Er ist einer der bekanntesten Juristen Südafrikas: Jeremy Gauntlett. Es gebe drei Typen von Anwälten, schreibt eine junge Jurastudentin aus Stellenbosch in ihrem Blog: gute Anwälte, für die komplizierteren Fälle großartige Anwälte - und für Fälle, wo alles verloren scheint, solche wie Jeremy Gauntlett.
Gauntlett macht in Südafrika Schlagzeilen: Zum vierten Mal ist er bei der Berufung profilierter Juristen auf hohe Richterstellen übergangen worden. „Soll das bedeuten, dass unser Land keinen Platz für Landeskinder hat, die weiß, klug und nicht zu Kompromissen bereit sind, wenn es um Prinzipien, Effizienz, Werte und Qualität geht?“, fragt in einem Kommentar der justizpolitische Sprecher der Inkatha Freedom Party im Parlament, Mario Oriani-Ambrosini, und sieht „Symptome einer nationalen Tragödie“.
Hohe Richter werden in Südafrika von der unabhängigen Judicial Service Commission (JSC) vorgeschlagen, die Kandidaten öffentlich anhört; offiziell ernannt werden sie dann vom Präsidenten. Bei der Suche nach Richtern für das Verfassungsgericht war Gauntlett zweimal übergangen worden, und in diesem Herbst blieb er ebenfalls zum zweiten Mal für einen Richterposten beim Western Cape High Court unberücksichtigt.
Begründet wurde dies nach Aussagen von Richtern unter Hinweis auf Hautfarbe und Temperament: Die Dominanz weißer Männer unter den Richtern dürfe sich nicht fortsetzen; auch war einigen JSC-Mitgliedern der Sarkasmus von Gauntlett nicht richterlich genug. Juristen haben daraufhin nachgezählt: Von 29 ständigen Richtern in der Kap-Provinz sind heute nur noch neun weiß und männlich; eine Berufung Gauntletts hätte an diesem Verhältnis also nur wenig verändert.
Ende September lieferte der Jurist einen weiteren Beleg für seine spitze Feder. Einen Monat zuvor hatten die Staatschefs des südlichen Afrika, die in der Southern African Development Community (SADC) zusammenarbeiten, auf einer Sitzung in Mosambik beschlossen, das SADC-Tribunal in Windhuk, den Gerichtshof für das südliche Afrika, entscheidend zu beschneiden: In Menschenrechtsfragen sollte das Tribunal nicht mehr urteilen dürfen; das individuelle Klagerecht für jede Bürgerin und jeden Bürger in dieser Sache wurde abgeschafft. Gauntlett fragte in einem Vortrag provokativ: „Why was Southern Africa’s ‘House of Justice’ pulled down?“ und rief die internationale Gemeinschaft zum Widerstand auf: “Das Tribunal wird überwiegend von Hilfsgeldern unterstützt, vor allem von Staaten der EU. Es gibt keinen Grund, damit fortzufahren (…). Ich schlage vor, dass diese Konferenz fordert, jede Finanzhilfe für das Tribunal und andere SADC-Organe einzustellen, bis individuelle Klagen wieder möglich sind.“
Das SADC-Tribunal kennt Gauntlett gut: Er war einer der Anwälte von Michael Campbell, dem Farmer aus Simbabwe, der Präsident Mugabe vor dem Tribunal verklagte – und gewann (vgl. unsere Blog-Einträge vom 1. August 2010 und 21. April 2011).
Mangosuthu Buthelezi, der langjährige Vorsitzende der Zulu-Partei Inkatha Freedom Party (IFP), kennt Gauntlett seit 40 Jahren. In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, mitten in der Apartheid-Ära, war Gauntlett Vorsitzender des Studentenrates der Universität Stellenbosch und hatte Buthelezi eingeladen, vor den Studenten dieser burischen Kaderschmiede zu sprechen. Premierminister John Vorster, damals auch Kanzler der Buren-Universität, intervenierte persönlich: Man möge Buthelezi diese prestigeträchtige Plattform nicht geben. Gauntlett aber sagte den Auftritt nicht ab. „Solch Charakter und Unabhängigkeit brauchen wir für einen Richter“, meint Oriani-Ambrosini.
Anfang nächsten Jahres wird wieder ein Richterposten frei in Südafrika: im Constitutional Court, dem Verfassungsgericht. Ende November war die letzte Anhörung der JSC dafür. IFP-Präsident Mangosuthu Buthelezi hat Jeremy Gauntlett für den Posten nominiert. Unterstützt wird die Nominierung von einem bekannten Menschenrechtsanwalt, Sir Sidney Kentridge, und der früheren Anti-Apartheid-Kämpferin und heutigen Geschäftsfrau Mamphele Ramphele.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen