Donnerstag, 14. Januar 2016

Gannaga Lodge, Karoo



60 Kilometer nach Ende der Teerstraße waren wir wie geplant rechts abgebogen. Dann, nach weiteren Kilometern auf der Staubpiste, lag rechts der Tankwa Padstal – „hier kann man gut für eine Erfrischung anhalten“, lautete Ninas Reiseempfehlung. Ausgestiegen aus dem klimatisierten Wagen, knallte einem die Hitze gegen den Kopf. „Richtig warm ist das noch nicht“, knurrte der Mann auf der Veranda. „Vergangenen Montag hatten wir hier 47 Grad.“ Gefühlt waren es jetzt nicht viel weniger.
„Sie wollen zur Gannaga Lodge?“, fragte Susan hinter der Theke. „Dann grüßen Sie Johann!“ Susan war vor sechs Jahren hier zu ihrem Mann Hein in die Karoo gekommen. Wenn man hier lebt, dann kennt man sich. Susans kleiner Padstal bietet alles, was man braucht – der nächste Laden ist mehr als 80 Kilometer entfernt. „Merken Sie hier auch die Dürre?“, fragen wir. Viele südafrikanische Farmer klagen bitterlich, manche stehen vor dem Ruin, und selbst in Kapstadt gibt es Wasserrationierungen. „Oh ja“, sagt Susan, „einer unserer Brunnen, der immer Wasser hat, pumpt jetzt nur noch heiße Luft.“
Schnell wieder ins Auto, zur Klimaanlage. Im Tankwa Karoo National Park wird die Piste rauer, an manchen Stellen zwingt die gewellte Fahrbahn zum Schritttempo. Von den Tieren ist nicht viel zu sehen; nur einmal springt eine Antilope in der Nachmittagshitze über die Straße. Dann geht es in schmalen Serpentinen den Gannaga Pass hoch (in der Khoi-Sprache heißt Gannaga „Ort der Krähen“), und endlich sehen wir ein Schild: „Gannaga Lodge“.
1275 Meter hoch liegt das alte Farmgebäude am Rand des Nationalparks – heute eine Lodge mit elf Zimmern, die ihren Gästen erstaunlich viel Komfort bietet. Von Hochsaison ist hier allerdings nicht mehr viel zu spüren: Wir sind die einzigen Besucher. „Bei der Hitze ist es hier jetzt ziemlich ruhig“, erklärt der junge Mann mit der großstädtischen Frisur und dem (Spitz-?)Namen JJ hinter der Rezeption. Zur Blumenblüte im August, in dem kargen Gebiet jetzt kaum vorstellbar, kämen viele Gäste, und im Winter liege hier sogar manchmal Schnee.
Im heißen Januar lockt eher der kleine Pool. Die Bar ist gut sortiert und wird von JJ aufmerksam geführt – „der einzige Ort im Tankwa Karoo National Park, an dem man ein kühles Bier kaufen kann“, sagt der Reiseführer. An den Wänden hängt viel Kunst und manch alter Farm-Gegenstand, der dadurch zur Kunst wird, und die Zimmer in den alten Gebäuden sind groß und geschmackvoll. Am Abend stellen wir außerdem fest: Die Karoo-Küche in der Gannaga Lodge ist exzellent. Auf der Speisekarte steht – natürlich – Lamm. Warum es so gut schmeckt, erklärt Johann so: In Ländern, in denen es mehr Schafe als Menschen gibt, schmecke das Lamm, aber wo die Menschen in der Überzahl sind, da schmecke das Lamm wie Pappe.
Das Gelände ist seit mehr als 100 Jahren im Privatbesitz. „Ich bin die vierte Generation hier“, sagt Johann stolz, „auf der Farm bin ich aufgewachsen.“ Er erinnert sich lebhaft an seine burische Großmutter. Engländern habe sie nie über den Weg getraut: Ein Volk, das im Kampf Mann gegen Mann nicht gewinnt und sich dann gegen Frauen und Kinder wende, habe sie verachtet. Erneut ein Hinweis, wie tiefe Spuren der Anglo-Burische Krieg hinterlassen hat.
Sein Geld hat Johann in Johannesburg als Edelstein-Designer gemacht, aber jetzt, als Rentner, hat es ihn in die alte Heimat zurückgezogen. Und da Landwirtschaft nichts für ihn sei, habe er die alten Gebäude zur Lodge umgebaut. Obwohl man sie auch im Internet finden kann, sei Mund-zu-Mund-Propaganda die beste Werbung, sagt Johann. Wenige Gäste finde er auch gar nicht schlimm, meint er augenzwinkernd, schließlich wolle er ja gar nicht mehr so viel arbeiten – aber nächste Woche sei er an drei Tagen schon wieder ausgebucht.
Für Wanderungen und Fahrradtouren sei jetzt die Zeit vor dem Frühstück die beste, rät ein Ehepaar, das auch auf dem Gelände wohnt und vor der langen Fahrt nach Kapstadt die Lodge noch für ein kräftiges Morgenmahl besucht. Mittags zeigt das Thermometer draußen 35 Grad – da läuft in der Bar dann doch die Klimaanlage. Nur die sparsamen Schotten, hat Johann herausgefunden, fänden das übertrieben. 
Die Dürre spürt auch die Lodge. Aus dem 75 Meter tiefen Brunnen wird normalerweise drei, vier Stunden lang Wasser hochgepumpt, aber jetzt kann die Pumpe morgens und abends nur jeweils eine Stunde angestellt werden. Von der Regierung halten und erwarten sie alle hier oben nichts. Sie würde zweimal im Jahr die Steine auf der Straße zurechtschütteln (grading), das sei schon alles.  
Für die Tageszeiten, die man lieber im Schatten und möglichst ohne Bewegung verbringt, gibt es in der Lodge Bücher genug, auch die Bände der Encyclopedia Britannica sind dabei. „Kennt Ihr Eland-Antilopen?“, fragt uns mittags JJ, und wir blicken aus unseren Büchern hoch zum Fenster: Da schreitet tatsächlich eine kleine Herde dieser Antilopen auf die Lodge zu. „Manchmal trinken sie aus dem kleinen Pool“, sagt JJ. Heute drehen die Tiere jedoch wieder ab. Auch zwei kleinere Böcke, die noch näher an die Lodge gekommen sind, haben offenbar noch andere Wasserstellen als den Pool. Für Johann sind sie alte Bekannte: „Das sind eigentlich drei Tiere – die zwei jungen Weibchen sieht man immer, das Männchen ist immer in der Nähe, aber meist unsichtbar.“
Die Stille, das Fehlen jeder Ablenkung, die Möglichkeit, abzuschalten und zu sich zu kommen – so wird die Karoo beworben. Hinzuzufügen wäre noch, dass die Sterne über der Gannaga Lodge besonders leuchtend funkeln.
http://gannagalodge.blogspot.co.za/

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