Dienstag, 5. Juli 2016

Zensur beim SABC



Am 27. Juni 1985, ziemlich genau vor 31 Jahren, ist Lukhanyo Calatas Vater von der Apartheid-Polizei ermordet worden. Fort Calata war einer der „Cradock 4“ – vier junge Anti-Apartheid-Aktivisten aus dem kleinen Ort Cradock, die auf dem Weg zu einer UDF-Veranstaltung festgenommen, gefoltert und ermordet wurden. 80.000 Menschen kamen damals zu ihrer Beerdigung – die früheste Erinnerung, die Lukhanyo an seinen Vater hat. „Ich war damals dreieinhalb Jahre alt“, erzählte er der Zeitung „Cape Argus“, „und ich bin Journalist geworden, weil die vielen Journalisten, die uns in den Jahren danach interviewten, um die Wahrheit über die Ermordung meines Vaters herauszubekommen, mich beeindruckt haben.“
Lukhanyo Calata ist heute Parlamentsreporter für den südafrikanischen Sender SABC. Die Informationspolitik des Senders ist heftig umstritten, Mitarbeiter werfen der Führung Zensur vor, einer der Nachrichtenchefs ist aus Protest zurückgetreten, Journalisten haben vor dem SABC-Gebäude in Johannesburg für Meinungsfreiheit demonstriert.
Im Zentrum der Kritik steht Sender-Chef Hlaudi Motsoeneng – ein Mann, der sich bester Verbindungen zu Präsident Zuma rühmt, „der Sender bin ich“ und „ich bin alpha und omega“ sagt und jedem Kritiker mit Entlassung droht. Dabei ist Motsoenengs Bestallung als SABC-Chef von einem Gericht als unrechtmäßig eingestuft worden, da er über seinen Hochschulabschluss falsche Angaben gemacht hatte – ein Urteil, das folgenlos blieb.
Für die meisten Südafrikaner ist der SABC immer noch die wichtigste, für manche die einzig verfügbare Informationsquelle. Mehr als die Hälfte der 13,4 Millionen Fernseh-Haushalte Südafrikas müssen sich auf die SABC-Informationen verlassen. Eine von Motsoenengs Anweisungen: Gewalttätige Proteste gegen die ANC-Regierung nicht zu zeigen. Vor einem Monat stand die Region um die Hauptstadt in Flammen - überall sonst waren die Bilder von niedergebrannten Schulen, blockierten Straßen und aufgebrachten Demonstranten zu sehen, nur bei der SABC nicht. Auch die Proteste vor dem SABC-Gebäude gegen diese Zensur strich Motsoeneng aus den Nachrichtensendungen.
„Zensur“, sagt Hlaudi Motsoeneng, „das ist ein englisches Wort. In afrikanischen Sprachen gibt es das nicht. Ich kenne das Konzept gar nicht.“ Und er fügt hinzu: „Beim SABC sind alle glücklich.“
Nicht alle. Jimi Matthews, Journalist und lange rechte Hand von Motsoeneng, trat aus Protest gegen das „Terror-Regime“ seines Chefs zurück und veröffentlichte seinen Rücktrittsbrief auf Twitter. Andere SABC-Journalisten schlossen sich mit zugeklebtem Mund den Demonstranten vor dem Sender an. „Wir haben lange geschwiegen, aber jetzt sind sie zu weit gegangen“, sagt eine von ihnen. „Ich muss morgens noch in den Spiegel schauen können.“
Mindestens sieben SABC-Mitarbeiter sind mittlerweile suspendiert; auch Lukhanyo Calata ist unter ihnen. Ihm droht die Entlassung. „Tausende sind im Kampf für Demokratie, für Meinungsfreiheit gestorben“, sagt er, „wie können wir uns da zurücklehnen und jemandem erlauben, Diktator zu sein? In einer Demokratie geht so etwas nicht.“
Lukhanyo wird jetzt seinem dreijährigen Sohn Kwezi zu erklären versuchen, was Meinungsfreiheit bedeutet. „Ich weiß nicht, was auf mich zukommt, wenn ich das jetzt so sage. Aber mein Vater und Tausende andere haben ihr Leben für das gegeben, woran sie geglaubt haben. Ich kann nur mein sicheres Auskommen verlieren.“

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