Freitag, 14. Dezember 2012

Die Mayonnaise von Mangaung

In der kommenden Woche werden die ANC-Delegierten aus ganz Südafrika in Mangaung ihren nächsten Parteivorsitzenden und damit auch den nächsten Präsidenten Südafrikas wählen. Die gesamte Nation schaut nach den monatelangen Machtkämpfen auf Mangaung – nur einer weiß bereits, was herauskommen wird: Dem „Daily Maverick“, einem lesenswerten Online-Dienst, wurde jetzt ein anonymer Bericht zugespielt, der dank einer geheimnisvollen Zeitfenster-Verschiebung enthüllt, was wirklich in Mangaung geschah. Weltweit wird man vom „Große Mayonnaisen-Moment“ des ANC sprechen.
Eine hinreißende Satire von J. Brooks Spector - auch wenn man nicht alle Anspielungen verstehen mag, wird es eine hoffentlich sehr vergnügliche Lektüre!

Die Mangaung-Konferenz begann selbstbewusst und optimistisch – das Wetter war herrlich, die Sonne schien, und es war wunderbar warm. Wir ahnten ja nicht, was uns erwarten sollte, als wir uns zu Tausenden versammelten, angereist aus den entferntesten Ecken Südafrikas und gekleidet mit unseren farbenprächtigen T-Shirts, Baseballmützen und Makarapas. Es war ein wunderbares Gefühl, als wir uns zum Auftakt am 16. Dezember zu dem erstaunlichen Konzert versammelten, wo die ganzen alten und neuen Musik-Stars unsere Lieblingslieder spielten. Klar, das Konzert begann verspätet, aber es ging bis tief in die Nacht und war für alle ein großes Vergnügen.
Dann, am nächsten Tag, ging es mit unseren Beratungen richtig los. Im Plenum gab es wieder den gewohnten Streit darüber, wo die Delegierten der aufmüpfigeren Provinzen sitzen sollten. Und dann die hitzigen Debatten in den Kommissionssitzungen über Nationalisierung, breit angelegte wirtschaftliche Reformen, über nationale Gesundheitspolitik und Bildungsreform. Das wurden wirklich interessante Sitzungen - und wir hatten noch gar nicht begonnen, den Parteivorsitzenden, seinen Stellvertreter und den Generalsekretär, die Mitglieder des Exekutivkomitees und so weiter zu wählen, um unsere Partei zu führen! Dort konnten wir nämlich diskutieren, wie es mit der nationalen Krankenversicherung weitergehen sollte, wie wir die Regie über die strategischen Bodenschätze unseres Landes von den Kapitalisten übernehmen und schließlich über das wirtschaftliche Schicksal unseres Landes entscheiden könnten, das mit angehaltenem Atem auf die Berührung mit unserem Zauberstab wartete. Das waren auch schwierige Sitzungen, aber es machte uns stolz, Teil einer Partei zu sein, die diese Dinge ernsthaft und offen diskutierte.
Aber plötzlich, aus heiterem Himmel, änderte sich alles. Viele Delegierte erfreuten sich am 17. gemeinsam mit der Parteispitze an einem lauten, freundschaftlichen Mittagessen. Die Speisen waren rustikal und reichlich – richtige Gerichte aus dem Volk. Es gab größere Mengen Rindfleisch-Curry, gebratene Hähnchen, Maisbrei, Polenta, Reis, Spinat, grüne Bohnen, Rote Beete und Kartoffelsalat – und jede Menge Cremespeisen als Nachtisch.
Das Problem war vielleicht, dass es an jenem Tag richtig heiß war, die Sonne knallte – und als wir zum Essen kamen, hatte das Buffet für uns hungrige Genossen schon mehr als eine Stunde bereit gestanden.
Einige von uns wollten den Lieferanten für das Essen danken, da sie schon lange nicht mehr ein so gutes Picknick verzehrt hätten, und deshalb fragten wir, wer den Auftrag für dieses großartige Essen bekommen hatte.
Es stellte sich heraus, dass alles von Bewohnern von Mangaung selbst gekocht woden war – eine richtige Graswurzel-Anstrengung der Gemeinde, direkt aus den Townships. Nur einige Zutaten waren von größeren Firmen geliefert worden. Die On Point Food Support Service Pty Ltd zum Beispiel (ein Catering-Zweig des Ratanang Trusts) hatte die ganze Mayonnaise, die Saucen und Gewürze für alle Essen in einem kleinen Industriegebiet vor den Toren von Polokwane produziert und das alles dann zu den Township-Gruppen gebracht. Niemand hat später herausgefunden, ob es an qualitativ schlechten oder verdorbenen Zutaten lag oder an falscher Lagerung und fehlender Kühlung oder an einer Kombination aus all diesen Dingen – nicht zu vergessen der brennenden Hitze. Die Ärzte haben uns später jedenfalls gesagt, dass alles zusammen perfekte Bedingungen für eine Explosion von Salmonellen-Bakterien geschaffen hatte.
Vielleicht haben die Ärzte recht und einer hat da ein wenig geschummelt, vielleicht stand das Essen aber auch nur ein wenig zu lange in der sengenden Sonne – aber ab zwei Uhr nachmittags verließen immer mehr Delegierte die Sitzungen und wankten zum Ärztezelt, das in der Nähe aufgebaut worden war. Schon bald waren die Mediziner dem Ansturm nicht mehr gewachsen und forderten Verstärkung an. Und das ausgerechnet an einem Urlaubs-Wochenende, die Krankenhäuser hatten nur eine Notbesatzung – und viele Ärzte und Schwestern waren schon in den Ferien, auf dem Weg an die Strände von Durban, George, Knysna und Kapstadt oder sogar ins Ausland für den lang ersehnten Urlaub. Selbst die Streitkräfte hatten nicht genügend medizinische Teams. Wirklich viele Menschen waren ziemlich krank.
Wir haben später erfahren, dass es eine Salmonellen-Vergiftung war und wir Glück hatten, dass niemand daran gestorben ist, obwohl Tausende sich akut unwohl fühlten und ziemliche Schmerzen hatten. Ihr könnt euch vorstellen, wie das war. Unsere Sitzungen versanken im Chaos, als immer mehr gesundheitlich angeschlagene Vorsitzende die Treffen ohne großes Federlesen vertagten. Abends begannen die Fernsehnachrichten mit nichts Gutes verheißenden Bildern, wie sich Tausende Delegierte vor den Medizin-Zelten und auf dem Rasen übergaben. Es war furchtbar und sah aus wie in einem Hollywood-Film wie „Vom Winde verweht“, sagten einige. Die gesamte Führungsspitze schien lahmgelegt.
Zufällig waren drei von ihnen – Gesundheitsminister Aaron Motsoaledi, Planungsminister Trevor Manuel und Finanzminister Pravin Gordhan – vor dem Mittagessen zu einem gemeinsamen Strategietreffen verschwunden. Sie wollten darüber sprechen, wie sich die Pläne zur Wiederbelebung der Krankenhäuser und die nationale Krankenversicherung auf den Staatshaushalt auswirken – eines der Themen, das auch in den Vorbereitungstreffen von Mangaung hitzig debattiert worden war. Auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen für ein schnelles Mittagessen waren die drei Männer im Wagen des Gesundheitsministers weggefahren. Der Fahrer hat später mehreren von uns erzählt, dass einer der drei ein KFC (Kentucky Fried Chicken) oder Nandos (eine Schnellimbisskette) vorgeschlagen hatte, aber Trevor Manuel wollte zu dem nächsten Shaaba Fish-and-Chips-Laden – das sei für Pravin Gordhan die kostengünstigste Wahl.
Gleichzeitig hatte auch Jeremy Cronin von der Kommunistischen Partei Südafrikas das Treffen verlassen, um einige Gedichte über seine inbrünstige Hoffnung auf eine klassenlose Zukunft zu schreiben, in der das Lumpenproletariat endlich frei sein würde. Und Zwelinzima Vavi vom Gewerkschaftsdachverband COSATU hatte eine persönliche Lunch-Einladung von einigen ANC-Großkopfeten ausgeschlagen, die Unstimmigkeiten mit ihm ausbügeln wollten. Stattdessen verzehrte er ein Lunchpaket, das er an dem Morgen mitgebracht hatte, um symbolisch gegen die kulinarischen Exzesse und die Tatsache zu protestieren, das die ANC-Führer all die Köstlichkeiten genießen konnten, ohne je zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Als die fünf Männer wieder zum Sitzungsort zurückkehrten, war durch die plötzliche Epidemie alles außer Kontrolle geraten; keiner der anderen Parteiführer konnte nach vorn zum Podium kommen. Bei Beginn der Spätnachmittags-Sitzungen waren nur eine Handvoll Delegierter und Vavi, Cronin, Manuel, Gordhan und Motsoaledi dazu in der Lage.
Verzweifelt beschloss diese Ad-hoc-Gruppe, dass diese fünf ein Interim-Komitee bilden sollten. Sie sollten die Parteigeschäfte solange führen, bis die Tagesordnung der Parteikonferenz abgearbeitet und die neue Parteiführung gewählt worden wäre.
Als Parteimitglieder im ganzen Land hörten, was geschehen war, wurde dieses Interim-Komitee witzigerweise DAS Twitter-Ereignis schlechthin, und die Zustimmung der Öffentlichkeit zu dieser Zwischenlösung wurde schlagartig klar. Sogar der Präsident und der Stellvertreter des ANC und damit des Landes fühlten sich verpflichtet, dieses zweite Ad-hoc-Machtzentrum zu akzeptieren. Die überwältigende Unterstützung der Gruppe durch die gesamte Nation konnte man schlecht abstreiten, und bei der steigenden Zustimmung schien sie in der Lage, die Partei bei den Wahlen in weniger als zwei Jahren zu einem triumphalen Sieg zu führen.
Als die „Gruppe der Fünf“ die Partei erst einmal führte, war es für sie logisch, auch in der nationalen Regierung Verantwortung zu übernehmen. Als sich die Delegierten zum zweiten Mal zu dem Parteitag versammelten, bestimmten sie Mitglieder des Fünfer-Gremiums zum Parteipräsidenten, Stellvertreter und Generalsekretär, und die anderen beiden – Zwelinzima Vavi und Jeremy Cronin – erhielten die anderen hohen Parteiposten.
Damit – so erklärten uns Juristen später – war alles mit den Vorschriften der Südafrikanischen Verfassung, Kapitel 5, Abschnitte 88, 89 und 90 vereinbar. Das Ganze erinnerte uns ein wenig daran, wie Kgalema Motlanthe für eine kurze Zeit unser Präsident wurde, als er Thabo Mbeki ersetzte, der in Polokwane bei der Partei in Ungnade gefallen war.
Dieses Mal jedoch nahm der Parteitag die unvermeidlichen Rücktritte von Jacob Zuma und Kgalema Motlanthe als Präsident und Stellvertretender Präsident an. Jacob Zuma ging nach Nkandla zurück und führte dort das ruhige Leben eines Oberhaupts einer weit verzweigten Familie und Viehzüchters, während Kgalema Motlanthe sich ehrenamtlich für die Wiederbelebung der politischen und moralischen Weiterbildung in der Partei engagierte – eine Aufgabe, der er sich nach seinem Rückzug aus der Politik immer widmen wollte, wie er uns sagte. Und er wurde Trainer des örtlichen Fußball-Teams.
Wie es Abschnitt 90 vorschreibt, bestimmten dann die verbleibenden Kabinettsmitglieder Dr. Motsoaledi zum neuen Präsidenten Südafrikas und Trevor Manuel zu seinem Stellvertreter. Pravin Gordham blieb weiter Finanzminister und Planungsminister, um in unsere Wirtschaftspolitik endlich einmal Zug reinzubringen. Wir steckten in einer Sackgasse, wir alle wussten es, und es war klar, dass etwas Außergewöhnliches geschehen musste.
Selbst die ehemals störenden Kirchenmänner, Geschäftsleute und die wichtigste Oppositionspartei deuteten ihre anfängliche, wenngleich skeptische Unterstützung für die sich anbahnende Wende an. Als die Wahlen näher kamen, führte der öffentliche Druck unter dieser unwahrscheinlichen und überraschenden Fünfer-Gruppe und dem neuen Präsidenten und seinem Stellvertreter dazu, dass eine zweite Regierung der nationalen Einheit gebildet wurde – und das geschah gerade noch rechtzeitig. Die weiter anhaltende Notlage im Erziehungswesen - eingeschlossen Schulbücher, die unerklärlicherweise in Albanien und Mazedonien gedruckt und in Limpopo verteilt wurden -, eine Serie neuer Polizeiskandale und der kontinuierliche Verfall unserer Währung im Vergleich zu vielen anderen machte deutlich, dass unsere Regierung energische Maßnahmen ergreifen musste. Die Führer unseres Landes waren gezwungen, die Probleme gemeinsam mit neuem Elan und Kraft anzugehen. Selbst die Freedom Front+ ließ ihre Klagen gegen die Sprachenpolitik vor Gericht fallen, und die Leute in Orania boten an, ihre Stadt als Zeichen für ihre unerwartete Unterstützung der Regierung der nationalen Einheit in Hani-ville umzubenennen.
Und was machte Julius Malema? Obwohl er in das große Zelt von Mangaung nicht eingeladen worden war, weil er ja nicht länger Mitglied dieser Partei oder der Jugendliga war, gelang es ihm als zentrale Figur eines der Lieferfirmen und wegen seines finanziellen Engagements bei der On Point Food Products Company, die die Mayonnaise, den Senf und die Peri-Peri-Sauce für das Mittagessen geliefert hatte, sich unter die Delegierten zu mischen und bei diesem schicksalhaften Mittagessen stöhnend dabei zu sein. Er hatte allerdings – wie wir heute wissen – eine ausgeprägte Allergie gegen Eier und alle Ei-Produkte wie Mayonnaise – und wir haben nie wieder etwas von ihm gehört. Startschuss für den Regenbogen.
Ende!

Quelle: Daily Maverick, 13. Dezember 2012

1 Kommentar:

  1. Daran kann man sehen, dass sich selbst Politiker das Essen liefern lassen. Die haben wohl auch nicht immer Zeit zu kochen :D

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