Freitag, 22. April 2011

Polizeigewalt

(la/rwl) Das Bild hat in Südafrika Schockwellen ausgelöst: Ein unbewaffneter Demonstrant, der bei einer Protestkundgebung in der Kleinstadt Ficksburg (Orange Free State) einen alten Mann vor Übergriffen der Polizei schützen wollte, war von Polizisten verprügelt und aus nächster Nähe zweimal angeschossen worden - er starb in den Armen seines Freundes, Minuten nach dieser Aufnahme. Die Bilder liefen abends in den Hauptnachrichten als Aufmacher: Posthum ist Andries Tatane berühmt geworden.
Seit einer Woche wird der Fall heftig diskutiert. „Delivery protests“ sind zahlreich, Polizeiübergriffe auch - den Tod eines Demonstranten aber konnte man noch nie im Fernsehen miterleben. Auch ANC-Sprecher Jackson Mthembu fühlte sich an die finstersten Zeiten der Apartheid erinnert, als die Polizei Demonstrationen ohne Rücksicht auf Menschenrechte niederknüppelte.
Jetzt ist die grundsätzliche Kritik an den Sicherheitskräften ein Thema der Medien: Die Polizei ist in den vergangenen Jahren militarisiert worden, aus „Police Service“ wurde „Police Force“, Polizeichef Cele hat die Beamten mit militärischen Dienstgraden versehen, nennt sich selbst „General“ und ermuntert im „Krieg gegen die Kriminalität“ zum schnellen Gebrauch von Schusswaffen. Die frühe Mahnung von ANC-Veteran Kader Asmal, nach der Verfassung sei die Polizei ein Diener der Bürger und nicht ihr Gegner, stieß damals auf taube Ohren.
Heute, so beklagt die „Sunday Times“, scheine die Polizei die Verfassung als Hindernis für eine effektive Polizeiarbeit zu begreifen. Und der „Sunday Independent“ fragt bitter, wann die ANC-Regierung endlich aufwache und begreife, dass „General“ Cele „einen Haufen wilder Hunde“ heranzüchte.
Die Anwendung exzessiver Gewalt im Polizeialltag sei seit langem normal, schreibt Gareth Newham vom renommierten Institute for Security Studies in Pretoria; die aufrüttelnden Fernsehbilder vom Tod Andries Tatanes haben dies nur öffentlich bewusst gemacht. Das für Polizeiübergriffe eingerichtete „Independent Complaints Directorate“ hat in den vergangenen Jahren eine wachsende Zahl von Übergriffen und Todesfällen gezählt. Jetzt soll es die Hintergründe untersuchen; sechs Polizisten von Ficksburg sind vorläufig festgenommen. Beim ersten Auftritt vor Gericht mussten sie vor wütenden Bürgerinnen und Bürgern geschützt werden.
Bis die südafrikanische Polizei nicht nur gefürchtet, sondern von den Bürgern auch wieder respektiert wird, scheint noch ein langer Weg. Es wäre sehr traurig, hat „Business Day“-Chefredakteur Peter Bruce an diesem Montag geschrieben, wenn Polizeichef Cele am Ende dieser Woche noch Polizeichef wäre. Wie nicht anders zu erwarten, ist er aber weiterhin im Amt.

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