeutende Fußnote der Geschichte, dass auch Weiße befreit worden seien. Cronje sieht sie gleich dreifach befreit: von der Schuld und dem Pariah-Status, der mit ihrer Unterstützung bzw. Durchsetzung der Apartheid verbunden war, aus der Falle einer schwächelnden Wirtschaft, die ihr eigenes Fortkommen behinderte, und schließlich entlastet von der Erwartung, dass der Staat etwas für sie tun werde.
Man muss diese Bewertung nicht teilen, aber es ist deutlich sichtbar, dass ein Teil der weißen Bevölkerung sich in den vergangenen Jahren neu erfunden hat bzw. neu erfindet. Gab es Anfang der neunziger Jahre noch kaum einheimischen Käse, wird er nun an vielen Orten im Land hergestellt. Es werden Marmeladen gekocht, Chutneys gerührt, Olivenöle vermarktet, feine Schokoladen produziert. An vielen Orten gibt es Märkte mit allerlei Köstlichkeiten, es wird fast alles geboten, was zum Spektrum „gesunder Ernährung“ gehört. Designer entwickeln Klamotten und Möbel, junge Hochschulabsolventen eröffnen lustige Cafés, Frührentner machen kleine B& Bs auf oder bieten Kochkurse an.
Dass das alles funktioniert, hat zwei Gründe. Zum einen ist die weiße Minderheit groß genug, um diese Angebote auch zu nutzen: Auch wenn die Preise fast so hoch sind wie auf dem (feinen) Hamburger Isemarkt, sind die Märkte und food festivals immer gut besucht. Hinzu kommt die steigende Zahl von Touristen, die es genießen, solche Köstlichkeiten unter afrikanischer Sonne zu verzehren.
Die Lifestyle-Industrie blüht - das zeigt sich auch in den üppigen Hochzeiten, die von einschlägigen Agenturen lange vorbereitet werden. Sie werden auch von der neureichen schwarzen Elite gebucht, die sich gern in allem mit Prunk und Pracht inszeniert, wie ihn Europa über Jahrzehnte entwickelt hat.
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