Montag, 1. Mai 2017

Streik bei SAA



Vergangenen Mittwoch ging auf O.R. Tambo, dem Flughafen von Johannesburg, nicht mehr viel; 50 Flüge wurden gestrichen. Wer z.B. nach Kapstadt wollte, wurde immer wieder vertröstet; am Ende brachte eine Maschine von British Airways wenigstens einige der zunehmend wütenden Passagiere ans Kap.
Die Maschinen der „South African Airways“ (SAA) blieben am Boden, weil das Kabinenpersonal streikte. Ihre Forderung: 170 US-Dollar Essensgeld pro Tag bei Auslandsflügen. 170 Dollar für Frühstück, Mittagessen, Abendbrot und vielleicht einen Kaffee zwischendurch.
Wirklich? Der Versuch, diese hübsche Summe elektronisch zu verifizieren, fördert Erstaunliches zu Tage. Einige Medien, u.a. die „African News Agency“ (ANA), beziffern die Forderung der Streikenden mit 170 Rand – weder der sehr hohe noch der sehr niedrige Betrag scheinen irgendjemandem aufgefallen zu sein.
Doch die „SA Airways Cabin Crew Association“ (SACCA), die nach eigenen Angaben drei Viertel des Kabinenpersonals vertritt, fordert tatsächlich 170 US-Dollar. Die Mitarbeiter bekämen bisher nur 131 US-Dollar am Tag, und seit sechs Jahren sei dieser Betrag nicht mehr angehoben worden. Zur Begründung ihrer Forderung verweisen sie auf die Piloten, die mehr, eben 170 Dollar, bekämen, und auf eine New Yorker Beraterfirma, die 59 Millionen Dollar für ein halbes Jahr Arbeit kassiert habe, um die defizitäre und schlecht geführte Fluggesellschaft wieder auf einen soliden Kurs zu bringen.
„Sie vergleichen sich eben mit den Piloten“, sagt Tlali Tlali, der Sprecher von SAA, im „Cape Talk“-Radio. Das zeugt von sympathischem Selbstbewusstsein, denn schließlich kosten Hühnchen oder Rindfleisch im Ausland für alle gleich viel. Andererseits aber überschreitet diese Forderung für viele Südafrikaner doch die Grenzen des guten Geschmacks, denn wer gibt am Tag schon derart viel für Speis und Trank aus. Viele Landsleute müssen mit diesem Betrag einen ganzen Monat auskommen
Der Luftfahrtexperte Guy Leitch versteht gut, dass der südafrikanische Normalbürger die Forderung des Kabinenpersonals als unangemessen kritisiert, verweist aber darauf, dass die Stewardessen und Stewards mit dem Essensgeld ihre Gehälter aufstocken. Dem pflichtet auch die Gewerkschaft der Metallarbeiter (NUMSA) bei, die ihre Solidarität mit den Streikenden erklärte.
Mathew Kleinhans, Sprecher der SACCA, sagt das im Interview mit Pelane Phakgadi von „Eye Witness News“  ganz offen: „Wir brauchen die Zulage, um unsere Gehälter aufzustocken, die sind nämlich erbärmlich niedrig. Nur wenn ich das Essensgeld dazu nehme, kann ich überhaupt an so etwas wie eine Hypothek denken. Andernfalls lacht die Bank mich aus.“  Damit spricht er an, wie schwer es für viele Südafrikanerinnen und Südafrikaner ist, ein Mittelschichtleben zu finanzieren. Verglichen mit den anderen Fluggesellschaften seien die SAA-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter aber nicht schlecht gestellt, relativiert wiederum Guy Leitch im „Cape Talk“. 
In den unterschiedlichen Perspektiven auf den geforderten Betrag zeigen sich die Dilemmata eines Schwellenlandes. Während die einen ordentlich, oft gut bezahlte (Arbeits-)Plätze im formalen Sektor mit seinen Arbeitnehmerrechten gefunden haben, müssen die anderen von bescheidenen staatlichen Transferleistungen oder ganz ohne Einkommen leben, sich als Tagelöhner am Straßenrand anbieten.    
SAA hat noch am Mittwoch eine einstweilige Anordnung gegen den Streik erwirkt. Damit ist erst einmal Zeit gewonnen für Verhandlungen und Schlichtungsverfahren. Ausgestanden ist der Streit um das Essensgeld aber nicht. Die Gewerkschaftsvorsitzende Zazi Nsibanyoni-Anyiam hat bereits angekündigt, dass wieder gestreikt würde, wenn die Arbeitsbedingungen nicht verbessert und nicht mehr fürs Essen im Ausland gezahlt würde.
Der Streik hat wieder einmal offengelegt, dass bei SAA vieles nicht stimmt. Das hat Dudu Myeni zu verantworten, die Vorsitzende des Aufsichtsrats. Sie habe das Unternehmen gegen die Wand gefahren und herrsche eher wie ein „corporate warlord“, sagt Alf Lees von der Oppositionspartei „Democratic Alliance“ der Nachrichtenagentur ANA.  Alle Versuche, sie zur Rechenschaft zu ziehen oder abzuberufen, sind daran gescheitert, dass Myeni eine enge Vertraute von „No. 1“ ist, von Südafrikas Präsident Jacob Zuma.

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