Vergangenen Mittwoch ging auf O.R. Tambo, dem Flughafen von
Johannesburg, nicht mehr viel; 50 Flüge wurden gestrichen. Wer z.B. nach
Kapstadt wollte, wurde immer wieder vertröstet; am Ende brachte eine Maschine
von British Airways wenigstens einige der zunehmend wütenden Passagiere ans Kap.
Die Maschinen der „South African Airways“ (SAA) blieben am
Boden, weil das Kabinenpersonal streikte. Ihre Forderung: 170 US-Dollar
Essensgeld pro Tag bei Auslandsflügen. 170 Dollar für Frühstück, Mittagessen,
Abendbrot und vielleicht einen Kaffee zwischendurch.
Wirklich? Der Versuch, diese hübsche Summe elektronisch zu
verifizieren, fördert Erstaunliches zu Tage. Einige Medien, u.a. die „African
News Agency“ (ANA), beziffern die Forderung der Streikenden mit 170 Rand
– weder der sehr hohe noch der sehr niedrige Betrag scheinen irgendjemandem aufgefallen
zu sein.
Doch die „SA Airways Cabin Crew Association“ (SACCA), die
nach eigenen Angaben drei Viertel des Kabinenpersonals vertritt, fordert
tatsächlich 170 US-Dollar. Die Mitarbeiter bekämen bisher nur 131
US-Dollar am Tag, und seit sechs Jahren sei dieser Betrag nicht mehr angehoben
worden. Zur Begründung ihrer Forderung verweisen sie auf die Piloten, die mehr,
eben 170 Dollar, bekämen, und auf eine New Yorker Beraterfirma, die 59 Millionen
Dollar für ein halbes Jahr Arbeit kassiert habe, um die defizitäre und schlecht
geführte Fluggesellschaft wieder auf einen soliden Kurs zu bringen.
„Sie vergleichen sich eben mit den Piloten“, sagt Tlali
Tlali, der Sprecher von SAA, im „Cape Talk“-Radio. Das zeugt von sympathischem Selbstbewusstsein,
denn schließlich kosten Hühnchen oder Rindfleisch im Ausland für alle gleich
viel. Andererseits aber überschreitet diese Forderung für viele Südafrikaner doch
die Grenzen des guten Geschmacks, denn wer gibt am Tag schon derart viel für
Speis und Trank aus. Viele Landsleute müssen mit diesem Betrag einen ganzen
Monat auskommen
Der Luftfahrtexperte Guy Leitch versteht gut, dass der
südafrikanische Normalbürger die Forderung des Kabinenpersonals als
unangemessen kritisiert, verweist aber darauf, dass die Stewardessen und
Stewards mit dem Essensgeld ihre Gehälter aufstocken. Dem pflichtet auch die
Gewerkschaft der Metallarbeiter (NUMSA) bei, die ihre Solidarität mit den
Streikenden erklärte.
Mathew Kleinhans, Sprecher der SACCA, sagt das im Interview
mit Pelane Phakgadi von „Eye Witness News“
ganz offen: „Wir brauchen die Zulage, um unsere Gehälter aufzustocken, die
sind nämlich erbärmlich niedrig. Nur wenn ich das Essensgeld dazu nehme, kann
ich überhaupt an so etwas wie eine Hypothek denken. Andernfalls lacht die Bank
mich aus.“ Damit spricht er an, wie
schwer es für viele Südafrikanerinnen und Südafrikaner ist, ein
Mittelschichtleben zu finanzieren. Verglichen mit den anderen
Fluggesellschaften seien die SAA-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter aber nicht
schlecht gestellt, relativiert wiederum Guy Leitch im „Cape Talk“.
In den unterschiedlichen Perspektiven auf den geforderten
Betrag zeigen sich die Dilemmata eines Schwellenlandes. Während die einen
ordentlich, oft gut bezahlte (Arbeits-)Plätze im formalen Sektor mit seinen
Arbeitnehmerrechten gefunden haben, müssen die anderen von bescheidenen
staatlichen Transferleistungen oder ganz ohne Einkommen leben, sich als
Tagelöhner am Straßenrand anbieten.
SAA hat noch am Mittwoch eine einstweilige Anordnung gegen
den Streik erwirkt. Damit ist erst einmal Zeit gewonnen für Verhandlungen und
Schlichtungsverfahren. Ausgestanden ist der Streit um das Essensgeld aber
nicht. Die Gewerkschaftsvorsitzende Zazi Nsibanyoni-Anyiam hat bereits
angekündigt, dass wieder gestreikt würde, wenn die Arbeitsbedingungen nicht
verbessert und nicht mehr fürs Essen im Ausland gezahlt würde.
Der Streik hat wieder einmal offengelegt, dass bei SAA
vieles nicht stimmt. Das hat Dudu Myeni zu verantworten, die Vorsitzende des
Aufsichtsrats. Sie habe das Unternehmen gegen die Wand gefahren und herrsche
eher wie ein „corporate warlord“, sagt Alf Lees von der Oppositionspartei
„Democratic Alliance“ der Nachrichtenagentur ANA. Alle Versuche, sie zur Rechenschaft zu ziehen
oder abzuberufen, sind daran gescheitert, dass Myeni eine enge Vertraute von „No.
1“ ist, von Südafrikas Präsident Jacob Zuma.
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