Sonntag, 4. Mai 2014

Schüler fordern mehr Unterricht



Sie trafen sich wie Verschwörer spät am Abend. In einem kleinen Dorf im Matatieleland, an der Grenze zwischen Ostkap und KwaZulu-Natal, sollten die Behörden nichts von ihrem Treffen erfahren – sie wären sonst als „Unruhestifter“ abgestempelt, erzählen sie der Reporterin vom „Sunday Independent“. Dabei sind sie alle hochrespektable Elternvertreter der Moshesh Senior Secondary School in Queens Mary, die nur versuchen, ihren Kindern zu einem geregelten Unterricht zu verhelfen.
„Schüler rufen nach mehr Mathe-Unterricht“ – eine andere Zeitungsschlagzeile aus Südafrika, die ein bezeichnendes Schlaglicht auf die hiesige Bildungskrise wirft. Seit mehr als zwei Monaten fällt in der Abiturklasse der Eden Park Secondary School in Alberton der Mathe-Unterricht aus, weil der Lehrer krank ist, und in wenigen Wochen sind Prüfungen. Fünf Schüler forderten jetzt die Schulbehörde auf, für einen Lehrerersatz zu sorgen, nachdem ihr Schulleiter ein Treffen mit ihnen verweigert hatte.
Eltern erzählen, der Schulleiter habe ihnen erklärt, die Sache liege nicht in seiner Kontrolle. „Es geht um unsere Zukunft“, sagt ein Schüler. Die Mathe-Note kann über den Zugang zur Universität entscheiden. Nach Auskunft der Schulbehörde soll nach den Osterferien jetzt ein Ersatzlehrer versuchen, den versäumten Stoff aufzuholen.
Auch in dem Matatieledorf geht es den Eltern um die Zukunft ihrer Kinder. Lehrer der Moshesh Secondary School kamen betrunken zum Unterricht, der Schulleiter war neun Monate abwesend, Schüler blieben so oft sitzen, dass sie oft erst mit über 20 ihren Abschluss schafften, und Reporter sahen Schweine, die sich mit Schulbüchern im Maul davon machten: Das Musterbeispiel einer „dysfunktionalen“ Schule machte schon 2012 Schlagzeilen (das Foto oben zeigt ein aufgegebenes Klassenzimmer der Schule).
Zamuxolo Wesley Moutlaoli, einer der Schüler, hatte sich damals bei der Erziehungsministerin beschweren wollen und im Internet nach ihrer Telefonnummer gesucht. Statt an das Ministerium geriet er an die Bürgerinitiative „Equal Education“, die den Fall publik machte. Die Behörde reagierte allerdings erst, als sie vor Gericht verklagt wurde, und versprach, sich um die Schulprobleme zu kümmern und neue Lehrer einzustellen, damit nicht mehr so viel Unterricht ausfiele.
Moutlaoli bekam Ärger in der Schule und wurde vom Schulleiter angefahren, „Equal Education“ wolle die Schule herunter machen. Als die Organisation in diesem Frühjahr wieder auftauchte, war noch nicht allzu viel geschehen: Um die Probleme anzugehen, meint die Schulbehörde, brauche sie mehr Zeit und viel Geld.
Dabei kann sich der Bildungsetat Südafrikas im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen. Das Weltwirtschafts-Forum in der Schweiz führt Südafrika bei der Bildung unter 148 Ländern trotzdem auf Platz 146. Von zehn Schulanfängern erreichen nur vier das Abschlussexamen, obwohl man das in manchen Fächern schon mit nur 30 % richtigen Antworten bestehen kann – und nur 5 % der Schüler haben bei Mathe mehr als 50 % Treffer. Viele Universitäten beklagen sich, dass junge Studenten kaum lesen und schreiben können.
Mit einer Demonstration wollten Schüler und Eltern der Behörde in Matatiele in dieser Woche etwas Beine machen – aber sie wurde nicht genehmigt. „Vor der Wahl wollten sie so etwas wohl nicht“, vermutet ein Elternteil. Die Elternvertreter trafen sich heimlich zu einer Verschwörersitzung und beschlossen, trotzdem zu demonstrieren. Mit Plakaten („We want quality education“) demonstrierten mehr als 90 Schüler am vergangenen Donnerstagmittag vor der Schulbehörde. „Die Mitarbeiter verstehen uns nicht“, meinte einer der Demonstranten. „Sie schicken ihre Kinder auf Privatschulen.“