Dienstag, 30. Oktober 2018

Tausend-SASSA für Millionen


SASSA ist in Südafrika eine Abkürzung, die jeder kennt. Denn die South African Social Security Agency ist für mehr als zehn Millionen Menschen überlebensnotwendig: Sie erhalten über SASSA Kindergeld, Rentenzahlungen und andere Sozialleistungen. 17 Millionen dieser social grants werden jeden Monat ausgezahlt. Das ist nicht nur eine finanzielle Anstrengung, sondern auch ein organisatorisches Problem. Zu Beginn jedes Monats kann man im ganzen Land Menschen für die Auszahlung anstehen sehen, nicht wenige haben dafür einen weiten Weg zurückgelegt. 
Für die Verteilung der Gelder war seit 2012 eine Privatfirma zuständig. Als dort Unregelmäßigkeiten auftraten und Sozialhilfeempfänger von Kredithaien und Versicherungsvertretern über den Tisch gezogen wurden, wollte die damalige Sozialministerin Bathabile Dlamini SASSA selbst mit der Verteilung der Gelder beauftragen. Für Experten war klar, dass die Agentur damit überfordert gewesen wäre, aber die Ministerin beharrte auf ihrem Plan. Stichtag war Ende März 2017. In letzter Minute, nur zwei Wochen vorher, fiel ihr das Verfassungsgericht in den Arm: Es urteilte, daß bei der Verteilung noch ein Jahr lang alles beim Alten bleiben, die Firma aber vom Gericht und einem unabhängigen Experten-Gremium streng überwacht werden sollte.

Jetzt soll die Post (SAPO) eine wichtige Rolle bei der Verteilung spielen. Doch sie war in den vergangenen Jahren selbst in eine tiefe Krise geraten und steht immer noch auf wackeligen Beinen. Das zeigte sich auch bei den Auszahlungen im August und September dieses Jahres. In der Praxis konnten die Berechtigten bei den Postämtern und den zusätzlich eingerichteten 1213 Anlaufstellen oft kein Geld bekommen, weil die dafür nötigen Barbestände nicht rechtzeitig geliefert worden war; viele Südafrikaner, die lange Wege zur Post auf sich genommen hatten, mussten unverrichteter Dinge wieder umkehren und sich für die Rückreise sogar Geld leihen. Im Oktober 2018 gingen nach Angaben der „Financial Mail“ nur noch sechs Prozent der Empfänger zu den Postämtern, um ihr Geld abzuholen. 

Deshalb nutzen viele die üblichen Bankautomaten (ATMs), um Geld abzuheben. Doch dafür fallen Gebühren an, und die fallen ins Gewicht, wenn man ohnehin mit jedem Cent rechnen muss. Oder sie gehen in einen Laden der großen Lebensmittel-Ketten - u.a. Shoprite, Pick'n Pay und Spar -, um ihr Geld zu holen. Ein Drittel der Berechtigten bezieht so seine Sozialhilfe, aber auch dieser Weg ist problematisch. Die Ketten fordern von der Regierung, die Auszahlung zu entzerren: Wenn die Renten immer nur am Monatsanfang bereit stehen, steigt an diesen Tagen die Gefahr der bewaffneten Überfälle. "Wir sind Händler", sagt ein Pick'n-Pay-Manager der Zeitschrift, "wir wollen keine Armee im Laden." Aber obwohl diese Forderung schon seit Jahren wiederholt wird, ist bislang alles beim Alten geblieben. Die "Financial Mail" bilanziert resigniert: "Die bittere Wahrheit der vergangenen drei Jahre ist, daß SASSA nur auf Krisen reagiert. Offenbar müssen noch mehr bewaffnete Überfälle geschehen."

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