Montag, 4. Oktober 2010

Begegnungen

- Tourismusbüro, Swellendam
Früher sei sie ganz schüchtern gewesen, erzählt die junge Coloured-Frau, aber der Job habe ihr Selbstvertrauen gegeben, und jetzt rede sie munter drauflos. Und so ist es. 25 Kilometer von Swellendam entfernt wohnt sie in einem kleinen Ort, und da soll auch so bleiben, sagt sie: Eine Großstadt wie Kapstadt sei nichts für sie, da müsse man immer aufpassen; in ihrem Ort müsse man die Haustür nicht abschließen, da kenne jeder jeden, und alle wohnten zusammen, nicht so getrennt nach Hautfarben wie in Swellendam, der drittältesten weißen Siedlung in Südafrika. Arbeitsplätze gibt es hier nicht so viele: Nein, viele aus dieser Gegend würden in Kapstadt arbeiten, dann aber auch dort leben, sagt die Frau im Tourismusbüro: „Die kommen dann nur alle zwei, drei Monate kurz nach Hause.“ Sie kommt jeden Tag mit dem Minibus-Taxi nach Swellendam zu ihrer Arbeitsstelle; 300 Rand kostet die Monatskarte, 15 Rand für eine Fahrt hin und zurück - das sei fair, findet sie.

- Kellnerin in Swellendam
„Oh, das ist ja nett!“, giggelte die Kellnerin in Swellendam, als sie unsere vier Bestellungen entgegennahm: Die Männer hatten denselben Geschmack, die beiden Frauen auch, nur einen anderen. Wir versicherten ihr, dass wir nur ihr Leben einfacher machen wollten. „Und das des Küchenchefs“, lachte sie und verschwand. Und als wir einen Nachtisch mit vier Löffeln bestellten, war das Gelächter noch größer. Als sie ihn servierte, hatte sie sich wirklich ernsthafte Gedanken darüber gemacht, wie der Malva-Pudding am besten gerecht in vier Teile aufgespalten werden konnte, und gab uns ausführliche Anweisungen.
Sie war Südafrikanerin und kam aus dem Free State. Zusammen mit ihrer Schwester war sie in Swellendam gelandet und glücklich, diesen Job ergattert zu haben. „Und wann sehen wir uns wieder – morgen abend?“, fragte sie, als sie die Rechnung brachte. Die ehrliche Antwort, wir seien morgen Abend schon wieder ganz woanders, wollte sie nicht akzeptieren und schüttelte ernst den Kopf: Das gehe nicht. Wir müssten doch wiederkommen!
So charmante Kellnerinnen sind auch ein guter Grund dafür!

- Der Diskjockey
Überall trifft man Deutsche, auch in vielen Guest-Häusern. Auch der junge Mann, der in Kapstadt abends seinen Laptop bearbeitete, sprach uns plötzlich auf Deutsch an. Es stellte sich schnell heraus, dass der Wiener als Diskjockey nach Südafrika gekommen war und am Computer seine Programme zusammenstellte. In Kapstadt hatte er schon gearbeitet, auch in Durban, und gerade war er aus Johannesburg zurückgekommen. DJ’s werden offenbar überall gebraucht. Südafrika sei toll, meinte er, aber in Johannesburg habe er sich nicht so richtig wohl gefühlt. Eigentlich sei er froh, da wieder heraus zu sein: Man müsse ständig aufpassen und sei immer nur in geschlossenen Autos unterwegs. Kein Wunder: Disk-Jockeys arbeiten ja vorzugsweise nachts…

- Die Journalistin
Beim Frühstück hatten wir mit dem südafrikanischen Ehepaar kurz unsere Tagespläne ausgetauscht, aber doch schon ein Bild hinterlassen: Am nächsten Morgen, beim zweiten, etwas intensiveren Gespräch sagte Ina, sie habe gleich vermutet, dass wir etwas mit Uni und Frauenpolitik zu tun hätten. Journalistin? Ah ja, das sei sie übrigens auch.
Das ausführliche Frühstück lohnte sich an diesem Morgen doppelt. Ina erzählte viele interessante Geschichten noch aus Apartheid-Zeiten – Geschichten von Einschränkung der Berichterstattung und von Zensur und davon, wie sie umgangen wurde. „Wir wussten einiges“, sagte Ina, „aber vieles durften wir nicht schreiben.“ Damit die Wahrheit wenigstens im Ausland bekannt wurde, wurden Informationen über die Grenze geschmuggelt - auch von der Journalistin Ina.
Haften geblieben ist die Geschichte mit dem Zopf: Als Weiße konnte Ina leicht reisen, wurde aber immer genau kontrolliert. Dass im Haarzopf aber oft ein kleiner Mikrofilm versteckt war, mit dem Informationen für den ANC geschmuggelt wurden, haben die Zöllner nicht geahnt…

- Zitronen-Farm, Clanwilliam
Mit Sack und Pack sind sie vor einem Jahrzehnt als Großfamilie aus Belgien ausgewandert, haben sich in Südafrika eine Farm gekauft und damit einen Lebenstraum erfüllt. Heute handeln sie immer noch mit Zitronen und haben manches Lehrgeld bezahlt, aber Esther ist sicher: „Nein, wir gehen nicht zurück!“ Um die Ernte müssen sie sich heute nicht mehr selbst kümmern: sie ist „outgesourct“, weil die Farm zu wenig abwarf und die hohen Lohnkosten für die Saisonarbeiter während der Erntezeit nicht vorgestreckt werden konnten, da die Händler die gelieferten Zitronen erst Monate später bezahlen. Jetzt besorgt dieses Geschäft eine große Firma. Farmen macht nicht unbedingt reich und ist harte Arbeit.

- Roiboos-Farm
Vor achteinhalb Jahren sind sie als Rentner nach Clanwilliam gekommen. Allerdings kannten Annette und Chris die Gegend gut: Annettes Eltern betrieben hier eine Roiboos-Farm. Die Rentner haben mittlerweile ein eigenes Geschäft: Sie sind ins Tourismusgeschäft eingestiegen. Chris ist ein sehr kundiger botanischer Führer durch die unheimlich reiche Pflanzenwelt der Zedernberge, Annette managt den Laden mit Roiboos-Produkten. „Das hier ist das Paradies“, sagen sie von ihrem Farmhaus, in dem sie auch zwei kleine Gästezimmer vermieten. Die Ruhe, die saubere Luft, der gesunde Roiboos – mit der Stadt wollen sie nicht mehr tauschen. Und abschließen muss man die Haustür auch nicht.

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