Samstag, 5. Mai 2012

Begegnungen

Marie
„Hallo, ich heiße Marie“, sagte die große Blondine und gab mir freundlich die Hand. Auf Englisch klingt das noch netter, und ich versuchte, mich und mein Anliegen ebenso freundlich vorzustellen. Marie geleitete mich zu einem Stuhl, ich setzte mich, und dann legte sie mich flach – und noch etwas flacher: Zahnarztstühle können einen in die unmöglichsten Lagen versetzen.
Eine Krone war mir herausgefallen, und Marie sollte sie mir wieder einsetzen. Dass ich im Besitz einer Kreditkarte war, verschaffte mir den Eintritt in die Praxis, ein Termin war schnell gemacht – für Barzahler ist das südafrikanische Gesundheitswesen ziemlich effizient.
Die Wartezeit war kurz - und sie hat auch gar nicht gebohrt. Mit einigen „sorry for that“ untersuchte Marie das Malheur ziemlich gründlich, jeder Handgriff wurde kurz angekündigt, und ein gemurmeltes „we are almost there“ kündete vom nahen Ende der Behandlung. Nach 25 Minuten (inklusive Warten) war die Krone wieder an ihrem Platz, die Rechnung ausgestellt und die Praxis um 50 Euro reicher.
Zum Abschied hat mir Marie noch einmal zugelächelt. Fast schade, dass ich sie wohl nicht wiedersehen werde.

„Fellow Seat“
„Hi, my fellow seat“, ruft mir die unbekannte junge Frau im Artscape-Theater zu, als sie den Sitz neben mir ansteuert, sich im Schneidesitz auf ihm niederlässt und gelassen ihre Bierdose öffnet. Ein Opernbesuch in Kapstadt bringt immer wieder Überraschungen.
Das Artscape brachte in dieser Woche vier Aufführungen einer neuen afrikanischen Oper, komponiert von Neo Muyanga, einem Multitalent, das in Triest studiert hat und in „The Flower of Shembe“ ein mythisches Zulu-Märchen von Herrschern, Sklaven und Befreiung erzählt. Seine Musik ist stark von traditionellen Zulu-Gesängen inspiriert, reicht aber bis hin zu Andrew Lloyd Webber. 15 Minuten vor Beginn der Aufführung, als wir mit deutscher Pünktlichkeit eintreffen, ist der Saal völlig leer, fünf Minuten vorher denke ich, dass es eigentlich schade ist, wie wenig das Publikum solch ein Angebot annimmt, dann kommt mein „fellow seat“, und alsbald ist das Parkett fast völlig besetzt.
Von der Oper verstehe ich nur wenig, nach einer guten Stunde ist die Befreiung vollzogen, der Beifall herzlich, aber – wie immer in Kapstadt – nur kurz, und mein „fellow seat“ lässt Bierdose und angefangene Stulle beim schnellen Abgang liegen. Ihr Freund kehrt aber noch einmal zurück und sammelt das alles ein: Ende gut, alles gut!.

Tanken
Als wir heute Abend bei der Tankstelle anhalten, ist wenig Betrieb. Wir werden mit großem Hallo empfangen, und gleich fünf Tankwarte kümmern sich um uns – vier um die Scheiben, einer ums Benzin. Der Literpreis ist gerade wieder einmal kräftig gestiegen; ein Liter Super kostet jetzt umgerechnet 1,10 €, sehr zum Leidwesen der Autofahrer. Aber noch immer nehmen die Tankwarte einem alle Arbeit ab. Als einer an die Scheibe meiner Seitentür klopft und ich mich etwas irritiert zu ihm umdrehe, spritzt er mit Wasser mich voll, nein, natürlich die hochgedrehte – und jetzt zu säubernde – Scheibe, und freut sich diebisch. Klar, dass die Mannschaft ein ordentliches Trinkgeld bekommt – davon leben sie schließlich weitgehend.

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