60 Kilometer nach Ende der Teerstraße waren wir wie geplant
rechts abgebogen. Dann, nach weiteren Kilometern auf der Staubpiste, lag rechts
der Tankwa Padstal – „hier kann man gut für eine Erfrischung anhalten“, lautete
Ninas Reiseempfehlung. Ausgestiegen aus dem klimatisierten Wagen, knallte einem
die Hitze gegen den Kopf. „Richtig warm ist das noch nicht“, knurrte der Mann
auf der Veranda. „Vergangenen Montag hatten wir hier 47 Grad.“ Gefühlt waren es
jetzt nicht viel weniger.
„Sie wollen zur Gannaga Lodge?“, fragte Susan hinter der
Theke. „Dann grüßen Sie Johann!“ Susan war vor sechs Jahren hier zu ihrem Mann Hein
in die Karoo gekommen. Wenn man hier lebt, dann kennt man sich. Susans kleiner
Padstal bietet alles, was man braucht – der nächste Laden ist mehr als 80
Kilometer entfernt. „Merken Sie hier auch die Dürre?“, fragen wir. Viele
südafrikanische Farmer klagen bitterlich, manche stehen vor dem Ruin, und selbst
in Kapstadt gibt es Wasserrationierungen. „Oh ja“, sagt Susan, „einer unserer
Brunnen, der immer Wasser hat, pumpt jetzt nur noch heiße Luft.“
Schnell wieder ins Auto, zur Klimaanlage. Im Tankwa Karoo
National Park wird die Piste rauer, an manchen Stellen zwingt die gewellte
Fahrbahn zum Schritttempo. Von den Tieren ist nicht viel zu sehen; nur einmal
springt eine Antilope in der Nachmittagshitze über die Straße. Dann geht es in
schmalen Serpentinen den Gannaga Pass hoch (in der Khoi-Sprache heißt Gannaga
„Ort der Krähen“), und endlich sehen wir ein Schild: „Gannaga Lodge“.
1275 Meter hoch liegt das alte Farmgebäude am Rand des
Nationalparks – heute eine Lodge mit elf Zimmern, die ihren Gästen erstaunlich
viel Komfort bietet. Von Hochsaison ist hier allerdings nicht mehr viel zu
spüren: Wir sind die einzigen Besucher. „Bei der Hitze ist es hier jetzt ziemlich
ruhig“, erklärt der junge Mann mit der großstädtischen Frisur und dem
(Spitz-?)Namen JJ hinter der Rezeption. Zur Blumenblüte im August, in dem kargen Gebiet jetzt kaum
vorstellbar, kämen viele Gäste, und im Winter liege hier sogar manchmal Schnee.
Im heißen Januar lockt eher der kleine Pool. Die Bar ist gut sortiert
und wird von JJ aufmerksam geführt – „der einzige Ort im Tankwa Karoo National
Park, an dem man ein kühles Bier kaufen kann“, sagt der Reiseführer. An den
Wänden hängt viel Kunst und manch alter Farm-Gegenstand, der dadurch zur Kunst
wird, und die Zimmer in den alten Gebäuden sind groß und geschmackvoll. Am
Abend stellen wir außerdem fest: Die Karoo-Küche in der Gannaga Lodge ist
exzellent. Auf der Speisekarte steht – natürlich – Lamm. Warum es so gut schmeckt,
erklärt Johann so: In Ländern, in denen es mehr Schafe als Menschen gibt,
schmecke das Lamm, aber wo die Menschen in der Überzahl sind, da schmecke das
Lamm wie Pappe.
Das Gelände ist seit mehr als 100 Jahren im Privatbesitz.
„Ich bin die vierte Generation hier“, sagt Johann stolz, „auf der Farm bin ich
aufgewachsen.“ Er erinnert sich lebhaft an seine burische Großmutter. Engländern
habe sie nie über den Weg getraut: Ein Volk, das im Kampf Mann gegen Mann nicht
gewinnt und sich dann gegen Frauen und Kinder wende, habe sie verachtet. Erneut
ein Hinweis, wie tiefe Spuren der Anglo-Burische Krieg hinterlassen hat.
Sein Geld hat Johann in Johannesburg als Edelstein-Designer
gemacht, aber jetzt, als Rentner, hat es ihn in die alte Heimat zurückgezogen.
Und da Landwirtschaft nichts für ihn sei, habe er die alten Gebäude zur Lodge
umgebaut. Obwohl man sie auch im Internet finden kann, sei
Mund-zu-Mund-Propaganda die beste Werbung, sagt Johann. Wenige Gäste finde er auch
gar nicht schlimm, meint er augenzwinkernd, schließlich wolle er ja gar nicht
mehr so viel arbeiten – aber nächste Woche sei er an drei Tagen schon wieder
ausgebucht.
Für Wanderungen und Fahrradtouren sei jetzt die Zeit vor dem
Frühstück die beste, rät ein Ehepaar, das auch auf dem Gelände wohnt und vor
der langen Fahrt nach Kapstadt die Lodge noch für ein kräftiges Morgenmahl
besucht. Mittags zeigt das Thermometer draußen 35 Grad – da läuft in der Bar
dann doch die Klimaanlage. Nur die sparsamen Schotten, hat Johann herausgefunden, fänden
das übertrieben.
Die Dürre spürt auch die Lodge. Aus dem 75 Meter tiefen
Brunnen wird normalerweise drei, vier Stunden lang Wasser hochgepumpt, aber
jetzt kann die Pumpe morgens und abends nur jeweils eine Stunde angestellt
werden. Von der Regierung halten und erwarten sie alle hier oben nichts. Sie
würde zweimal im Jahr die Steine auf der Straße zurechtschütteln (grading), das
sei schon alles.
Für die Tageszeiten, die man lieber im Schatten und
möglichst ohne Bewegung verbringt, gibt es in der Lodge Bücher genug, auch die
Bände der Encyclopedia Britannica sind dabei. „Kennt Ihr Eland-Antilopen?“,
fragt uns mittags JJ, und wir blicken aus unseren Büchern hoch zum Fenster: Da schreitet tatsächlich
eine kleine Herde dieser Antilopen auf die Lodge zu. „Manchmal trinken sie aus
dem kleinen Pool“, sagt JJ. Heute drehen die Tiere jedoch wieder ab. Auch zwei kleinere
Böcke, die noch näher an die Lodge gekommen sind, haben offenbar noch andere
Wasserstellen als den Pool. Für Johann sind sie alte Bekannte: „Das sind
eigentlich drei Tiere – die zwei jungen Weibchen sieht man immer, das Männchen
ist immer in der Nähe, aber meist unsichtbar.“
Die Stille, das Fehlen jeder Ablenkung, die Möglichkeit,
abzuschalten und zu sich zu kommen – so wird die Karoo beworben. Hinzuzufügen
wäre noch, dass die Sterne über der Gannaga Lodge besonders leuchtend funkeln.
http://gannagalodge.blogspot.co.za/
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