Sonntag, 20. April 2014

Ostermarsch gegen Korruption


Kapstadt. Führende Kirchenvertreter Südafrikas haben am Ostersamstag mit einer Prozession zum Parlament ihre Sorge über die Entwicklung des Landes artikuliert und die Südafrikaner dazu aufgerufen, gegen unethisches Verhalten und Korruption zu protestieren. Diese Kritik richtet sich vor allem gegen Präsident Jacob Zuma, der sich an seinem Heimatort Nkandla auf Staatskosten eine opulente Residenz hat ausstatten lassen. 234 Millionen Rand (gut 16 Millionen Euro) hat das gekostet und viele Südafrikaner empört. „Nkandlagate“ ist zum Symbol für Verschwendung und Korruption geworden.
Thabo Magkoba, der anglikanische Erzbischof von Kapstadt, kritisierte den Präsidenten für sein Schweigen zu diesen Ausgaben. Zumas Berater hätten wohl vergessen, dass Schweigen die Wahrheit geradezu herausschreie. „Herr Präsident, wie lange müssen die Bürger Südafrikas noch darauf warten, bis Sie ihnen erklären, wie Sie zu Ihren Entscheidungen im Blick auf Nkandla gekommen sind? Und wie wollen Sie dem verbreiteten Misstrauen begegnen, das jede Diskussion über unsere Regierung bestimmt?“, fragte Makgoba auf der Kundgebung vor dem Parlament in Kapstadt.  Das Land habe etwas Besseres verdient, Zuma dürfe diese historische Gelegenheit nicht verstreichen lassen: „Herr Präsident, Ihr Bild in der Geschichte wird davon bestimmt werden, wie Sie den Menschen dieses Landes Ihre Entscheidungen erklären.“       
Die Demonstration war auch zur Unterstützung von Thuli Madonsela gedacht, der unabhängigen Ombudsfrau, die am 19. März  einen Bericht über Verwendung öffentlicher Mittel für den Landsitz des Präsidenten vorgelegt hatte. Sie war dafür aus der Regierungspartei scharf angegriffen und beschimpft worden. Am 27. März gab es unter dem Motto „Eine Blume für Thuli. Eine Botschaft an den Präsidenten“ bereits eine Mahnwache in der anglikanischen St.Georges Cathedral in Kapstadt. Auch einige der etwa 3000 Teilnehmer des Ostermarsches  bekundeten mit „We love Thuli“ auf Hüten und Kappen ihre Sympathie für die unerschrockene Anwältin des öffentlichen Interesses.
Die Traditionskirchen des Landes haben sich lange gescheut, die ANC-Regierung öffentlich Kritik zu kritisieren. Der methodistische Bischof von Kapstadt, Michel Hansrod, räumte auf der Kundgebung selbstkritisch ein, dass die Kirchen zu lange geschwiegen und sich damit mitschuldig gemacht hätten, wenn nun Habsucht, Korruption und Gewalt endemisch seien. Auf diesen Straßen sei schon früher marschiert worden, sagte der Bischof unter Anspielung auf die großen Demonstrationen gegen die Apartheid in den achtziger Jahren. Jetzt werde es überall im Land wieder Proteste geben, kündigte Hansrod an. Zu dem Marsch am Ostersamstag hatten neben christlichen Kirchenführern auch Vertreter islamischer und jüdisch-orthodoxer Gemeinschaften aufgerufen.      
Präsident Zuma hatte die Kirchen mehrfach verärgert, weil er Gottes Unterstützung für die Regierungspartei „African National Congress“ (ANC) reklamiert hatte. Während seine Amtsvorgänger Nelson Mandela und Thabo Mbeki regelmäßig Gespräche mit Führern der verschiedenen Religionsgemeinschaften geführt hatten, brach Jacob Zuma diesen Dialog ab und hält nur mit ausgewählten Kirchenvertretern Kontakt, die ihm nicht ins Gewissen reden. Am Karfreitag sprach Zuma auf Einladung der „Universal Church for the Kingdom of Christ“ im Ellis Park-Stadion in Soweto. Die 1997 in Brasilien gegründete Kirche hat Glauben zum Geschäft gemacht und ist für ihr „Wohlstandsevangelium“ bekannt, nach dem auf dem Streben nach Reichtum Gottes Segen ruht. 
Zweieinhalb Wochen vor den Präsidentschaftswahlen sind im ganzen Land Unruhe und Unzufriedenheit zu spüren. Der Präsident wurde bei öffentlichen Auftritten mehrfach ausgebuht. Trotzdem zweifelt niemand daran, dass der ANC die Wahlen am 7. Mai erneut gewinnen wird. Im Wahlkampf nutzt die Regierungspartei jede Gelegenheit, die Südafrikaner an die bittere Zeit der Rassentrennung zu erinnern und Loyalität einzufordern.
Auch 20 Jahre nach Ende der Apartheid wird das Wahlverhalten in Südafrika immer noch weitgehend von der Geschichte und der Gruppenzugehörigkeit bestimmt. Eine Regierung nach ihren Leistungen zu beurteilen und gegebenenfalls auszutauschen, hat in Südafrika keine Tradition. Mit ihren Fragen und ihrer Kritik ermuntern die Kirchen nun dazu. Thabo Makgoba sprach auf der Kundgebung davon, dass das Vertrauen in die Regierung einen historischen Tiefstand erreicht habe. Der anglikanische Erzbischof forderte seine Landsleute auf, sich zu fragen, ob das „Misstrauen gegenüber der gegenwärtigen Regierung größer oder geringer sei als das Misstrauen während der Apartheidzeit“.  Noch ist das für viele Südafrikaner eine Provokation. Auf der Kundgebung gab es dafür aber – nach einer Schrecksekunde – auch Beifall.

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