Montag, 17. November 2014

Wilderer


„Gibt es hier Wilderer?“, fragen wir auf dem Game Drive im Krügerpark. „Oh ja, viele“, sagt der Ranger. „Früher durften wir nicht darüber reden, aber das ist schon ein großes Problem.“ Zehn Meter von unserem Fahrzeug entfernt liegt ein Rhino, und sein Horn ist Ziel der meisten Wilderer. Vor allem in Asien werden für das pulverisierte Horn, das angeblich die Manneskraft stärken soll, Phantasiepreise bezahlt.
2014 sind im Krüger-Park bis November schon 655 Rhinos getötet worden, 27 % mehr als im Jahr davor. Jeden Tag sickern zwischen 15 und 20 Wilderer in den Park ein mit nur einem Ziel: soviele Rhinos zu töten wie nur möglich. Und die Ranger sind überzeugt, dass die Jagd noch zunehmen wird: Zum chinesischen Neujahrsfest im Februar 2015 steigt die Nachfrage nach Rhino-Horn erfahrungsgemäß an.
Mittlerweile sind die Wilderer mit modernen Waffen ausgerüstet, aber auch die Ranger haben aufgerüstet – nicht zuletzt dank einer Millionen-Spende von US-Milliardär Warren Buffett, die zum Schutz der Rhinos eingesetzt werden soll. „Sunday Times“-Reporterin Pearlie Joubert war zwei Tage im Krüger-Park mit der Schutztruppe unterwegs. „Wir errichten eine Berliner Mauer um unsere Rhinos“, sagt ihr ein Ranger. „Wir stoppen die Wilderer, wenn sie im Park sind.“
Der riesige Krüger-Park ist mittlerweile in Schutzzonen aufgeteilt; an einigen Stellen wird die Parkgrenze aus Ballons mit Kameras überwacht. Die Informationen laufen mitten im Park, im Skukuza-Camp, zusammen. Über Funk werden dort die Ranger dirigiert. Die „Sunday Times“-Reporterin darf im Kommandoraum in Skukuza verfolgen, wie eine Gruppe von drei Wilderern aufgespürt wird. 14 Stunden nach ihrem Eindringen und 40 Kilometer von der Parkgrenze entfernt werden sie nach einem kurzen Feuergefecht von Rangern gestellt. Einer kann im allgemeinen Durcheinander entkommen, zwei Wilderer werden festgesetzt und vernommen. „Heute nacht hätten wir ein Rhino getötet“, sagt einer der beiden, „und ich hätte 100.000 Rand verdient.“ Er sei zum dritten Mal im Park, gibt er an; vor einer Woche habe er gerade noch flüchten können.
Der zweite Wilderer trägt ein Gewehr mit Schalldämpfer. Fünf Stunden später übernimmt die Polizei die beiden; einer ist bei dem Feuergefecht verwundet worden und kommt ins Krankenhaus, der andere in eine Polizeizelle.  
8.000 Rhinos sind noch im Krüger-Park, mehr als 150 Wilderer wurden festgenommen – ein Rekord. Viele sind jung, wollen mit der Wilderei das schnelle Geld machen. Ein Ranger erzählt der Reporterin, wie er in einer Kneipe in der Nähe des Parks junge Leute übermütig habe singen hören „Wir überleben mit dem Rhino-Geld“ - jeder dort habe gewußt, wer mit Wilderei sein Geld verdient. „Ich spüre heute nicht Tieren, sondern Menschen nach“, sagt der Ranger. „Wir werden nicht zulassen, dass der Park von Gier und Grausamkeit zerstört wird.“
In ganz Südafrika sind in diesem Jahr bereits mehr als 1.000 Rhinos getötet worden – im Durchschnitt sind das pro Tag 4,6 Tiere.

Eine Schule verschwindet




Ein knappes Jahr hat es gedauert, bis die Gqebera High School im Township Govan Mbeki in der Nähe von Port Elizabeth 1995 eröffnet werden konnte – jetzt ist sie innerhalb von wenigen Wochen fast komplett verschwunden.
40 Millionen Rand hat der Backsteinbau damals gekostet, das ganze Township war stolz darauf: 8 Häuser, 34 Klassenzimmer, ein Chemielabor, ein Computer-Zimmer – die High School konnte sich sehen lassen. 1.200 Schüler zählte Schulleiter Themba Faku. Mittlerweile ist er pensioniert, aber immer noch verweist er stolz darauf, dass im vergangenen Jahr 85 % der Schüler „seiner“ Schule das Abitur bestanden haben – ein für südafrikanische Schulen ganz akzeptabler Wert.
Anfang des Jahres aber hat die Schulbehörde beschlossen, die Gqebera High School dicht zu machen – die Schülerzahlen waren immer weiter zurück gegangen, jetzt gab es hier nur noch 120 Schülerinnen und Schüler. Eine drei Kilometer entfernte Schule nahm sie auf, im Juli wurden die Tore der Gqebera High School abgeschlossen, das Gebäude stand leer.
Eine Einladung für Plünderer. „Zunächst kamen sie nur nachts, dann aber mitten am Tag“, erzählt ein Anwohner der „Sunday Times“. Eigentlich wollte die Schulbehörde das Gebäude an das Arbeitsministerium übergeben, aber Behördenmühlen mahlen langsam, und die Diebe waren schneller. Als erstes verschwanden die Türen, dann die Fenster, danach dann die Backsteine: Mit Kabeln und Türrahmen, so berichten zwei junge Männer dem „Port Elizabeth Herald“, hätten sie 5.000 Rand erwirtschaftet (viele Südafrikanischer verdienen im Monat weniger); ein Backstein brachte einen Rand ein.
Innerhalb von drei Wochen stand von der Gqebera High School nur noch ein Gerippe. Die Bilder der Schule datieren vom September (oben) und Oktober (unten).