Wie 40 000 Südafrikaner sich ihre eigene Welt geschaffen haben.
Vor 15 Jahren gab es in der Gegend im Großraum Johannesburg noch kaum Häuser, jetzt wohnen dort etwa 40.000 Menschen. Die neuen Siedlungen sind ohne jede Hilfe der Regierung entstanden; Wasserleitungen, Kanalisation und Straßen – alles haben die Wohnungsbauunternehmen in eigener Regie errichtet und sich von den Käufern refinanzieren lassen. Es gibt keinen öffentlichen Bus, keine Regierungsschulen oder staatliche Krankenhäuser, keine Polizeistation. Die Siedlungen sind umzäunt und bewacht, Zugangs- und Verhaltensregeln sind streng. An den Zufahrtsstraßen werben diverse Pfingstkirchen um Mitglieder und Einkaufszentren um Kunden.
Die Stadt hat das alles einfach geschehen lassen, der für die Stadtplanung zuständige Peter Ahmad hat sich dort sogar selbst eingekauft. Er räumt ein, dass die Bewohner zwar Abgaben (rates) und Steuern zahlen, für ihr Geld aber eigentlich nichts bekommen.
Bei einigen Wissenschaftlern hat das rasante Wachstum Interesse geweckt, sie haben dort über Jahre Interviews gemacht und dabei zutage gefördert, dass sich hier Menschen aller Hautfarben eingekauft haben; Menschen, die gemeinsame Interessen haben: in einer sicheren Umgebung zu leben und ihren Kindern eine gute Schulbildung mit auf den Weg zu geben.
Es sind junge Leute, Singles und Familien, die sich für diese Wohnform und diesen Lebensstil entscheiden, überwiegend zwischen 25 und 40, also im Facebook-Alter. Der Verkauf der Wohnungen und town houses läuft fast immer über die Web-Seite der Immobilienverkäufer. Und 60 % seiner Kunden seien schwarze Südafrikaner, verrät der Vertreter eines dieser Unternehmen.
Noch ist die Studie des Public Affairs Research Institute (PARI) nicht veröffentlicht, aber die Sonntagszeitung „City Press“ hat sie einsehen können und zum Anlass für eigene Recherchen genommen. Sie kommentiert die Ergebnisse so: „PARI’s Studie hat herausgearbeitet, was diese Gemeinschaften zusammenhält. Das ist nicht die Sprache oder eine Hymne oder eine der anderen Ausdrucksformen einer nationalen Zugehörigkeit. Es sind vielmehr andere Faktoren: die Kirche, verbesserte Wohnverhältnisse und allen gemeinsame Ambitionen für ihre Kinder. Das ist keine Regenbogennation – die Leute pflegen nur in einem ganz pragmatischen Sinn Gemeinschaft… Während wir streiten und geradezu besessen davon sind, was unsere Freiheit ausmacht, haben Menschen in vielen Gemeinschaften mit ihrem Leben einfach etwas vor und kommen miteinander aus.“
Dass es sich hier nicht um den Traum einer Regenbogennation, sondern um ein pragmatisches Nebeneinander handelt, zeigt auch die Politik. Die oppositionelle „Democratic Alliance“ hat den Wahlkreis Roodepoort mit großer Mehrheit (81 %) gewonnen, aber kaum jemand möchte eine öffentliche Funktion als Stadtrat übernehmen. Bei den Parteiversammlungen herrscht gähnende Leere. Trifft sich dagegen der örtliche ANC, kann man das schon aus der Ferne an den vielen feinen Autos erkennen, berichtet neidvoll der gewählte DA-Councillor Jaco Engelbrecht, der sich angesichts der alles dominierenden Sicherheitsinteressen ohnehin mehr als Sheriff denn als gewählter Bürgervertreter fühlt.
Quelle: City Press, 22.4.2012
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