Winnie Madizikela-Mandela ist auch nach ihrem Tod Anfang
April 2018 eine hoch umstrittene Person. Die einen verehren sie als „Mutter der
Nation“ und würdigen damit ihr Leben als Frau Nelson Mandelas und, mehr noch, ihren
eigenen Widerstand gegen das Apartheidregime, das sie verhaftet, gebannt und
auf vielfältige Weise drangsaliert hatte. Vor allem jüngere Leute berufen sich
auf ihre radikaleren Positionen und bringen sie damit auch gegen ihren früheren
Mann in Stellung. Andere - Menschen, die sich noch an die achtziger und
neunziger Jahre erinnern - verweisen darauf, dass aus der unbeugsamen Frau
Nelson Mandelas eine herrschsüchtige Person geworden war, die zuließ und
förderte, dass ihr treu ergebene Jugendliche (der sogenannte Mandela United Football Club) Furcht
verbreitete, Menschen misshandelte und tötete. Dafür stand sie Anfang der
neunziger Jahre vor Gericht, dafür sollte sie 1997 der Wahrheits- und
Versöhnungskommission Rede und Antwort stehen.
Kluge Beobachter haben damals schon sehr genau
nachgezeichnet, wie sich die Persönlichkeit der einst bewunderten Kämpferin
gegen die Apartheid verändert hatte. Der südafrikanische Journalist Benjamin Pogrund, ein Freund der Familie,
hat schon früh beobachtet, was die erzwungene Isolierung in Brandfort bewirkt
hatte: “The pressures and isolation began to affect Winnie: It was upsetting to
see it happening, and to hear her say, ‘What am I going to do with this old man
when he comes out of jail? I’m the leader, not him.‘”
David Ottaway, Korrespondent der „Washington Post“, hat in
seinem bereits 1993 erschienenen Buch „Chained Together“ herausgearbeitet,
welche fatale Folgen die Persönlichkeitsveränderung Winnie Mandelas hatte. Damalige
Weggefährten, die mit dem Mandela Crisis
Committee versuchten, die selbstherrlich agierende Gattin des noch
inhaftierten ANC-Führers zur Raison zu bringen, urteilten zu der Zeit ebenfalls
sehr kritisch. Zu ihnen gehörte auch der heutige Präsident Cyril Ramaphosa.
2018 sorgte dann Winnie Mandelas eigene Sicht auf diese Zeit
für lebhafte Diskussionen. Ein Dokumentarfilm von Pascale Lamche, zum
Internationalen Frauentag in der ARD und kurz nach Winnie Mandelas Tod auch im
südafrikanischen Fernsehen ausgestrahlt, vermittelte den durch zwei
Zeugenaussagen von Apartheidagenten gestützten Eindruck, dass es eine
Schmutzkampagne des Apartheidregimes gegen sie gegeben habe.
Im Herbst 2018 erschien dann eine langjährige Recherche des
früheren britischen Afrikakorrespondenten Fred Bridgland („Truth, Lies and Alibis.
A Winnie Mandela Story“), der umgekehrt die These vertritt, dass das
Berufungsverfahren gegen das erstinstanzliche Urteil gegen sie so milde
ausgegangen sei, weil das Regime den Verhandlungsprozess mit Nelson Mandela
nicht gefährden wollte.
Bridgland hat dieses Buch geschrieben, um die Geschichte der
„kleinen Leute“ um Winnie Mandela zu erzählen – derjenigen, die Opfer waren und
unter Druck gesetzt wurden. Soweit sie noch leben, hat er sie erneut befragt,
er hat mit den Angehörigen gesprochen und „verschwundene“ oder nicht beachtete
Dokumente ausgegraben. Gegen Winnie Madizikela-Mandela werden in dem Buch
schwere Vorwürfe erhoben. Bridgland legt aber Wert darauf, dass nicht er selbst
verurteilt, sondern die befragten Personen (auch wenn seine Meinung hinreichend
deutlich wird).
Am Rande berichtet er aber auch von fragwürdigen Handlungen
der „Großen“: dass der sambische Präsident Kenneth Kaunda auf Wunsch Nelson
Mandelas einen Zeugen festgehalten habe und dass Mandela den „Defence and Aid
Fund“ in London, der über Jahrzehnte für die hohen Anwaltskosten des ANC
aufgekommen war, gedrängt habe, auch die für Winnie Mandela in dieser
kriminellen Angelegenheit zu übernehmen.
Bridglands Rekonstruktion beleuchtet eine Facette von Winnie
Mandelas Leben im Endstadium der Apartheid. Darüber wird gestritten werden,
daran kann aber auch niemand vorbeikommen. Auch als Helden und Heldinnen
gefeierte Protagonisten gehen aus einem Befreiungskampf nur sehr, sehr selten
unversehrt hervor.
Das nächste Buch über Winnie Mandela wird in diesen Tagen
ausgeliefert: Geschrieben hat es Sisonke Msimang, und der Titel verspricht wiederum
eine ganz andere Perspektive: „The Resurrection of Winnie Mandela“.
Renate Wilke-Launer