Freitag, 1. Oktober 2010

Simbabwer in Südafrika

Wie viele Simbabwer in Südafrika leben, weiß niemand. Deswegen existieren die wildesten Schätzungen - sie reichen bis hin zu zwei Millionen. Sicher ist: viele Frauen und Männer aus Südafrika haben hier Zuflucht und ein Auskommen gesucht, als sich die Situation in ihrem Land immer weiter verschlechterte. Es ist ein von der seit 1980 herrschenden Partei ZANU-PF inszenierter Niedergang.
Muff Andersson, die im simbabweschen Exil für den ANC gearbeitet hat, hatte uns auf der Buchmesse erzählt, was für ein landschaftlich blühendes Land das damals war. Der britische Diplomat Philip Barclay schreibt in seinem gerade veröffentlichen Simbabwe-Buch ("Zimbabwe - Years of Hope and Despair"), dass das ländliche Simbabwe noch 1998 die produktivste Landwirtschaft in ganz Afrika und möglicherweise der Welt hatte.
Man trifft in Südafrika jedenfalls viele Simbabwer - hier auf der Kloof Street den stets liebenswürdigen Innok, der aus Draht und Perlen Elefanten, Schüsseln, Schlüsselanhänger und vieles andere fertigt; Kellner in den Restaurants erzählen freimütig, wie viele andere Simbabwer in den benachbarten Etablissements tätig sind, darunter Lehrer und andere gut ausgebildete Menschen. Der simbabwesche Taxifahrer lacht, wenn er auf Mugabes Ausfälle angesprochen wird, nach der die Briten Schuld haben, wenn es in Simbabwe Cholera-Fälle gibt.
Ein Ort mit vielen Simbabwern ist De Doorns, 140 km östlich von Kapstadt an der Nationalstraße 1 gelegen. Allein beim Durchfahren meint man etwas von der Spannung zu spüren. Zu viele Häuschen und vor allen Dingen zu viele „shacks“, selbst gebaute Buden.
In die Kleinstadt im Zentrum der Obstindustrie sind in den neunziger Jahren viele Menschen zugewandert, aus dem Free State und aus Lesotho. Hinzu kamen später von den Farmern von ihrem Land verwiesene Arbeiter. Zu dieser wachsenden, aber arm gebliebenen Gruppe stießen dann nach 2002 noch Simbabwer. Die Farmer schätzen sie als Arbeiter, sagen, dass sie zuverlässig, umsichtig, höflich und ehrlich sind. Die Simbabwer blicken auf die weniger gewandten Südafrikaner herab und reden ganz ähnlich über die farbigen und schwarzen Mitbewerber wie die weißen Farmer: Sie tränken zu viel, lebten lieber von Sozialhilfe als von Arbeit, sparten nicht, und manche würden auch stehlen.
Eine explosive Mischung also - und dazwischen noch südafrikanische und simbabwesche Arbeitsvermittler, nur saisonale Beschäftigung und allenfalls schleppende „service delivery“ (Häuser, Wasser, Strom) durch die Behörden.
Am 17. November 2009 war es dann soweit: den Simbabwern in den shacks wurde unmissverständlich klar gemacht, dass sie sofort zu verschwinden hätten. Einige kamen auf Farmen unter, andere fanden weiter weg Unterschlupf, aber eine große Zahl wurde in Zelten auf dem Sportplatz untergebracht.
Jetzt sollen die Zelte geräumt und die verschreckten Bewohner „reintegriert“ werden.
Doch die Probleme sind noch die alten. Südafrika hat dieser Tage angekündigt, ab Ende des Jahres wieder Simbabwer zu deportieren, die ohne gültige Papiere aufgegriffen werden. Zur Begründung verwies die Regierung u.a. auf die von ihr erzwungene Zwangskoalition in Harare und die angeblich verbesserten Zustände im Land. Dem kann die simbabwesche Regierung natürlich nicht so recht widersprechen, aber Finanzminister Tendai Biti konnte es sich nicht verkneifen, die Südafrikaner als undankbar zu schelten, hätte man ihren Kampf gegen Apartheid doch über viele Jahre unterstützt.
Doch wie sollen die vielen Flüchtlinge und Migranten zu Pässen kommen? Die kosteten bisher 140 US-Dollar, waren also fast unerschwinglich. Jetzt ist der Preis auf 50 US-Dollar gesenkt worden, es sollen Ausgabestellen eingerichtet werden.
Die simbabwesche Regierung unter Robert Mugabe hat die Abstimmung mit den Füssen nicht gestört. Philip Barclay zitiert den Mugabe-Minister Didymus Mutasa mit den Worten: „Mit nur sechs Millionen Leuten würde es uns besser gehen, wenn da die sind, die den Befreiungskampf unterstützt haben.“ Da die im Ausland lebenden Simbabwer kein Wahlrecht haben, hat der Exodus auch geholfen, Mugabe an der Macht zu bleiben.
Die Simbabwer kehren in eine ungewisse Zukunft zurück. Die Koalition ist wackelig, die in Aussicht genommene Wahl (die das Movement for Democratic Change von Morgan Tsvangirai wahrscheinlich gewinnen würde) könnte zu neuer Gewalt führen, und manche der nun an der Macht beteiligten MDC-Funktionäre erweisen sich ebenfalls als korruptionsanfällig bzw. bewilligen sich exorbitante Gehälter; von bis zu 15.000 US-Dollar im Monat schreibt der „Mail & Guardian“. Philip Barclay, der der den Kampf des MDC mit so viel Sympathie beschrieben hat, resümiert am Ende seines Buches über die Perspektiven der Einheitsregierung: „Das Land wird in manchen Gebieten wahrscheinlich langsame und bescheidene Reformschritte gehen, aber die Regierungsbeteiligung zieht den MDC auf das Niveau der ZANU-PF herab.“

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