Ins Gefängnis hineinzukommen ist eigentlich ganz einfach. „Kommen Sie um halb vier Uhr wieder“, sagt Wärter Fisher mittags am Eingang, „dann kann ich Sie hineinbringen.“ Wir sind pünktlich, und dann ist wirklich alles ganz einfach.
Das Drakenstein Correctional Center im Dwars River Tal in der Nähe von Paarl ist ein riesiger Komplex – vier Gefängnisse für Männer vom Hochsicherheitstrakt bis zur Verwahranstalt für Häftlinge kurz vor der Entlassung mit jeweils zwei-, dreitausend Insassen, viel Farmland drum herum für Getreide, Gemüse, für Kühe und mit diversen Hühnerställen, denn die Anstalt versorgt sich nicht nur selbst, sondern beliefert Gefängnisse im ganzen Land mit Nahrungsmitteln. Auch die Anstaltskleidung wird selbst gefertigt.
Neben den Gefängnisgebäuden stehen Wohnhäuser. Viele der 800 Wärter leben noch auf dem Gelände, heute alle Hautfarben gemischt. Früher wohnten die Weißen getrennt von den Coloureds, die kleinere Häuser zugewiesen bekamen. „Aber wir vergeben alles“, sagt der fromme Mr. Fisher. Die Wärter können in einem eigenen Laden einkaufen, sogar auf dem Gelände heiraten - dann sind es Gefangene, die für die Verpflegung sorgen. „Der Chefkoch ist gut“, sagt Mr. Fisher. Er ist stolz darauf, dass die Gefangenen eine möglichst solide Ausbildung erhalten, die ihnen die Rückkehr in ein normales Leben erleichtern soll.
Weltweit bekannt geworden ist die Haftanstalt aus einem ganz anderen Grund: Hier verbrachte Nelson Mandela seine letzten 18 Monate im Gefängnis – „und am Sonntag, 11. Februar 1990, ist er dann in die Freiheit entlassen worden“, sagt Mr. Fisher stolz. Der 49jährige ist hier seit 28 Jahren Wärter, hat Mandela im Gefängnis kennengelernt und führt uns gern durch die Anlage. „Das ist der lange Weg zur Freiheit“, sagt er auf der Allee, die zum Gefängnistor führt, „hier ist er gegangen, und draußen haben Tausende auf ihn gewartet.“
Damals hieß der Komplex noch Victor-Verster-Gefängnis, und vor dem Tor erinnert eine überlebensgroße Mandela-Statue an diesen historischen Tag. Als ein Touristenbus hält, wird sie gern fotografiert – aber nach dem kurzen Stopp fahren die Urlauber weiter.
Mr. Fisher zeigt uns das Gebäude, das Mandela hier bewohnt hat. „Er ist wohl der einzige Gefangene weltweit, der seine Haftzeit in einem großen Haus mit Swimmingpool verbracht hat.“ Als Mandela vom Pollsmoor-Gefängnis aus Kapstadt in die Gegend um Paarl und Franschhoek verlegt wurde, hatte die Apartheid-Regierung ein altes Farmhaus für ihn herrichten lassen – mit Abhörmikrofonen bis hin zum Gartengrill. Weit abgelegen von den vier Gefängnissen konnten hier die Gespräche zwischen Mandela und den Apartheid-Politikern relativ unbeobachtet geführt werden.
„An diesem Tisch haben Mandela und de Klerk ihre Verhandlungen begonnen“, zeigt uns Fisher im Wohnzimmer einen schweren Holztisch. An der Wand hängt ein Bild der beiden Politiker, gemalt von einem Drakenstein-Häftling, der immer noch einsitzt. „Sie haben beide einen guten Job gemacht“, findet Fisher. Mandela - das wird schnell klar, wenn er von ihm spricht – verehrt er sehr. Auf seine Nachfolger ist Fisher nicht so gut zu sprechen: „Sie reißen alles ein, was Mandela aufgebaut hat.“
Dann werden wir durch das ganze Farmhaus geführt. Seine Einrichtung erinnert stark an die Mode der 60er Jahre – Kacheln in Braun- und Blautönen, bescheidene Badezimmer, eine große Küche mit Holzschränken. Fisher zeigt auf die Arbeitsplatte: „Hier stand eine Mikrowelle. Herr Mandela hat sie erst für einen Fernseher gehalten und gesagt, er brauche doch nur einen.“ Im geräumigen Schlafzimmer zupft er die Bettdecke zurecht: „Da haben vorhin die Kinder drauf gesessen – die wollten das so gern.“
Manche Zimmer sind leer – so fehlen etwa die Sportgeräte, mit denen Mandela sich jeden Tag fit trainiert hat. „Die haben wir weggeräumt, weil hier Filmleute gedreht und ihre eigenen Möbel mitgebracht haben“, sagt Fisher. Ende des Jahres soll der Film („Long Walk to Freedom“) in die Kinos kommen – der erste südafrikanische Spielfilm über das Leben Mandelas. Auf dem Filmfestival in Cannes wurde gerade das Plakat enthüllt.
Von der Hausaufteilung war Mandela so angetan, dass er sich in seinem Heimatort Qunu später ein identisches Gebäude errichten ließ. Sein Haus im Gefängnis soll einmal als Museum zugänglich sein – aber wann, ist noch unklar. Besichtigen können es Interessierte heute nur nach Anmeldung – oder wenn sie zufällig Mr. Fisher am Tor treffen.
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