Die Wochenzeitung „Sunday Times“ gehört zu den Mitträgern des Literaturfestivals in Franschhoek. Sie nutzt es, um dort jeweils bekanntzugeben, wer zu den Favoriten für den Alan Paton Award gehört, dem wichtigsten Sachbuchpreis des Landes. 43 Nominierungen hatte es in diesem Jahr gegeben. Fünf Bücher sind nun in der engeren Wahl. Bis auf Redi Tlhabi, die ein Kind erwartet und nicht reisen konnte, waren alle preisverdächtigen Autoren an diesem Wochenende nach Franschhoek gekommen, um über ihre Bücher zu sprechen.
Der renommierte Historiker Hermann Giliomee, der wie kein anderer mit der Psyche der afrikaanssprechenden weißen Bevölkerung vertraut ist, hat „The Last Afrikaner Leaders“ portraitiert: die Präsidenten HF Verwoerd, JB Vorster, PW Botha und FW de Klerk sowie Frederik van Zyl Slabbert, der als Oppositionspolitiker früh den Kontakt zum ANC gesucht hatte und am Ende bitter enttäuscht war, dass man ihn später regelrecht missachtete. In den sorgfältig recherchierten Portraits entsteht streckenweise ein anderes Bild der Herren Verwoerd, Vorster und Botha als das gängige Anti-Apartheid-Narrativ der siebziger und achtziger Jahre. Man kann eine Menge lernen, wie die drei jeweils Wirtschaftswachstum und weiße Privilegien & Sicherheit zu gewährleisten suchten und auf die stark wachsende schwarze Bevölkerung und ihre zunehmend selbstbewußteren Sprecher reagierten.
FW Klerk, der nach dem Fall der Berliner Mauer schließlich den Weg für eine Verhandlungslösung frei machte, wird von Giliomee eher kritisch beurteilt. Er habe zwar die Zeichen der Zeit erkannt, sei nach der Entbannung des ANC aber zu zögerlich gewesen und habe am Ende nicht gut verhandelt. Zum Beispiel zeige sich jetzt, dass man sich nicht allein auf die Verfassung und das Verfassungsgericht verlassen könne. Bei der Ernennung der Richter nutze die Regierung ihre Mehrheit in der Auswahlkommission dazu, ihre Leute oder ihr willfährige Juristen durchzusetzen.
Nominiert ist auch Xolela Mangcus Biographie „Biko“ über den 1977 ermordeten Vordenker des „Black Consciousness“. Die Weißen und der Westen, so Mangcu 2008 auf der Buchmesse in Kapstadt, hätten den ANC idealisiert. Paradoxerweise seien es nun die damals misstrauisch beäugten Anhänger des Black Consciousness, die das multirassische Südafrika gegen den afrikanischen Nationalismus des ANC verteidigten. Steve Bikos Sohn Hlumelo, in Franschhoek ebenfalls mit einem Buch präsent (The Great African Society. A Plan for a Nation Gone Astray), machte so entspannt Vorschläge für konstruktive, manchmal radikale Reformen, dass das ganz überwiegend ältere weiße Publikum ihm regelrecht erleichtert folgte, auch wenn dafür nach den massiven Ausgaben für Black Empowerment noch einmal große Summen fällig werden.
Das dritte nominierte Buch hat Jacques Pauw geschrieben, der wohl renommierteste investigative Journalist des Landes, national und international mit vielen Preisen ausgezeichnet. Er hat viele Tage und Wochen mit Kennedy Gihana verbracht, einem Ruander, der sich nach dem Völkermord dort zu Fuss von Ruanda nach Südafrika durchgeschlagen und nach einem Leben auf der Straße schließlich studiert hat und heute als Rechtsanwalt arbeitet. Doch Gihana ist nicht nur Opfer und Überlebender, er ist auch Täter, hat mit Kagames Tutsi-Truppe gekämpft und selbst gemordet. In einem der Workshops in Franschhoek (Digging for the Truth) hat Pauw erzählt, wie viel Geduld so ein Portrait erfordert und wie delikat es ist, mit dem so Gezeichneten über die Veröffentlichung zu sprechen.
Im gleichen Workshop gab Julian Rademeyer Auskunft über seine Recherchen für sein ebenfalls nominiertes Buch „Killing for Profit“, in dem er über den illegalen Handel mit Rhino-Horn berichtet. U.a. bedingt durch eine zunehmende Nachfrage aus dem wirtschaftlich erstarkenden Vietnam werden in Südafrika immer mehr Rhinos getötet. Rademeyer hat sich für die Täter interessiert, die Fusstruppen – z.B. Mosambikaner, die kaum andere Möglichkeiten haben, Geld zu verdienen, und es so wenigstens zu einem bescheidenen Zementhaus bringen – und die etablierten Unternehmer und kriminellen Netzwerke, die an diesem Handel richtig gut verdienen. Sein Interesse an den Tätern hat Rademeyer dazu gebracht, ein Wochenende auf der Farm von Dawie Groenewold zu verbringen, der inzwischen als einer der Drahtzieher des internationalen Horn-Handels verhaftet worden ist. Einem Menschen näher zu kommen und dann wieder professionelle Distanz zu entwickeln, gehört zu den Stärken dieser südafrikanischen Autoren und ihrer Bücher.
Das gilt auch für Redi Tlhabi und ihr ebenfalls auf der short list stehendes Buch „Endings and Beginnings“. Sie hatte als Elfjährige eine platonische, aber auch sehr intensive Beziehung zu einem gefürchteten township-Gangster entwickelt, der zugleich fürsorglich und gelegentlich furchterregend für sie war. Sie beschreibt ihre Zuneigung zu diesem Mann ohne zu beschönigen, wer und was er war. In seiner Einführung hob Moderator Eusebius McKaiser, der als Junge von seinem Cousin selbst sexuell missbraucht wurde, hervor, dass es wichtig sei, hinter den Monstern den Menschen zu sehen, ohne in irgendeiner Form zu relativieren oder zu billigen, was sie getan haben. Die Jury bescheinigt Tlhabi, das mit großer Aufrichtigkeit und gleichzeitig sehr elegant getan zu haben und damit den Leserinnen und Lesern Einblick in eine Welt und Gefühlslagen zu geben, die man sich von außen nur schwer vorstellen kann.
Welches der fünf lesenswerten Bücher die mit einem Preisgeld von 75 000 Rand verbundene Auszeichnung bekommen wird, wird am 29. Juni bekannt gegeben werden. .
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