Samstag, 19. Mai 2012

Eine seltsame Machtallianz

Die Regierungspartei ANC befindet sich in einer „Allianz“ mit dem Gewerkschaftsverband COSATU und der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP). Gern rechnet sich auch noch ein Dachverband von Bürgerinitiativen (Sanco) dazu, dann ist auch schon mal von dreieinhalb Allianzpartnern die Rede. Das ist eine ungewöhnliche, fast möchte man sagen, in einer Demokratie unmögliche Verbindung. Die Kommunistische Partei z.B. stellt sich gar nicht zur Wahl, ist aber über den ANC im Parlament und in der Regierung vertreten, sogar in den Reihen des ANC selbst. Und bei der Aufstellung der Kandidatenlisten des ANC wird auch darauf geachtet, dass COSATU angemessen berücksichtigt wird.

Begründen lässt sich diese Allianz nicht, man kann sie aber aus der Geschichte des Landes erklären. Der 1912 gegründete ANC und die wenig später entstandene SACP haben manchmal untereinander gestritten, häufig aber miteinander gegen den Apartheidstaat gekämpft. Die SACP hatte sich schon sehr früh für Menschen aller Hautfarben geöffnet, in ihren Reihen gab es viele interessante Persönlichkeiten, sie galt über Jahrzehnte als die Denkfabrik des ANC (den sie damit auch in manche ideologische Sackgassen gelockt hat). Die Gewerkschaften waren eine mächtige und erfolgreiche Kraft der Opposition gegen Apartheid. Die großen Streiks von 1973 haben – zusammen mit dem Aufstand der Jugend 1976 – das Ende der Apartheid eingeläutet. Heute vertritt der Dachverband COSATU fast zwei Millionen Menschen – doppelt so viele als der ANC Mitglieder hat. Gelegentlich spricht man deshalb von den „Muskeln“ des ANC.

Im Widerstand gegen Apartheid haben sich in den achtziger Jahren auch die sog. „civics“ hervorgetan, Bürgerbewegungen gegen die Segregationspolitik und die Menschenrechtsverletzungen des Regimes. Sanco ist ihr - heute relativ bedeutungsloser - Dachverband, denn die civics haben sich ab 1994 weitgehend vom ANC kooptieren lassen. Überhaupt ist von der einst so lebendigen Szene der Bürgerorganisationen heute nicht mehr viel übrig. Erst in den vergangenen Jahren haben sich wieder neue formiert, die auf Missstände und Regierungsvorhaben reagieren: in Bewegungen der shack dwellers (Abahlali BaseMjondolo, www.abahlali.org), in einer Koalition zum Schutz der (beeindruckenden) Verfassung (Council for the Advancement of the Constitution, CASAC, www.casac.org.za) und gegen die Protection of Information Bill, die den Besitz, die Weitergabe oder die Veröffentlichung von als „geheim“ deklarierten Informationen mit hohen Strafen bedroht (Right to Know Campaign, www.r2k.org.za).

Trotz der heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der Allianz über die „korrekte“ (ein im ANC beliebtes Wort) politische Linie und den damit verbundenen Streit um das Führungspersonal, wird sie wohl noch eine Weile bestehen bleiben - nützt sie doch der SACP (die sich bisher nie einem Wählervotum stellen musste), COSATU (dem sie massiven Einfluss in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik verschafft ) und schließlich dem ANC selbst (der so organisatorisch gestützt wird). Für das Land selbst erweist sich diese im „struggle“ begründete Allianz allerdings als eine Verbindung, die eher den Beteiligten nutzt als „dem Volk dient“.

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