Montag, 23. April 2012

Sprache und Politik: Zille und die Bildungs-Flüchtlinge

Kaum war die Debatte über Kapstadts angeblichen Rassismus etwas abgeflaut (siehe Blogeintrag vom 27.2.), hat Helen Zille(@helenzille) auf Twitter einen neuen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Am 20. März twitterte sie, dass die von ihr regierte Westkap-Provinz 30 neue Schulen gebaut habe, u.a. um die „Bildungsflüchtlinge“ aus der Ostkap-Provinz aufzunehmen. Damit beschrieb sie einen Sachverhalt, den eigentlich niemand bestreitet: dass das Bildungswesen im Ostkap eine Katastrophe ist. Selbst Südafrikas Bildungsministerin Angie Motshekga hat die Zustände dort eine „Horror Story“ genannt.
Wenn es um die Bildung ihrer Kinder geht, sind südafrikanische Eltern nicht anders als Mütter und Väter anderswo. Sie nehmen eine Menge auf sich, um ihre Kinder in eine ordentliche Schule zu schicken. Manche verlassen sogar ihren Wohnort und ziehen ins benachbarte Westkap oder schicken ihre Kinder dorthin zu Verwandten. Soweit alles ganz normal. Man kann das Bildungsmigration nennen oder auch Landflucht.
Warum dann dieser Sturm der Entrüstung über den Gebrauch des Wortes „Flüchtlinge“? Selbst Kommentatoren, die die Verhältnisse im Ostkap ihrerseits als einen Skandal beschreiben und der Westkap-Provinz attestieren, dass sie das am besten verwaltete Gebiet des Landes ist, schelten Zille als unüberlegt, unsensibel, eurozentristisch. Unüberlegt räumt sie schließlich am 1. April ein – und jetzt am Wochenende hat sie ihr Bedauern über die Wortwahl ausgedrückt. Inhaltlich aber nimmt sie nichts zurück. Was sie beschrieben habe, sei schließlich Fakt und „Flüchtling“ ein Begriff, der Sympathie beinhalte.
Doch in Südafrika haben alle Begriffe, die die Bewegung und den Aufenthalt von Menschen an bestimmten Orten benennen, offenbar ganz unterschiedliche Konnotationen. Es ist ja noch nicht lange her, dass „nichtweiße“ Bewohner Südafrikas nur in bestimmten Gebieten leben durften und verhaftet, manchmal auch deportiert wurden, wenn sie deren Grenzen ohne Genehmigung überschritten. Weil sie damals im eigenen Land als „überflüssig“ betrachtet und als „unerwünscht“ abgeschoben wurden, möchten sie sich deshalb heute nicht „Flüchtling“ nennen lassen, so viele empörte Reaktionen. Natürlich meldeten sich auch die üblichen Verdächtigen, die professionellen Protestierer, die Zille schnell eine Rassistin schalten. Dass das Westkap als einzige Provinz nicht vom sonst alles dominierenden ANC regiert wird, sondern von einer weißen Frau der Opposition, ist schon Ärgernis genug. Und ausgerechnet in dieses „Zillestan“ zieht es nun die an der Bildungsmisere im Ostkap verzweifelnden Eltern…

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