Dienstag, 18. Dezember 2018

Winnie Mandela - Facetten der Wahrheit


Winnie Madizikela-Mandela ist auch nach ihrem Tod Anfang April 2018 eine hoch umstrittene Person. Die einen verehren sie als „Mutter der Nation“ und würdigen damit ihr Leben als Frau Nelson Mandelas und, mehr noch, ihren eigenen Widerstand gegen das Apartheidregime, das sie verhaftet, gebannt und auf vielfältige Weise drangsaliert hatte. Vor allem jüngere Leute berufen sich auf ihre radikaleren Positionen und bringen sie damit auch gegen ihren früheren Mann in Stellung. Andere - Menschen, die sich noch an die achtziger und neunziger Jahre erinnern - verweisen darauf, dass aus der unbeugsamen Frau Nelson Mandelas eine herrschsüchtige Person geworden war, die zuließ und förderte, dass ihr treu ergebene Jugendliche (der sogenannte Mandela United Football Club) Furcht verbreitete, Menschen misshandelte und tötete. Dafür stand sie Anfang der neunziger Jahre vor Gericht, dafür sollte sie 1997 der Wahrheits- und Versöhnungskommission Rede und Antwort stehen.
Kluge Beobachter haben damals schon sehr genau nachgezeichnet, wie sich die Persönlichkeit der einst bewunderten Kämpferin gegen die Apartheid verändert hatte. Der südafrikanische Journalist Benjamin Pogrund, ein Freund der Familie, hat schon früh beobachtet, was die erzwungene Isolierung in Brandfort bewirkt hatte: “The pressures and isolation began to affect Winnie: It was upsetting to see it happening, and to hear her say, ‘What am I going to do with this old man when he comes out of jail? I’m the leader, not him.‘”  
David Ottaway, Korrespondent der „Washington Post“, hat in seinem bereits 1993 erschienenen Buch „Chained Together“ herausgearbeitet, welche fatale Folgen die Persönlichkeitsveränderung Winnie Mandelas hatte. Damalige Weggefährten, die mit dem Mandela Crisis Committee versuchten, die selbstherrlich agierende Gattin des noch inhaftierten ANC-Führers zur Raison zu bringen, urteilten zu der Zeit ebenfalls sehr kritisch. Zu ihnen gehörte auch der heutige Präsident Cyril Ramaphosa.
2018 sorgte dann Winnie Mandelas eigene Sicht auf diese Zeit für lebhafte Diskussionen. Ein Dokumentarfilm von Pascale Lamche, zum Internationalen Frauentag in der ARD und kurz nach Winnie Mandelas Tod auch im südafrikanischen Fernsehen ausgestrahlt, vermittelte den durch zwei Zeugenaussagen von Apartheidagenten gestützten Eindruck, dass es eine Schmutzkampagne des Apartheidregimes gegen sie gegeben habe. 
Im Herbst 2018 erschien dann eine langjährige Recherche des früheren britischen Afrikakorrespondenten Fred Bridgland („Truth, Lies and Alibis. A Winnie Mandela Story“), der umgekehrt die These vertritt, dass das Berufungsverfahren gegen das erstinstanzliche Urteil gegen sie so milde ausgegangen sei, weil das Regime den Verhandlungsprozess mit Nelson Mandela nicht gefährden wollte.    
Bridgland hat dieses Buch geschrieben, um die Geschichte der „kleinen Leute“ um Winnie Mandela zu erzählen – derjenigen, die Opfer waren und unter Druck gesetzt wurden. Soweit sie noch leben, hat er sie erneut befragt, er hat mit den Angehörigen gesprochen und „verschwundene“ oder nicht beachtete Dokumente ausgegraben. Gegen Winnie Madizikela-Mandela werden in dem Buch schwere Vorwürfe erhoben. Bridgland legt aber Wert darauf, dass nicht er selbst verurteilt, sondern die befragten Personen (auch wenn seine Meinung hinreichend deutlich wird).  
Am Rande berichtet er aber auch von fragwürdigen Handlungen der „Großen“: dass der sambische Präsident Kenneth Kaunda auf Wunsch Nelson Mandelas einen Zeugen festgehalten habe und dass Mandela den „Defence and Aid Fund“ in London, der über Jahrzehnte für die hohen Anwaltskosten des ANC aufgekommen war, gedrängt habe, auch die für Winnie Mandela in dieser kriminellen Angelegenheit zu übernehmen.
Bridglands Rekonstruktion beleuchtet eine Facette von Winnie Mandelas Leben im Endstadium der Apartheid. Darüber wird gestritten werden, daran kann aber auch niemand vorbeikommen. Auch als Helden und Heldinnen gefeierte Protagonisten gehen aus einem Befreiungskampf nur sehr, sehr selten unversehrt hervor.
Das nächste Buch über Winnie Mandela wird in diesen Tagen ausgeliefert: Geschrieben hat es Sisonke Msimang, und der Titel verspricht wiederum eine ganz andere Perspektive: „The Resurrection of Winnie Mandela“. 
Renate Wilke-Launer

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