Noch zehn Tage, dann wird in Südafrika gewählt. Spannende Wahlen – viele sagen, die wichtigste seit 1994, seit dem offiziellen Ende der Apartheid. Der seit 20 Jahren regierende African National Congress (ANC), bislang immer mit fast zwei Dritteln der Stimmen siegreich, ist angeschlagen. Präsident Jacob Zumas Ansehen ist nach vielen Korruptionsvorwürfen schlechter denn je. Bei öffentlichen Auftritten wurde er mehrfach ausgebuht, und die Metallgewerkschaft NUMSA, über den Gewerkschafts-Dachverband COSATU mit dem ANC verbündet, forderte Zuma jetzt öffentlich zum Rücktritt auf: Die Drei-Parteien-Allianz von ANC, Gewerkschaften und Kommunistischer Partei bröckelt. Selbst alte Freiheitskämpfer wie Ronnie Kasrils, in Nelson Mandelas erstem Kabinett Minister und später Geheimdienst-Chef, starteten eine „Vote NO!“-Kampagne und riefen enttäuschte ANC-Anhänger auf, bei dieser Wahl ihre Stimme ungültig zu machen: „Vukani Sidikiwe – Wacht auf! Uns reicht es!“
Das Fass zum Überlaufen brachte
die vorerst letzte Affäre Zumas: Für umgerechnet mehr als 16 Millionen Euro
hatte er sich sein Anwesen in Nkandla in KwaZulu-Natal renovieren und ausbauen
lassen – inklusive Swimmingpool („Feuerlösch-Teich“), Hubschrauber-Landeplatz
und Privat-Krankenhaus. Reporter haben seit 2009 immer mehr Einzelheiten aufgdeckt,
und im März bescheinigte Thuli Madonsela, die unabhängige Ombudsfrau
Südafrikas, Zuma dann in einem Untersuchungsbericht, er habe sich an
öffentlichen Geldern bereichert.
In der Presse sorgt Nkandla seit
langem für Schlagzeilen. Jetzt fordern auch führende Kirchenvertreter Zuma auf,
endlich Stellung zu nehmen (vgl. den Blog-Eintrag von Ostersonntag). Die
Bevölkerung treibt aber noch andere Themen um: 20 Jahre nach Ende der Apartheid
scheint dem ANC die Versorgung der eigenen Klientel wichtiger als der Kampf
gegen die Armut. Fast täglich berichtet die Presse über neue
Korruptionsvorwürfe, überfüllte Krankenhäuser, vernachlässigte Schulen und
gewalttätige Proteste gegen Behördenversagen.
Dennoch hofft der ANC auch bei
dieser Wahl wie bisher auf zwei Drittel der Wählerstimmen. Der Nimbus der
Befreiungsbewegung wird beschworen – nicht ohne Grund ist der Wahltermin dicht
hinter den Feiern „20 Jahre Demokratie“ Ende April gelegt worden. Ob diese
Rechnung aufgeht, ist ungewiss.
Eine neue Abspaltung vom ANC,
die Economic Freedom Fighters (EFF) des populistischen früheren
ANC-Jugendliga-Führers Julius Malema, kandidiert erstmals, und niemand ahnt,
wieviele Stimmen Malema dem ANC abjagen kann. Ernsthaft gefährden kann den ANC allerdings
nur ein Gegner: die größte Oppositionspartei „Democratic Alliance“ (DA). Sie
macht sich Hoffnungen, nach Kapstadt eine zweite Provinz zu erobern - Gauteng
mit der Wirtschaftsmetropole Johannesburg. Umfragen besagen, dass sie ihren
Stimmenanteil vergrößern wird; ob das allerdings reichen wird, um die
ANC-Mehrheit zu brechen und ihn in dieser Provinz in eine Koalition zu zwingen,
ist völlig offen. Noch immer muss die DA gegen den Ruf ankämpfen, eine von
Weißen dominierte, wirtschaftsliberale Partei zu sein, die für viele Schwarze
einfach nicht wählbar ist.
Der in sich zerstrittene ANC versucht
mit allen Mitteln, die Unruhe vor dem Wahltag möglichst klein zu halten. Seine
Mitglieder einer parlamentarischen Untersuchungskommission zum Fall Nkandla hat
er so spät benannt, dass eine vernünftige Untersuchung in der kurzen Zeit bis Anfang
Mai kaum möglich erscheint; mit der Metallarbeiter-Gewerkschaft, die bei ihrer
Regierungskritik einen Rauswurf aus dem Dachverband COSATU in Kauf nimmt, wurde
ein Stillhalteabkommen bis zum Wahltag ausgehandelt; das südafrikanische
Fernsehen SABC suchte Wahlwerbespots der Opposition zu blockieren.
Nicht nur die Wahl selbst wird
spannend, auch die Zeit danach. Wenn linke Gewerkschaften aus dem Dachverband
ausbrechen, könnte eine Partei links vom ANC entstehen und die
Drei-Parteien-Allianz bei der nächsten Wahl ernsthaft unter die
50-Prozent-Marke drücken.
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