Nachdem
die Zahl der verkauften Neuwagen in Südafrika von 2010 bis 2013 jedes Jahr
gestiegen war, ist sie seither ständig gefallen, 2014 um 0,7 Prozent und 2015
um 4,0 Prozent. Im April 2016 wurden 40 390 nagelneue Autos übergeben – das
sind 9,2 Prozent weniger als im Vorjahr.
Unter
ökologischen Gesichtspunkten oder wenn man im morgendlichen Stau in Kapstadt
über den Stillstand flucht, mag man das begrüßen, es ist aber vor allem ein
Signal über die angespannte ökonomische Situation. Die südafrikanische Wirtschaft
wächst seit einigen Jahren kaum noch, und die Konsumausgaben leiden unter der
hohen Privatverschuldung und der Inflation.
Die
weiträumige Siedlungsstruktur des Landes und Sorgen um die eigene Sicherheit haben
zur Folge, dass wer immer das irgendwie bezahlen kann, ein Auto fährt. Denn
öffentlichen Nahverkehr gibt es erst in Ansätzen, und die allgegenwärtigen
„Taxis“ (Minibusse, die vor allem die schwarzen townships bedienen, aber auch über Land fahren) sind nicht gerade
bequem und durchaus gefährlich. Vor Feiertagen und verlängerten Wochenenden
wird von der Regierung regelmäßig dazu aufgerufen, doch bitte vorsichtig zu
fahren, und dennoch berichten die Nachrichten jeden Abend von tödlichen
Unfällen. Über das lange Wochenende (Freedom Day - 27.4. - war an einem
Dienstag) gab es allein in der Provinz KwaZulu-Natal 330 Verkehrstote. „Road
Carnage“ wird so eine blutige Bilanz in Südafrika genannt.
617 749
neue Autos wurden im vergangenen Jahr verkauft, 287 000 Rand blättern die
Südafrikaner dafür durchschnittlich auf den Tisch. Oft wird der Kauf durch
einen Kredit finanziert, und weil nicht wenige Autobesitzer mit den Raten
schnell in Rückstand geraten, betreiben die Banken eigene Lager für
„repossessed cars“, die dann versteigert werden: One man’s loss is another man’s gain – mit diesem alten Spruch
wirbt z.B. die ABSA-Bank für ihre Auktionen.
Die
Autoindustrie ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der Fahrzeugbau ist im sich
deindustrialisierenden Südafrika der wichtigste Sektor und trägt 7,3 Prozent
zum Bruttosozialprodukt bei. 36 000 Menschen haben dort einen vergleichsweise
guten Arbeitsplatz. Die deutschen Autobauer sind seit langem in Südafrika
vertreten (das, daran sei erinnert, war während der Zeit des Widerstandes gegen
die Apartheid heftig umstritten): VW im Ostkap (seit 1951), BMW in Gauteng (seit 1972),
Mercedes ebenfalls im Ostkap (seit 1954).
Während
der Absatz in Südafrika zurückgeht, floriert der Export: 2015 war ein Rekordjahr.
Das Land exportierte 333 802 Fahrzeuge, in erster Linie nach Deutschland und in
die USA. Dass die Ausfuhr so gut läuft, ist nicht allein dem schwachen Rand zu
verdanken, sondern auch der Integration der südafrikanischen Werke in die
globale Herstellungskette.
Ein eigenes
Abkommen mit der EU zum Autoexport und das „African Growth and Opportunity Act“
(AGOA) der USA erlauben die zollfreie Einfuhr, das erleichtert den Marktzugang.
Die südafrikanische Regierung unternimmt
ebenfalls erhebliche Anstrengungen, um die Autoproduktion zu fördern, und hat
dazu zwei relativ ausgefeilte Programme (MDIP (1995), APDP (2013)) aufgelegt. Das APDP verlagert die export-basierten Anreize auf
Zuschüsse und Einfuhr-/ Steuererleichterungen für lokal produzierende Unternehmen, unabhängig
davon, ob die Endprodukte für den Export
bestimmt sind oder nicht.
Die
verschiedenen Anreize und Regelungen werden von Ökonomen durchaus kritisch
gesehen: Von 100 Rand Steuereinnahmen gehen 20 Cent in die Autoproduktion, wird
Mike Schüssler in der Sonntagszeitung „City Press“ zitiert. Das Geld könne aber an anderer Stelle
wirkungsvoller eingesetzt werden und sehr viel mehr Menschen in Arbeit bringen,
etwa in der Nahrungsmittelindustrie und im Tourismus.
Das Ziel
der Autobauförderung ist ehrgeizig: 2020 sollen 1,2 Millionen Autos im Land
gebaut werden. Auch wenn ein eigenes Fahrzeug für viele Südafrikaner weiterhin
selbstverständlich oder ein unbedingt zu erreichendes Ziel sein wird, um mobil
zu sein, ist für die großen Städte der Zuwachs eher ein Alptraum. Denn die
meisten Bürgerinnen und Bürger werden auch in Zukunft lange Wege zur Arbeit
zurücklegen müssen – die wohlhabenderen aus ihren „suburbs“ mit
Einfamilienhäusern und die Ärmeren aus den kleinen Häuschen der townships.
Kapstadt hat deshalb vor knapp sechs Jahren begonnen, öffentliche
Busverbindungen einzurichten. Wo immer möglich, gibt es sogar eigene Busspuren,
so dass man als Passagier nicht im Stau stehen muss. 42 elegante Stationen und
366 Haltepunkte gibt es bereits, und Busse fahren sogar weit in den Süden nach
Hout Bay und 40 Kilometer in den Norden bis nach Atlantis, dieser trostlosen
Ausgeburt der Apartheidpolitik.
Schick,
sauber und cool (im Wortsinn) sind die Busse, und man darf sogar sein Fahrrad
mitnehmen (Your wheels are welcome). Fahrradfahrer sieht man inzwischen
häufiger, allerdings eher am Wochenende und meist als Sportler. Die Stadt hat
aber auch begonnen, eigene Spuren für Fahrradfahrer auszuweisen. Bei einer
Fahrt am Samstag mit dem Bus von Du Noon (ein township im Norden der Stadt)
wurde auch noch ein anderer Vorteil der Busse deutlich: Anders als im Taxi kann
man den Kinderwagen mitnehmen. Und dann während der Fahrt auch aufs smartphone
schauen. Dennoch: Bei den jüngsten Krawallen in Du Noon wurden auch Busstationen
schwer beschädigt. Stadtplaner und Verkehrsmanager brauchen in Südafrika gute
Nerven.
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