„An meinem Garagentor habe ich ein großes ANC-Plakat von Jacob Zuma geklebt, damit die Leute wissen, wo ich wohne“, erzählt Denis Goldberg. „Es ist das einzige Zuma-Plakat in ganz Houtbay.“ Das Publikum schmunzelt. Goldberg, einer der letzten noch lebenden Anti-Apartheid-Kämpfer, die im sogenannten Rivonia-Prozess 1964 mit Nelson Mandela zu lebenslanger Haft verurteilt worden waren, war gestern Abend in der Universität von Kapstadt, um auf einer von der Rosa-Luxemburg-Stiftung gesponserten Veranstaltung über den ANC zu diskutieren, der in diesem Jahr sein hundertjähriges Bestehen feiert. Und obwohl der fast 80jährige Goldberg sehr verständnisvolle Worte für Präsident Zuma fand, übte er durchaus auch Kritik an seiner Partei.
Mit auf dem Podium saßen ein ehemaliger Staatssekretär im Arbeits- und im Außenministerium, Sipho Pityana, und der politische Analyst Eusebius McKaiser. McKaiser wäre, wie er sagte, gern Politiker geworden – im Parlament zu sitzen und Gesetze zu beraten, das sei seine Leidenschaft. Aber er ist (nur?) politischer Beobachter, denn der ANC könne mit offener Kritik nicht umgehen. Als ein junger Politikstudent aus dem Publikum fragt, was der ANC ihm, der als 18jähriger die Apartheid nicht mehr kennengelernt habe, denn anbieten könne, antwortet McKaiser messerscharf, der ANC sei vermutlich nichts für ihn: Kritische Debatten könne man in der Partei nicht führen, das werde sofort als Verrat an der Parteilinie begriffen; eine politische Auseinandersetzung um den besseren Kurs sei vermutlich eher bei der Opposition, der „Democratic Alliance“, möglich. Aber die dort vorherrschende Ideologie mache ein Engagement für ihn unmöglich – also sei er eben politischer Analyst geworden.
Auch Sipho Pityana, immer noch ANC-Mitglied und heute Vorsitzender eines Vereins zur Förderung der südafrikanischen Verfassung (CASAC), ist erstaunlich offen. Die Parteispitze messe mit zweierlei Maß, sagt er, wenn Verstöße gegen die Parteidisziplin bei dem einen bestraft, bei dem anderen aber gar nicht geahndet werden. Den Kommunisten im ANC attestiert er eine hohe Glaubwürdigkeit, aber die verschwinde, wenn die Partei ihren Prinzipien untreu werde. Wo ist Parteichef Blade Nzimande, fragt Pityana rhetorisch, wenn es darum geht, sich für die Interessen der Arbeiter und der Arbeitslosen einzusetzen, wo ist er, wenn es darum geht, dass die Kinder eine anständige Schulbildung bekommen?
Auch im Publikum sitzen ANC-Leute. Neben dem (weißen) Hardliner, der weltweit den Neoliberalismus für die Probleme verantwortlich macht, gibt es durchaus (selbst)kritische Stimmen. Einer fragt sich, ob die Parteispitze überhaupt all die schönen Papiere lese, die der ANC verabschiedet – eigentlich müsste sie sich anders verhalten, wenn sie Parteibeschlüsse wirklich ernst nehme. Und eine ehemalige Botschafterin beklagt den Verfall der Institutionen im Land: Der mache ihr wirklich Sorgen.
Denis Goldberg gibt dem jungen Politikstudenten am Schluss noch einen Rat: Keine Partei gebe der Jugend freiwillig ein Podium – man muss es sich nehmen, sagt Denis: „Tretet die Türen ein – natürlich nur im übertragenen Sinn! Nur so haben wir die Apartheid besiegt: Wir haben die Tür eingetreten.“
Eine Diskussion ohne Schaufensterreden und abgedroschene Weisheiten; es wurde präzise argumentiert, ernsthaft zugehört und gefragt. Und mit einer gehörigen Portion Selbstironie war es auch unterhaltsam – das britische Erbe war gestern abend zu spüren. Mehr davon würde dem ANC gut tun. Stattdessen muss sich der Abgeordnete Ben Turok - auch er ein alter (weißer) Anti-Apartheid-Kämpfer - in dieser Woche vor einem Disziplinarkomitee der Partei verantworten, weil er kurz vor der Abstimmung im Parlament über das neue Informations-Gesetz den Saal verlassen hatte und so der Parteilinie zuwider handelte.
Südafrika-Tagebuch aus einem Land, das gut zwei Jahrzehnte nach Ende der Apartheid noch immer vor schwierigen Problemen steht: Beobachtungen aus Kapstadt und umzu.
Donnerstag, 26. April 2012
Mittwoch, 25. April 2012
Middle Classing in Roodepoort
Wie 40 000 Südafrikaner sich ihre eigene Welt geschaffen haben.
Vor 15 Jahren gab es in der Gegend im Großraum Johannesburg noch kaum Häuser, jetzt wohnen dort etwa 40.000 Menschen. Die neuen Siedlungen sind ohne jede Hilfe der Regierung entstanden; Wasserleitungen, Kanalisation und Straßen – alles haben die Wohnungsbauunternehmen in eigener Regie errichtet und sich von den Käufern refinanzieren lassen. Es gibt keinen öffentlichen Bus, keine Regierungsschulen oder staatliche Krankenhäuser, keine Polizeistation. Die Siedlungen sind umzäunt und bewacht, Zugangs- und Verhaltensregeln sind streng. An den Zufahrtsstraßen werben diverse Pfingstkirchen um Mitglieder und Einkaufszentren um Kunden.
Die Stadt hat das alles einfach geschehen lassen, der für die Stadtplanung zuständige Peter Ahmad hat sich dort sogar selbst eingekauft. Er räumt ein, dass die Bewohner zwar Abgaben (rates) und Steuern zahlen, für ihr Geld aber eigentlich nichts bekommen.
Bei einigen Wissenschaftlern hat das rasante Wachstum Interesse geweckt, sie haben dort über Jahre Interviews gemacht und dabei zutage gefördert, dass sich hier Menschen aller Hautfarben eingekauft haben; Menschen, die gemeinsame Interessen haben: in einer sicheren Umgebung zu leben und ihren Kindern eine gute Schulbildung mit auf den Weg zu geben.
Es sind junge Leute, Singles und Familien, die sich für diese Wohnform und diesen Lebensstil entscheiden, überwiegend zwischen 25 und 40, also im Facebook-Alter. Der Verkauf der Wohnungen und town houses läuft fast immer über die Web-Seite der Immobilienverkäufer. Und 60 % seiner Kunden seien schwarze Südafrikaner, verrät der Vertreter eines dieser Unternehmen.
Noch ist die Studie des Public Affairs Research Institute (PARI) nicht veröffentlicht, aber die Sonntagszeitung „City Press“ hat sie einsehen können und zum Anlass für eigene Recherchen genommen. Sie kommentiert die Ergebnisse so: „PARI’s Studie hat herausgearbeitet, was diese Gemeinschaften zusammenhält. Das ist nicht die Sprache oder eine Hymne oder eine der anderen Ausdrucksformen einer nationalen Zugehörigkeit. Es sind vielmehr andere Faktoren: die Kirche, verbesserte Wohnverhältnisse und allen gemeinsame Ambitionen für ihre Kinder. Das ist keine Regenbogennation – die Leute pflegen nur in einem ganz pragmatischen Sinn Gemeinschaft… Während wir streiten und geradezu besessen davon sind, was unsere Freiheit ausmacht, haben Menschen in vielen Gemeinschaften mit ihrem Leben einfach etwas vor und kommen miteinander aus.“
Dass es sich hier nicht um den Traum einer Regenbogennation, sondern um ein pragmatisches Nebeneinander handelt, zeigt auch die Politik. Die oppositionelle „Democratic Alliance“ hat den Wahlkreis Roodepoort mit großer Mehrheit (81 %) gewonnen, aber kaum jemand möchte eine öffentliche Funktion als Stadtrat übernehmen. Bei den Parteiversammlungen herrscht gähnende Leere. Trifft sich dagegen der örtliche ANC, kann man das schon aus der Ferne an den vielen feinen Autos erkennen, berichtet neidvoll der gewählte DA-Councillor Jaco Engelbrecht, der sich angesichts der alles dominierenden Sicherheitsinteressen ohnehin mehr als Sheriff denn als gewählter Bürgervertreter fühlt.
Quelle: City Press, 22.4.2012
Vor 15 Jahren gab es in der Gegend im Großraum Johannesburg noch kaum Häuser, jetzt wohnen dort etwa 40.000 Menschen. Die neuen Siedlungen sind ohne jede Hilfe der Regierung entstanden; Wasserleitungen, Kanalisation und Straßen – alles haben die Wohnungsbauunternehmen in eigener Regie errichtet und sich von den Käufern refinanzieren lassen. Es gibt keinen öffentlichen Bus, keine Regierungsschulen oder staatliche Krankenhäuser, keine Polizeistation. Die Siedlungen sind umzäunt und bewacht, Zugangs- und Verhaltensregeln sind streng. An den Zufahrtsstraßen werben diverse Pfingstkirchen um Mitglieder und Einkaufszentren um Kunden.
Die Stadt hat das alles einfach geschehen lassen, der für die Stadtplanung zuständige Peter Ahmad hat sich dort sogar selbst eingekauft. Er räumt ein, dass die Bewohner zwar Abgaben (rates) und Steuern zahlen, für ihr Geld aber eigentlich nichts bekommen.
Bei einigen Wissenschaftlern hat das rasante Wachstum Interesse geweckt, sie haben dort über Jahre Interviews gemacht und dabei zutage gefördert, dass sich hier Menschen aller Hautfarben eingekauft haben; Menschen, die gemeinsame Interessen haben: in einer sicheren Umgebung zu leben und ihren Kindern eine gute Schulbildung mit auf den Weg zu geben.
Es sind junge Leute, Singles und Familien, die sich für diese Wohnform und diesen Lebensstil entscheiden, überwiegend zwischen 25 und 40, also im Facebook-Alter. Der Verkauf der Wohnungen und town houses läuft fast immer über die Web-Seite der Immobilienverkäufer. Und 60 % seiner Kunden seien schwarze Südafrikaner, verrät der Vertreter eines dieser Unternehmen.
Noch ist die Studie des Public Affairs Research Institute (PARI) nicht veröffentlicht, aber die Sonntagszeitung „City Press“ hat sie einsehen können und zum Anlass für eigene Recherchen genommen. Sie kommentiert die Ergebnisse so: „PARI’s Studie hat herausgearbeitet, was diese Gemeinschaften zusammenhält. Das ist nicht die Sprache oder eine Hymne oder eine der anderen Ausdrucksformen einer nationalen Zugehörigkeit. Es sind vielmehr andere Faktoren: die Kirche, verbesserte Wohnverhältnisse und allen gemeinsame Ambitionen für ihre Kinder. Das ist keine Regenbogennation – die Leute pflegen nur in einem ganz pragmatischen Sinn Gemeinschaft… Während wir streiten und geradezu besessen davon sind, was unsere Freiheit ausmacht, haben Menschen in vielen Gemeinschaften mit ihrem Leben einfach etwas vor und kommen miteinander aus.“
Dass es sich hier nicht um den Traum einer Regenbogennation, sondern um ein pragmatisches Nebeneinander handelt, zeigt auch die Politik. Die oppositionelle „Democratic Alliance“ hat den Wahlkreis Roodepoort mit großer Mehrheit (81 %) gewonnen, aber kaum jemand möchte eine öffentliche Funktion als Stadtrat übernehmen. Bei den Parteiversammlungen herrscht gähnende Leere. Trifft sich dagegen der örtliche ANC, kann man das schon aus der Ferne an den vielen feinen Autos erkennen, berichtet neidvoll der gewählte DA-Councillor Jaco Engelbrecht, der sich angesichts der alles dominierenden Sicherheitsinteressen ohnehin mehr als Sheriff denn als gewählter Bürgervertreter fühlt.
Quelle: City Press, 22.4.2012
Montag, 23. April 2012
Sprache und Politik: Zille und die Bildungs-Flüchtlinge
Kaum war die Debatte über Kapstadts angeblichen Rassismus etwas abgeflaut (siehe Blogeintrag vom 27.2.), hat Helen Zille(@helenzille) auf Twitter einen neuen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Am 20. März twitterte sie, dass die von ihr regierte Westkap-Provinz 30 neue Schulen gebaut habe, u.a. um die „Bildungsflüchtlinge“ aus der Ostkap-Provinz aufzunehmen. Damit beschrieb sie einen Sachverhalt, den eigentlich niemand bestreitet: dass das Bildungswesen im Ostkap eine Katastrophe ist. Selbst Südafrikas Bildungsministerin Angie Motshekga hat die Zustände dort eine „Horror Story“ genannt.
Wenn es um die Bildung ihrer Kinder geht, sind südafrikanische Eltern nicht anders als Mütter und Väter anderswo. Sie nehmen eine Menge auf sich, um ihre Kinder in eine ordentliche Schule zu schicken. Manche verlassen sogar ihren Wohnort und ziehen ins benachbarte Westkap oder schicken ihre Kinder dorthin zu Verwandten. Soweit alles ganz normal. Man kann das Bildungsmigration nennen oder auch Landflucht.
Warum dann dieser Sturm der Entrüstung über den Gebrauch des Wortes „Flüchtlinge“? Selbst Kommentatoren, die die Verhältnisse im Ostkap ihrerseits als einen Skandal beschreiben und der Westkap-Provinz attestieren, dass sie das am besten verwaltete Gebiet des Landes ist, schelten Zille als unüberlegt, unsensibel, eurozentristisch. Unüberlegt räumt sie schließlich am 1. April ein – und jetzt am Wochenende hat sie ihr Bedauern über die Wortwahl ausgedrückt. Inhaltlich aber nimmt sie nichts zurück. Was sie beschrieben habe, sei schließlich Fakt und „Flüchtling“ ein Begriff, der Sympathie beinhalte.
Doch in Südafrika haben alle Begriffe, die die Bewegung und den Aufenthalt von Menschen an bestimmten Orten benennen, offenbar ganz unterschiedliche Konnotationen. Es ist ja noch nicht lange her, dass „nichtweiße“ Bewohner Südafrikas nur in bestimmten Gebieten leben durften und verhaftet, manchmal auch deportiert wurden, wenn sie deren Grenzen ohne Genehmigung überschritten. Weil sie damals im eigenen Land als „überflüssig“ betrachtet und als „unerwünscht“ abgeschoben wurden, möchten sie sich deshalb heute nicht „Flüchtling“ nennen lassen, so viele empörte Reaktionen. Natürlich meldeten sich auch die üblichen Verdächtigen, die professionellen Protestierer, die Zille schnell eine Rassistin schalten. Dass das Westkap als einzige Provinz nicht vom sonst alles dominierenden ANC regiert wird, sondern von einer weißen Frau der Opposition, ist schon Ärgernis genug. Und ausgerechnet in dieses „Zillestan“ zieht es nun die an der Bildungsmisere im Ostkap verzweifelnden Eltern…
Wenn es um die Bildung ihrer Kinder geht, sind südafrikanische Eltern nicht anders als Mütter und Väter anderswo. Sie nehmen eine Menge auf sich, um ihre Kinder in eine ordentliche Schule zu schicken. Manche verlassen sogar ihren Wohnort und ziehen ins benachbarte Westkap oder schicken ihre Kinder dorthin zu Verwandten. Soweit alles ganz normal. Man kann das Bildungsmigration nennen oder auch Landflucht.
Warum dann dieser Sturm der Entrüstung über den Gebrauch des Wortes „Flüchtlinge“? Selbst Kommentatoren, die die Verhältnisse im Ostkap ihrerseits als einen Skandal beschreiben und der Westkap-Provinz attestieren, dass sie das am besten verwaltete Gebiet des Landes ist, schelten Zille als unüberlegt, unsensibel, eurozentristisch. Unüberlegt räumt sie schließlich am 1. April ein – und jetzt am Wochenende hat sie ihr Bedauern über die Wortwahl ausgedrückt. Inhaltlich aber nimmt sie nichts zurück. Was sie beschrieben habe, sei schließlich Fakt und „Flüchtling“ ein Begriff, der Sympathie beinhalte.
Doch in Südafrika haben alle Begriffe, die die Bewegung und den Aufenthalt von Menschen an bestimmten Orten benennen, offenbar ganz unterschiedliche Konnotationen. Es ist ja noch nicht lange her, dass „nichtweiße“ Bewohner Südafrikas nur in bestimmten Gebieten leben durften und verhaftet, manchmal auch deportiert wurden, wenn sie deren Grenzen ohne Genehmigung überschritten. Weil sie damals im eigenen Land als „überflüssig“ betrachtet und als „unerwünscht“ abgeschoben wurden, möchten sie sich deshalb heute nicht „Flüchtling“ nennen lassen, so viele empörte Reaktionen. Natürlich meldeten sich auch die üblichen Verdächtigen, die professionellen Protestierer, die Zille schnell eine Rassistin schalten. Dass das Westkap als einzige Provinz nicht vom sonst alles dominierenden ANC regiert wird, sondern von einer weißen Frau der Opposition, ist schon Ärgernis genug. Und ausgerechnet in dieses „Zillestan“ zieht es nun die an der Bildungsmisere im Ostkap verzweifelnden Eltern…
Sonntag, 22. April 2012
M.O.T.H.
Jede britische Buchhandlung, die etwas auf sich hält, hat eine Abteilung für Militär(geschichte) – Regale, um die wir bisher immer einen großen Bogen gemacht haben. Warum es sie gibt, lernt man bei Besuchen in den Außenposten des Empire verstehen, auf Malta z.B., wo britische Militärs nicht nur den Angriffen der in Sizilien stationierten Luftwaffe getrotzt, sondern auch noch den Nachschub zu Rommels Soldaten in Nordafrika empfindlich gestört haben. Stichwort: El Alamein.
Und eben in Südafrika. Gestern Abend hatte eine bezaubernde Musiklehrerin ein Konzert ihrer Schülerinnen arrangiert. Der Veranstaltungsort im Städtchen Fish Hoek schien aus der Zeit gefallen: ein spießiges Vereinsheim, Bilder von Militärs, ein Gemälde von einem Mann mit Stahlhelm, ein Foto von Churchill, Ehrenplaketten – dazu aus der Moderne rote Plastikstühle und Tischdecken. Wie soll da Stimmung aufkommen? Geht aber, wenn südafrikanische Familien ihre Picknick-Körbe auspacken und den singenden und Gitarre spielenden Töchtern zujubeln. Eine anrührende Veranstaltung.
Was aber ist das Geheimnis dieses Ortes? M.O.T.H. konnte man lesen, „Battledress“ und „Shellhole“. Die Tür zum „Founder Room“ war versperrt: Zutritt nur für „Moths and Members“, Mitglieder wurden für ihre Verdienste im Zivilleben geehrt, und auch einiger Non-Members wurde ehrenvoll für „good comradeship“ gedacht.
Eine Recherche am heimischen Computer brachte die Erkenntnis: M.O.T.H. steht für „Memorable Order of Tin Hats“ – den Orden des Stahlhelms, eine 1927 in Durban gegründete Organisation, die sich in Not geratener Kriegsveteranen annimmt und dem Gedanken der Kameradschaft verpflichtet ist. In Kapstadt veranstaltet M.O.T.H. jedes Jahr Paraden; erinnert wird zum Beispiel an die Schlacht von El Alamein, an den südafrikanischen General Jan Smuts und – jetzt am 7. Mai – an den Gründungstag der Organisation.
Das weckte Erinnerungen an einen Besuch im Kapstädter Castle vor einem Jahrzehnt. Ein Mitglied der südafrikanischen Streitkräfte erbot sich freundlicherweise, einiges zu erklären. Am Schluss fragte er den deutschen Vater, ob er denn im Zweiten Weltkrieg gedient habe. Und dann haute es uns fast aus den Schuhen: „Haben Sie noch Ihre Uniform?“ Erinnerungen an die gleichen Schlachten können eben ganz verschieden sein – und Traditionspflege auch ein Zeichen legitimen Stolzes.
Statt „Truly Yours“ schließt der Newsletter Cyber Shellhole des südafrikanischen M.O.T.H.-Verbandes mit „Yours under the tin hat“. In diesem Sinne: Friedliche Grüße aus Kapstadt!
Und eben in Südafrika. Gestern Abend hatte eine bezaubernde Musiklehrerin ein Konzert ihrer Schülerinnen arrangiert. Der Veranstaltungsort im Städtchen Fish Hoek schien aus der Zeit gefallen: ein spießiges Vereinsheim, Bilder von Militärs, ein Gemälde von einem Mann mit Stahlhelm, ein Foto von Churchill, Ehrenplaketten – dazu aus der Moderne rote Plastikstühle und Tischdecken. Wie soll da Stimmung aufkommen? Geht aber, wenn südafrikanische Familien ihre Picknick-Körbe auspacken und den singenden und Gitarre spielenden Töchtern zujubeln. Eine anrührende Veranstaltung.
Was aber ist das Geheimnis dieses Ortes? M.O.T.H. konnte man lesen, „Battledress“ und „Shellhole“. Die Tür zum „Founder Room“ war versperrt: Zutritt nur für „Moths and Members“, Mitglieder wurden für ihre Verdienste im Zivilleben geehrt, und auch einiger Non-Members wurde ehrenvoll für „good comradeship“ gedacht.
Eine Recherche am heimischen Computer brachte die Erkenntnis: M.O.T.H. steht für „Memorable Order of Tin Hats“ – den Orden des Stahlhelms, eine 1927 in Durban gegründete Organisation, die sich in Not geratener Kriegsveteranen annimmt und dem Gedanken der Kameradschaft verpflichtet ist. In Kapstadt veranstaltet M.O.T.H. jedes Jahr Paraden; erinnert wird zum Beispiel an die Schlacht von El Alamein, an den südafrikanischen General Jan Smuts und – jetzt am 7. Mai – an den Gründungstag der Organisation.
Das weckte Erinnerungen an einen Besuch im Kapstädter Castle vor einem Jahrzehnt. Ein Mitglied der südafrikanischen Streitkräfte erbot sich freundlicherweise, einiges zu erklären. Am Schluss fragte er den deutschen Vater, ob er denn im Zweiten Weltkrieg gedient habe. Und dann haute es uns fast aus den Schuhen: „Haben Sie noch Ihre Uniform?“ Erinnerungen an die gleichen Schlachten können eben ganz verschieden sein – und Traditionspflege auch ein Zeichen legitimen Stolzes.
Statt „Truly Yours“ schließt der Newsletter Cyber Shellhole des südafrikanischen M.O.T.H.-Verbandes mit „Yours under the tin hat“. In diesem Sinne: Friedliche Grüße aus Kapstadt!
Immer Ärger mit - T-Online
Wir sind wieder in Südafrika – und haben wieder Probleme mit unseren E-Mails. Ärger nicht mit Harry, sondern mit T-Online – aber auch daraus könnte Hitchcock eine ziemliche Groteske verfilmen.
Dabei haben wir extra den Computer von der letzten Reise wieder mitgenommen, mit dem es - nach heftigen Verhandlungen mit der Hotline von T-Online und vielen Work-arounds (wir haben im Blog berichtet!) – doch alles so schön geklappt hatte mit dem Abrufen und Verschicken von Mails!
Und nun das: Abholen der Mails war kein Problem, aber das Verschicken von Antworten, das ging gar nicht. Unser Outlook-Programm weigerte sich, zum T-Online-Server vorzudringen und meinte, entweder Passwort oder Name sei falsch – dabei waren es dieselben Angaben, mit denen es klaglos Mails vom T-Online-Server abholte.
Da war guter Rat teuer. Alle Angaben für T-Online bei Outlook waren korrekt. Ein anderes Mailprogramm? Herunterladen ist ja kein Problem, man gönnt sich ja sonst nichts - aber auch dann sagte der T-Online-Server: Njet. Dabei war der Mailversand im vergangenen Jahr nach einigen Basteleien alles kein Problem gewesen. Aber jetzt.
Glücklicherweise haben wir auch noch eine Mailadresse bei Googlemail, und da funktionierte sowohl Empfangen als auch Senden auf Anhieb. Nun senden wir also wieder – über Googlemail. Und unsere Freunde von der T-Online-Hotline wissen, dass wir so unsere Zweifel an der deutschen Wertarbeit haben…
Dabei haben wir extra den Computer von der letzten Reise wieder mitgenommen, mit dem es - nach heftigen Verhandlungen mit der Hotline von T-Online und vielen Work-arounds (wir haben im Blog berichtet!) – doch alles so schön geklappt hatte mit dem Abrufen und Verschicken von Mails!
Und nun das: Abholen der Mails war kein Problem, aber das Verschicken von Antworten, das ging gar nicht. Unser Outlook-Programm weigerte sich, zum T-Online-Server vorzudringen und meinte, entweder Passwort oder Name sei falsch – dabei waren es dieselben Angaben, mit denen es klaglos Mails vom T-Online-Server abholte.
Da war guter Rat teuer. Alle Angaben für T-Online bei Outlook waren korrekt. Ein anderes Mailprogramm? Herunterladen ist ja kein Problem, man gönnt sich ja sonst nichts - aber auch dann sagte der T-Online-Server: Njet. Dabei war der Mailversand im vergangenen Jahr nach einigen Basteleien alles kein Problem gewesen. Aber jetzt.
Glücklicherweise haben wir auch noch eine Mailadresse bei Googlemail, und da funktionierte sowohl Empfangen als auch Senden auf Anhieb. Nun senden wir also wieder – über Googlemail. Und unsere Freunde von der T-Online-Hotline wissen, dass wir so unsere Zweifel an der deutschen Wertarbeit haben…
Montag, 27. Februar 2012
Ist Kapstadt rassistisch?
Kapstadt ist rassistisch! Das kann man in Südafrika gelegentlich hören, vor
allem aus dem Mund von schwarzen Johannesburgern, denen in einem
Club/Restaurant der Eintritt verweigert wurde oder die von solchen Vorfällen gehört hatten. Viele
Kapstädter schütteln darüber den Kopf oder verteidigen ihre Stadt in
Leserbriefen an die Cape Times.
Ende 2011, in Südafrika Weihnachts- und Sommerferienzeit,
kochte die Debatte auf Twitter richtig hoch, it went viral nennt man das dann. Es begann mit einer Klage der
Sängerin Lindiwe Suttle auf Twitter: „Egal, wie berühmt/reich Du bist, in
Kapstadt bist Du immer noch ein Mensch zweiter Klasse, wenn Du schwarz bist.“
Helen Zille, die resolute Gouverneurin der Provinz, die so heftig twittert,
dass auch ihre Bewunderer sich manchmal fragen, ob das nicht ein bisschen viel
ist, konterte schnell und wies diese Aussage als „kompletten Unsinn“ zurück. Sie
verlangte Beispiele – und als die auf ihrem Schirm erschienen, feuerte sie
schnell e-mails an die Beschuldigten raus, verlangte Stellungnahmen. Was die
Wogen hätte glätten sollen, ließ sie nur noch mehr anschwellen. Pedantisch,
technokratisch sei die Reaktion, keine angemessene Antwort auf die gefühlte
Ablehnung und den institutionalisierten Rassismus.
Schließlich twitterte Simphiwe Dana, eine bekannte Sängerin,
an Zille: „Wollen Sie bestreiten/leugnen, dass Kapstadt rassistisch ist“? Und
ein paar Wortwechsel später: „Versetzen Sie sich doch einmal in unsere Haut.“
Zille gab fix zurück: „Sie sind eine sehr angesehene schwarze Professionelle.
Versuchen Sie doch nicht, eine professionelle Schwarze zu sein.“ Gefragt, was
sie unter einem „professionellen Schwarzen“ und dann, was sie unter einem "professionellen Weißen" verstehe, definierte Zille: eine Person, die „sich obsessiv
mit sich selbst beschäftigt und sich als Opfer inszeniert“.
Nun wurde aus dem Sturm der Entrüstung ein online hurrican. Was die allermeisten
Kritiker nicht wussten: Der Begriff professional
black stammt nicht von Zille, sondern von Jacob Dlamini, einem klugen
Kolumnisten. Er hatte Jimmy Manyi, den Regierungssprecher, einen
„professionellen Schwarzen“ genannt. „His profession is blackness. He trades on his skin colour… Manyi is not
alone. There are thousands of professional blacks out there.” (Business Day, 10.3.2011).
Inzwischen haben sich Leitartikler und Leserbriefschreiber zu
Wort gemeldet. Immer wieder ist dabei von „classism“ die Rede: Danach ist es
der sozioökonomische Status, der bestimmt, was man kann und darf. Wer Geld hat,
gehört dazu, wer keins hat, muss draußen bleiben. Und Geld haben die Weißen
eher als die meisten Schwarzen. Club-, Restaurant- und Geschäftsbetreiber
scheinen keine Probleme zu haben, sich zu „classism“ zu bekennen, ist damit
doch aus der durch eine moralisch verwerfliche Politik geschaffenen Kluft ein
schlichter Tatbestand geworden, den es überall auf der Welt gibt.
Doch es gibt auch andere Erfahrungen. Anfang des Jahres
haben Babalwa Shota und Lucas Ledwaba, zwei Journalisten von City Press, die Probe aufs Exempel
gemacht und in den angesagten Etablissements, in denen Schwarze angeblich nicht
willkommen sind, kräftig gefeiert. Gleich mehrere Tage. Diskriminierung haben
sie, so ihr Bericht Colours of Cape Town,
nicht erlebt.
Mit zunehmender Länge der gedruckten Beiträge ist die
Debatte auch sachlicher geworden. Tatsächlich ist Kapstadt die einzige
Großstadt des Landes, in der Schwarze in der Minderheit sind. Das hat mit der
Siedlungsgeschichte des Landes und der Apartheidpolitik zu tun, die die
Kapprovinz zum Coloured Labour Preference-Gebiet
erklärt hatte. Die Schwarzen, die heute nach Kapstadt strömen, kommen meist aus
der armen und schlecht regierten Ostkap-Provinz und lassen sich in den
townships und den informal settlements
nieder. So leben Weiße, Coloureds und Schwarze, von einigen Gebieten abgesehen,
weiter weitgehend getrennt.
Anders als in Johannesburg, wo die große Mehrheit der
Bevölkerung schwarz ist, wo elegante Mittelschichtangehörige im Stadtbild sehr
präsent sind und es mit Soweto einen großen Stadtbezirk mit Selbstbewusstsein
und jüngst vielen Verbesserungen gibt, hat sich in Kapstadt kein solches
schwarzes Zentrum entwickeln können. Das nur sehr rudimentäre öffentliche
Nahverkehrssystem, die Siedlungsstruktur (suburbs auf der einen, townships auf
der anderen Seite) und die Angst vor
Kriminalität tragen zusätzlich dazu bei, dass die Kapstädter – zumindest,
nachdem es dunkel geworden ist – weit getrennt von einander leben.
Doch gelegentlich findet sich ein Teil von ihnen zu
gemeinsamen Aktionen zusammen. Palesa Morudu hat in einem Beitrag für Business
Day daran erinnert, dass einst die United
Democratic Front gegen Apartheid in Kapstadt ihren Ausgangspunkt nahm, dass
Equal Education, eine beeindruckende
Bewegung für bessere Schulen, jedes Jahr in Kapstadt einen großen Protestmarsch
abhält und dass sich Menschen aller Hautfarben zu verschiedenen Protestaktionen
gegen die Protection of Information Bill
zusammen geschlossen haben.
Die Debatte zeigt, dass die Südafrikaner weit davon entfernt
sind, eine gemeinsame Sicht auf die Vergangenheit und die Gegenwart zu haben.
„Wir müssen eine gemeinsame Geschichte schreiben“, hat Russel Botman, der scharfsichtige
Rektor der Universität Stellenbosch, seinen Beitrag zum Thema überschrieben.
„Fast niemand in Kapstadt hat nur eine Geschichte. Wir alle haben sehr
verschiedene von Herkunft, von Abstammung, von dem, was wir ererbt und was wir
uns an Ansehen erarbeitet haben. Und viele von uns haben Unterbrechungen in
ihrer Herkunftsgeschichte erlebt – durch Sklaverei, erzwungene Umsiedlung und
soziale Degradierung.“
Ist Kapstadt rassistisch? Eine Stadt, so hat Helen Zille zu Recht
betont, kann nicht rassistisch sein. Auf jeden Fall ist Kapstadt in mancher
Hinsicht anders als der Rest des Landes, die Stadt hat eine andere Bevölkerungsstruktur
und damit wohl auch eine andere „Transformations“-Geschwindigkeit. Und sie wird
- das spielte bei der ganzen Aufregung auch eine Rolle - von einer anderen Partei
regiert als die übrigen Provinzen, von Helen Zilles Democratic Alliance. Sie will das Erbe der Vergangenheit hinter
sich lassen, in dem sie durch good governance gleiche Chancen für alle Menschen
schafft. Ein liberales Konzept also mit zunehmend sozialdemokratischen
Ergänzungen. Der ANC dagegen möchte Transformation durch beschleunigte Umverteilung
erreichen, dazu müsse die Partei alle wichtigen Schaltstellen kontrollieren: eine
Art Staatskapitalismus mit starken Patronageelementen.
Trotz der vielen negativen Begleiterscheinungen (Korruption,
Mängel in der Verwaltung) ist das für viele (schwarze) Südafrikaner das
attraktivere Konzept. Mit technokratischer Effizienz allein kann man in
Südafrika noch weniger die Herzen gewinnen als anderswo. Die starken
Frauen am Kap – neben Helen Zille ist das Kapstadts Bürgermeisterin Patricia de
Lille - haben sich nicht in die Defensive drängen lassen. Was noch fehlt, ist eine Vision für ein gemeinsames Kapstadt.
Samstag, 4. Februar 2012
Max du Preez und das ANC-Jubiläum
Südafrika hat viele mutige und meinungsfreudige Journalisten. Einer, der sich gern ins Getümmel stürzt, ackert und dann deutliche Worte findet, ist Max du Preez. 1988 hatte er das Vrye Weekblad gegründet, eine „alternative“ (wie man damals sagte) afrikaanssprachige. Wochenzeitung, die mächtig von sich reden und der Apartheidregierung zu schaffen machte.
Nach dem Ende der Apartheid verantwortete er im SABC-Rundfunk das investigative Magazin Special Assignment, eine der wenigen sehenswerten Fernsehsendungen, wurde aber bald wegen Unbotmäßigkeit gefeuert. Er hat das in der ihm eigenen Art so kommentiert: „Ich passte nicht in das übersichtliche, kleine Bild eines uniformen, disziplinierten Korps von Soldaten, die blind und ohne je kritische Fragen zu stellen ausführen, was die Hierarchie anordnet.“
Max du Preez hat eine Reihe interessanter Bücher geschrieben und herausgegeben, zuletzt 2011 Opinion Pieces by South African Thought Leaders, einen sehr lesenswerten aktuellen Sammelband mit Beiträgen renommierter Autoren wie Neville Alexander, Jonathan Jansen, Njabulo Ndebele und Carmel Rickard.
Als im April 2011 ein Mann an seine Bürotür in der Kapstädter Long Street klopfte, sich mit seinen Komplizen Handy und Laptop von du Preez schnappte und wegrannte, da verfolgte der gerade 60 gewordene die Diebe noch ein gutes Stück durch die Stadt, bis er aufgab. Später lobte er 7000 Rand, um wieder an die dort gespeicherten Daten zu kommen. Dazu gehörten zwei Kapitel und Recherchen für ein weiteres Buch über Nelson Mandela, das inzwischen erschienen ist (The Rough Guide to Nelson Mandela).
Streitbar und streitlustig wie er ist, hat sich du Preez natürlich auch zum Jubiläum des ANC geäußert, der sich am 8. Januar in Bloemfontein groß selbst gefeiert hat und selbstverständlich davon ausgeht, dass er allein legitimiert ist, das neue Südafrika zu regieren und das auch auf Dauer tun will.
„Der ANC ist mehr als eine politische Partei. Er steht für eine nationale Bewegung. Jeder Südafrikaner, der die Beendigung der Apartheid und der weißen Vorherrschaft unterstützt hat, ist Teil dieser Bewegung. Sie ist das Symbol unserer Befreiung und Emanzipation und deshalb unser aller Sache. Wenn nun der ANC im nächsten Monat sein hundertjähriges Bestehen feiert, dann sollten wir alle feiern.
Wenn man die Uhr etwas zurückdreht, dann könnte dieser Absatz von mir geschrieben worden sein. Ich habe lange die Ansicht vertreten, dass der ANC den Menschen dieses Landes gehört, nicht nur den eingeschriebenen Parteimitgliedern oder der gewählten gegenwärtigen Führung – genau so wie Albert Luthuli, Walter Sisulu, OR Tambo und Nelson Mandela uns allen gehören.
Schluß damit. Sollte ich einen Drink nehmen, wenn an seinem Geburtstag auf den ANC angestoßen wird, dann nur, um meine Traurigkeit zu ertränken, nicht um zu feiern.
Das Ansinnen des ANC, dass das ganze Land zusammen Party machen soll, um 100 Jahre ANC zu feiern, hat mich lange und grundsätzlich über meine frühere Haltung nachdenken lassen. Ich hatte starke Argumente dafür aufgefahren, dass die Bewegung etwas größeres sei als die Leute, die heute ihre Strukturen bestimmen, dass sie mehr sei als nur die gegenwärtige, von der Partei ernannte Regierung. In gewisser Weise sind wir alle ANC, jedenfalls all jene, die Freiheit, Fortschritt und zurückgegebene Würde wollen. Das hatte ich mir zurechtgelegt.
Der Niedergang der vergangenen Monate hat mir vor Augen geführt, wie falsch ich lag. Nicht dass der ANC in diesen wenigen Monaten verfault war, vielmehr ist die Hoffnungslosigkeit der Lage gerade glasklar geworden. Wir erleben die Manifestation von Jahren von Missbrauch, Mangel an Moral, Nepotismus, Korruption, Machthunger, Gier und Anspruchsdenken.
Es ist nicht der ANC, der da nächsten Monat in Bloemfontein teuren Whisky trinken und die Annehmlichkeiten der Macht zur Schau stellen wird. Der ANC ist in Wirklichkeit tot. Bei denen, die sich da feiern, handelt es sich lediglich um eine von Scharlatanen und machtbesoffenen Autokraten angeführte Partei, die sich des Namens des ANC bedient.“
Max du Preez: The real ANC is dead.
Nach dem Ende der Apartheid verantwortete er im SABC-Rundfunk das investigative Magazin Special Assignment, eine der wenigen sehenswerten Fernsehsendungen, wurde aber bald wegen Unbotmäßigkeit gefeuert. Er hat das in der ihm eigenen Art so kommentiert: „Ich passte nicht in das übersichtliche, kleine Bild eines uniformen, disziplinierten Korps von Soldaten, die blind und ohne je kritische Fragen zu stellen ausführen, was die Hierarchie anordnet.“
Max du Preez hat eine Reihe interessanter Bücher geschrieben und herausgegeben, zuletzt 2011 Opinion Pieces by South African Thought Leaders, einen sehr lesenswerten aktuellen Sammelband mit Beiträgen renommierter Autoren wie Neville Alexander, Jonathan Jansen, Njabulo Ndebele und Carmel Rickard.
Als im April 2011 ein Mann an seine Bürotür in der Kapstädter Long Street klopfte, sich mit seinen Komplizen Handy und Laptop von du Preez schnappte und wegrannte, da verfolgte der gerade 60 gewordene die Diebe noch ein gutes Stück durch die Stadt, bis er aufgab. Später lobte er 7000 Rand, um wieder an die dort gespeicherten Daten zu kommen. Dazu gehörten zwei Kapitel und Recherchen für ein weiteres Buch über Nelson Mandela, das inzwischen erschienen ist (The Rough Guide to Nelson Mandela).
Streitbar und streitlustig wie er ist, hat sich du Preez natürlich auch zum Jubiläum des ANC geäußert, der sich am 8. Januar in Bloemfontein groß selbst gefeiert hat und selbstverständlich davon ausgeht, dass er allein legitimiert ist, das neue Südafrika zu regieren und das auch auf Dauer tun will.
„Der ANC ist mehr als eine politische Partei. Er steht für eine nationale Bewegung. Jeder Südafrikaner, der die Beendigung der Apartheid und der weißen Vorherrschaft unterstützt hat, ist Teil dieser Bewegung. Sie ist das Symbol unserer Befreiung und Emanzipation und deshalb unser aller Sache. Wenn nun der ANC im nächsten Monat sein hundertjähriges Bestehen feiert, dann sollten wir alle feiern.
Wenn man die Uhr etwas zurückdreht, dann könnte dieser Absatz von mir geschrieben worden sein. Ich habe lange die Ansicht vertreten, dass der ANC den Menschen dieses Landes gehört, nicht nur den eingeschriebenen Parteimitgliedern oder der gewählten gegenwärtigen Führung – genau so wie Albert Luthuli, Walter Sisulu, OR Tambo und Nelson Mandela uns allen gehören.
Schluß damit. Sollte ich einen Drink nehmen, wenn an seinem Geburtstag auf den ANC angestoßen wird, dann nur, um meine Traurigkeit zu ertränken, nicht um zu feiern.
Das Ansinnen des ANC, dass das ganze Land zusammen Party machen soll, um 100 Jahre ANC zu feiern, hat mich lange und grundsätzlich über meine frühere Haltung nachdenken lassen. Ich hatte starke Argumente dafür aufgefahren, dass die Bewegung etwas größeres sei als die Leute, die heute ihre Strukturen bestimmen, dass sie mehr sei als nur die gegenwärtige, von der Partei ernannte Regierung. In gewisser Weise sind wir alle ANC, jedenfalls all jene, die Freiheit, Fortschritt und zurückgegebene Würde wollen. Das hatte ich mir zurechtgelegt.
Der Niedergang der vergangenen Monate hat mir vor Augen geführt, wie falsch ich lag. Nicht dass der ANC in diesen wenigen Monaten verfault war, vielmehr ist die Hoffnungslosigkeit der Lage gerade glasklar geworden. Wir erleben die Manifestation von Jahren von Missbrauch, Mangel an Moral, Nepotismus, Korruption, Machthunger, Gier und Anspruchsdenken.
Es ist nicht der ANC, der da nächsten Monat in Bloemfontein teuren Whisky trinken und die Annehmlichkeiten der Macht zur Schau stellen wird. Der ANC ist in Wirklichkeit tot. Bei denen, die sich da feiern, handelt es sich lediglich um eine von Scharlatanen und machtbesoffenen Autokraten angeführte Partei, die sich des Namens des ANC bedient.“
Max du Preez: The real ANC is dead.
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