Kapstadt. Führende Kirchenvertreter Südafrikas haben am Ostersamstag mit einer Prozession zum Parlament ihre Sorge über die Entwicklung des Landes artikuliert und die Südafrikaner dazu aufgerufen, gegen unethisches Verhalten und Korruption zu protestieren. Diese Kritik richtet sich vor allem gegen Präsident Jacob Zuma, der sich an seinem Heimatort Nkandla auf Staatskosten eine opulente Residenz hat ausstatten lassen. 234 Millionen Rand (gut 16 Millionen Euro) hat das gekostet und viele Südafrikaner empört. „Nkandlagate“ ist zum Symbol für Verschwendung und Korruption geworden.
Thabo Magkoba, der anglikanische Erzbischof von Kapstadt,
kritisierte den Präsidenten für sein Schweigen zu diesen Ausgaben. Zumas
Berater hätten wohl vergessen, dass Schweigen die Wahrheit geradezu
herausschreie. „Herr Präsident, wie lange müssen die Bürger Südafrikas noch
darauf warten, bis Sie ihnen erklären, wie Sie zu Ihren Entscheidungen im Blick
auf Nkandla gekommen sind? Und wie wollen Sie dem verbreiteten Misstrauen
begegnen, das jede Diskussion über unsere Regierung bestimmt?“, fragte Makgoba
auf der Kundgebung vor dem Parlament in Kapstadt. Das Land habe etwas Besseres verdient, Zuma
dürfe diese historische Gelegenheit nicht verstreichen lassen: „Herr Präsident,
Ihr Bild in der Geschichte wird davon bestimmt werden, wie Sie den Menschen
dieses Landes Ihre Entscheidungen erklären.“
Die Demonstration war auch zur Unterstützung von Thuli
Madonsela gedacht, der unabhängigen Ombudsfrau, die am 19. März einen Bericht über Verwendung öffentlicher
Mittel für den Landsitz des Präsidenten vorgelegt hatte. Sie war dafür aus der
Regierungspartei scharf angegriffen und beschimpft worden. Am 27. März gab es
unter dem Motto „Eine Blume für Thuli. Eine Botschaft an den Präsidenten“
bereits eine Mahnwache in der anglikanischen St.Georges Cathedral in Kapstadt.
Auch einige der etwa 3000 Teilnehmer des Ostermarsches bekundeten mit „We love Thuli“ auf Hüten und
Kappen ihre Sympathie für die unerschrockene Anwältin des öffentlichen
Interesses.
Die Traditionskirchen des Landes haben sich lange gescheut, die
ANC-Regierung öffentlich Kritik zu kritisieren. Der methodistische Bischof von
Kapstadt, Michel Hansrod, räumte auf der Kundgebung selbstkritisch ein, dass
die Kirchen zu lange geschwiegen und sich damit mitschuldig gemacht hätten, wenn
nun Habsucht, Korruption und Gewalt endemisch seien. Auf diesen Straßen sei
schon früher marschiert worden, sagte der Bischof unter Anspielung auf die
großen Demonstrationen gegen die Apartheid in den achtziger Jahren. Jetzt werde
es überall im Land wieder Proteste geben, kündigte Hansrod an. Zu dem Marsch am
Ostersamstag hatten neben christlichen Kirchenführern auch Vertreter
islamischer und jüdisch-orthodoxer Gemeinschaften aufgerufen.
Präsident Zuma hatte die Kirchen mehrfach verärgert, weil er
Gottes Unterstützung für die Regierungspartei „African National Congress“ (ANC)
reklamiert hatte. Während seine Amtsvorgänger Nelson Mandela und Thabo Mbeki
regelmäßig Gespräche mit Führern der verschiedenen Religionsgemeinschaften
geführt hatten, brach Jacob Zuma diesen Dialog ab und hält nur mit ausgewählten
Kirchenvertretern Kontakt, die ihm nicht ins Gewissen reden. Am Karfreitag sprach
Zuma auf Einladung der „Universal Church for the Kingdom of Christ“ im Ellis
Park-Stadion in Soweto. Die 1997 in Brasilien gegründete Kirche hat Glauben zum
Geschäft gemacht und ist für ihr „Wohlstandsevangelium“ bekannt, nach dem auf
dem Streben nach Reichtum Gottes Segen ruht.
Zweieinhalb Wochen vor den Präsidentschaftswahlen sind im
ganzen Land Unruhe und Unzufriedenheit zu spüren. Der Präsident wurde bei
öffentlichen Auftritten mehrfach ausgebuht. Trotzdem zweifelt niemand daran,
dass der ANC die Wahlen am 7. Mai erneut gewinnen wird. Im Wahlkampf nutzt die
Regierungspartei jede Gelegenheit, die Südafrikaner an die bittere Zeit der Rassentrennung
zu erinnern und Loyalität einzufordern.
Auch 20 Jahre nach Ende der Apartheid wird das Wahlverhalten
in Südafrika immer noch weitgehend von der Geschichte und der Gruppenzugehörigkeit
bestimmt. Eine Regierung nach ihren Leistungen zu beurteilen und gegebenenfalls
auszutauschen, hat in Südafrika keine Tradition. Mit ihren Fragen und ihrer
Kritik ermuntern die Kirchen nun dazu. Thabo Makgoba sprach auf der Kundgebung
davon, dass das Vertrauen in die Regierung einen historischen Tiefstand
erreicht habe. Der anglikanische Erzbischof forderte seine Landsleute auf, sich
zu fragen, ob das „Misstrauen gegenüber der gegenwärtigen Regierung größer oder
geringer sei als das Misstrauen während der Apartheidzeit“. Noch ist das für viele Südafrikaner eine
Provokation. Auf der Kundgebung gab es dafür aber – nach einer Schrecksekunde –
auch Beifall.
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