Gerade erst hat Kapstadts altehrwürdige University of Cape Town (UCT) in einem Ranking von Universitäten (QS World University Rankings) gute Noten in acht Disziplinen bekommen, darunter in Politik– und Geschichtswissenschaft. Etwas lernen kann man auch bei „Humanities for Africa“ (HUMA), einem 2010 ins Leben gerufenen interdisziplinären Forschungsbereich. Einige der Veranstaltungen sind Interessierten von außen zugänglich, so die Donnerstagsgespräche von HUMA.
Dazu muss man sich rechtzeitig auf den Weg zur Universität machen, denn einen Parkplatz und vor allem den Veranstaltungsraum zu finden, erfordert Spürsinn und Ausdauer.
In dieser Woche eingeladen zum Vortrag war Bridget Kenny, eine in Johannesburg lehrende amerikanische Soziologin. Das Thema klang vielversprechend: Servicing a Racial Regime. Gender, race and the polity in department stores in Baltimore (Maryland) and Johannesburg 1940-1970.
Wie so oft bei akademischen Veranstaltungen wurde leider ein “paper” verlesen. Und das enthielt natürlich jede Menge „Referenzen“ (u.a. Habermas) und Jargon (wie contested space - gerade sehr beliebt) und dafür relativ wenig anschauliche Erzählung. Fotos machten das allerdings wieder etwas wett.
Bei Hochschild Kohn & Co (gegründet 1897) in Baltimore einzukaufen, eröffnete Frauen der Mittelschicht einen neuen quasi-öffentlichen Raum, in dem sie sich zeigen, stöbern, einkaufen und Restaurants besuchen konnten. Beraten wurden sie von Verkäuferinnen, die ebenfalls etwas auf sich hielten und angesehen waren. Bei Hochschild’s zu arbeiten, war nicht nur eine sehr respektable Beschäftigung, sondern bot auch Aufstiegsmöglichkeiten. Schwarze Angestellte gab es im Kaufhaus ebenfalls, etwa als „Lift Boys“. Das Kaufhaus war ein kleiner Kosmos, in dem auch die Eigentümerfamilien präsent waren, Kundinnen und Verkäuferinnen begrüßten und nach ihren Wünschen bzw. ihrem Wohlergehen fragten. Kontrovers wurde es, als in den unterschiedlichen Restaurants des Hauses (für jeden Geldbeutel und jeden Geschmack) schwarze Personen zugelassen wurden: Es gab Zuschriften dafür und dagegen, oft verbunden mit dem Versprechen, nun mehr oder der Drohung, ab sofort gar nicht mehr zu kaufen.
Auch Johannesburg hatte spektakuläre Kaufhäuser, Stuttafords und Garlicks etwa. Deborah Posel, renommierte Soziologin und Gründungsdirektorin von HUMA, erzählte in der Diskussion von einer britischstämmigen Frau, die sich stadtfein machte, wenn sie dort hinging und zwischendurch sogar in einem Hotel eincheckte, um sich frisch zu machen. Die Verkäuferinnen gehörten dagegen zur (damals ärmeren) burischen Bevölkerungsgruppe, und es war durchaus üblich, dass sie die Präsentationsflächen und Verkaufstische selbst polierten.
Dass Frauen berufstätig waren, entsprach nicht dem sehr konservativen burischen Familienverständnis, und so kämpften die Frauen mit ihrer Gewerkschaft dafür, die Ladenschlusszeiten zu begrenzen, damit Mütter am Nachmittag zu ihren Kindern zurückkehren konnten. Schwarze Frauen als Verkäuferinnen zu beschäftigen, war für viele Kundinnen undenkbar, was Helen Suzman, die große alte Dame des südafrikanischen Liberalismus und lange Zeit die einzige Oppositionsabgeordnete im Apartheid-Parlament, zu einem ironischen Kommentar veranlasste: Schwarze Hausangestellte seien in fast jedem Haushalt präsent und müssten schon deshalb aus dem quasi-öffentlichen Raum des Kaufhauses nicht ferngehalten werden.
Viele Handelshäuser wussten schon damals ganz gut, dass sie auf schwarze Kunden angewiesen waren, wenn sie überleben wollten, und sie fanden Wege, auch an sie zu verkaufen. Im Anschluss an den Vortrag erzählten zwei (nichtweiße) Zuhörerinnen von Matriarchinnen in ihren Familien, die sich ebenfalls fürs Einkaufen fein machten und bewußt so auftraten, um zu demonstrieren, dass auch sie etwas gelten. Zethu Matebeni, die Diskussionsleiterin, beschrieb Einkäufe in Port Elizabeth, die sie als Kind mit erlebt hatte: Was sie erstanden hatten, versteckten die Frauen unter den Autositzen – zum einen, weil die Polizei ihnen bei Kontrollen unterstellen würde, dass sie diese feinen Sachen gestohlen hätten, und zum anderen, weil sie auch im township nicht alles vorzeigen konnten, was sie gekauft hatten.
Südafrika hat sich in den vergangenen 20 Jahren von einer Kontroll- zu einer Konsumgesellschaft gewandelt, an der – theoretisch – alle partizipieren können. Doch die so aufdringlich präsente Konsumwelt ist arm geworden: Das Zeitalter der Kaufhäuser als Symbole der Moderne ist hier vorbei, wie auch in den USA. Hochschild Kohn & Co in Baltimore, einst angetreten unter dem wunderbaren Motto „Reliable goods only, at uniformly right prices“, sind unter die Räder städtischer Veränderungen gekommen und in die Vororte und Shopping Malls abgewandert. Sie haben dabei ihren Nimbus und ihre Einzigartigkeit verloren. Sic transit Gloria. Und in Kapstadt haben Stuttafords und Garlicks (beide in der Adderley Street gelegen) Anfang der achtziger Jahre ihre Pforten geschlossen, Stuttafords in einem traurigen Niedergang Etage für Etage. Unter dem Namen existiert jetzt nur noch ein kleineres Kaufhaus mit selektivem Angebot im Einkaufszentrum Cavendish. Einen Ausflug im Sonntagsstaat ist das heute nicht mehr wert.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen