Gut vier Wochen haben wir hier noch – und heute fand ich ein schönes Zitat über Kapstadt, das gut als Zwischenbilanz passt. Es stammt von Rian Malan, Spross einer alten südafrikanischen Burenfamilie. Malan ist hierzulande eine „Edelfeder“, ein Reporter im Stil von Hunter S. Thompson – Einzelkämpfer, umstritten, meinungsstark und wortmächtig. Eine Type (wir haben ihm auf der Buchmesse in Kapstadt in einem workshop gesehen und ihm kurz die Hand geschüttelt). Seine im vergangenen Jahr erschienene Zusammenstellung von Reportagen ist ein Lesevergnügen – und über Kapstadt schreibt der Johannesburger:
„You must understand that Jo’burgers regard moving to Cape Town as an admission of defeat. We think of it as a fool’s paradise where trendies sip white wine on seaview terraces, congratulating each other for finding the last corner of Africa that is immune to chaos and madness. ‘It’s like Europe or America’, (my wife) said, ‘only better’.
This is true. Cape Town is impossible beautiful, improbably clean, and overrun in summer by crews shooting international TV commercials. …
Live in Cape Town long enough and you lose interest in the outside world.” (zitiert nach Rian Malan, Resident Alien, Johannesburg & Cape Town 2009)
Ende Oktober wird es Zeit, dass wir wieder in unsere andere Welt eintauchen…
Südafrika-Tagebuch aus einem Land, das gut zwei Jahrzehnte nach Ende der Apartheid noch immer vor schwierigen Problemen steht: Beobachtungen aus Kapstadt und umzu.
Mittwoch, 29. September 2010
Die Banken und das Geld
Südafrikanische Banken sind ein lohnendes Thema. Heute wollten wir Geld tauschen, um unsere B&Bs bezahlen zu können – ein kleines Abenteuer. Mit seinen Banknoten zur Bank gehen und Euros in Rand tauschen? Nicht so einfach! Die Absa-Filiale im Garden Center kann das nicht und schickt ihre Kunden zu American Express, einige Läden weiter. Die Nedbank-Filiale hat einen Schalter „Foreign Exchange“, will aber nur für ausgewählte Kunden exchangen: „Wir geben ihnen einen sehr guten Kurs“, sagt die Schalterdame, „aber sie müssen ein Konto bei uns haben.“
Also American Express. Die Schlange ist etwas länger, und vor uns ist eine weiße Südafrikanerin, die mit dem American-Express-Angestellten auf gutem Fuß ist. „I’m fine“, meint sie auf die höfliche Frage, wie es ihr gehe – falls sie sich beklagen solle, würde sie ja den ganzen Tag nicht aus dem Laden herauskommen. Und als sie ihre Scheine erhalten hat, meint sie zum Angestellten: „I’m not through with you“, und schiebt ihm eine Tafel Schokolade über den Tresen. „He’s so sweet“, zwinkert sie uns zu, und zu ihm und zu uns sagt sie, als nächstes bekomme er etwas Nettes von den Deutschen.
Mit Karte bezahlen geht dagegen fast überall – nur bei den meisten Tankstellen nicht. Kreditkarten hat hierzulande jeder – schon ganz früh. Als wir einen Stock über der Absa-Bank in einem Laden Zeitungen kaufen, kommt ein etwa zehnjähriges Mädchen zum Tresen und schiebt eine Plastikkarte rüber. Die Dame an der Kasse schaut etwas amüsiert, aber es ist eine richtige Karte. Sehr ernsthaft, aber auch mit großer Selbstverständlichkeit malt das Mädchen ihre Unterschrift auf den Bon und geht zurück zur Mutter. Eine richtige Kreditkarte, fragen wir? „Jawohl – eine unbegrenzte Kreditkarte! So etwas würden meine Kinder niemals bekommen!“, ist die leicht verblüffte Antwort.
Karten gibt es aber dennoch nicht für jeden. Ausländer wie wir bekommen für ihr südafrikanisches Konto erst nach langer Bewährungszeit, und Renate ist unheimlich stolz, dass sie nach 11 Jahren jetzt eine Absa-Plastikkarte bekommen hat, mit der frau jetzt auch bezahlen und kleinere Beträge vom Bargeld-Automaten abheben kann. Sogar Euros in Europa. Für größere Summen muß man aber immer noch persönlich zur Bank. Und wird dann zur Sicherheit noch mal gefragt, wo man in Deutschland wohnt, wer Vollmacht hat und wie viel Geld auf dem Konto ist.
Als wir dieses Jahr eine rechnung bezahlen lassen wollen, fragt der Bankbeamte wie immer zuerst nach dem Paß. Den vorgelegten will er aber nicht akzeptieren: Er hat noch den alten, mittlerweile abgelaufenen Reisepass in seinem Computer, und der neue hat eine ganz andere Nummer. Nein, er will den alten Pass sehen. Abgelaufen und eingezogen, erklären wir – lange Pause. Dieser Fall ist nicht vorgesehen. Eigentlich müssen wir den alten und den neuen Paß vorlegen, und dann kann die Bank ihre Daten aktualisieren. Also: Kein Bargeld von der Bank.
Die Lösung: Wir hatten unsere alten Pässe eingescannt, lassen uns die Datei schicken und drucken hier die Seiten aus. Obwohl sie nicht von einem südafrikanischen Notar beglaubigt sind, reichen sie der Bank als Nachweis aus – und jetzt stehen die neuen Daten im Computer.
Also American Express. Die Schlange ist etwas länger, und vor uns ist eine weiße Südafrikanerin, die mit dem American-Express-Angestellten auf gutem Fuß ist. „I’m fine“, meint sie auf die höfliche Frage, wie es ihr gehe – falls sie sich beklagen solle, würde sie ja den ganzen Tag nicht aus dem Laden herauskommen. Und als sie ihre Scheine erhalten hat, meint sie zum Angestellten: „I’m not through with you“, und schiebt ihm eine Tafel Schokolade über den Tresen. „He’s so sweet“, zwinkert sie uns zu, und zu ihm und zu uns sagt sie, als nächstes bekomme er etwas Nettes von den Deutschen.
Mit Karte bezahlen geht dagegen fast überall – nur bei den meisten Tankstellen nicht. Kreditkarten hat hierzulande jeder – schon ganz früh. Als wir einen Stock über der Absa-Bank in einem Laden Zeitungen kaufen, kommt ein etwa zehnjähriges Mädchen zum Tresen und schiebt eine Plastikkarte rüber. Die Dame an der Kasse schaut etwas amüsiert, aber es ist eine richtige Karte. Sehr ernsthaft, aber auch mit großer Selbstverständlichkeit malt das Mädchen ihre Unterschrift auf den Bon und geht zurück zur Mutter. Eine richtige Kreditkarte, fragen wir? „Jawohl – eine unbegrenzte Kreditkarte! So etwas würden meine Kinder niemals bekommen!“, ist die leicht verblüffte Antwort.
Karten gibt es aber dennoch nicht für jeden. Ausländer wie wir bekommen für ihr südafrikanisches Konto erst nach langer Bewährungszeit, und Renate ist unheimlich stolz, dass sie nach 11 Jahren jetzt eine Absa-Plastikkarte bekommen hat, mit der frau jetzt auch bezahlen und kleinere Beträge vom Bargeld-Automaten abheben kann. Sogar Euros in Europa. Für größere Summen muß man aber immer noch persönlich zur Bank. Und wird dann zur Sicherheit noch mal gefragt, wo man in Deutschland wohnt, wer Vollmacht hat und wie viel Geld auf dem Konto ist.
Als wir dieses Jahr eine rechnung bezahlen lassen wollen, fragt der Bankbeamte wie immer zuerst nach dem Paß. Den vorgelegten will er aber nicht akzeptieren: Er hat noch den alten, mittlerweile abgelaufenen Reisepass in seinem Computer, und der neue hat eine ganz andere Nummer. Nein, er will den alten Pass sehen. Abgelaufen und eingezogen, erklären wir – lange Pause. Dieser Fall ist nicht vorgesehen. Eigentlich müssen wir den alten und den neuen Paß vorlegen, und dann kann die Bank ihre Daten aktualisieren. Also: Kein Bargeld von der Bank.
Die Lösung: Wir hatten unsere alten Pässe eingescannt, lassen uns die Datei schicken und drucken hier die Seiten aus. Obwohl sie nicht von einem südafrikanischen Notar beglaubigt sind, reichen sie der Bank als Nachweis aus – und jetzt stehen die neuen Daten im Computer.
Dienstag, 21. September 2010
Was ist aus dem ANC geworden?
"African National Congress" - die fast 100 Jahre alte ehemalige Befreiungsbewegung hat sich in den Verhandlungen über die Zukunft des Landes und bei der Ausarbeitung der 1996 verabschiedeten Verfassung hohen Respekt erworben. Viele arme Südafrikaner haben ihr vertraut, dass sie Jobs schafft, für Essen auf dem Tisch sorgt und Häuser baut - so die Slogans für die erste freie Wahl 1994, die der ANC - wie alle folgenden auch - mit sehr komfortabler Mehrheit gewonnen hat. Nur in der Provinz Western Cape regiert die Democratic Alliance unter Helen Zille.
Für was aber steht der ANC heute? Zum Auftakt des National General Council, einer großen Versammlung zwischen den noch größeren Parteitagen, veröffentlichte die Sonntagszeitung „City Press“ einen Leitartikel. Seine erste Hälfte würdigt die oben angedeuteten Verdienste, die zweite beschäftigt sich mit dem heutigen Zustand der Partei. „Am Vorabend ihres National General Council (NGC) ist der ANC weniger eine Partei im Dienst der Menschen des Landes als eine Organisation, die von internem Streit und Eigeninteressen bestimmt wird." Kann sie wirklich noch den Anspruch erheben, eine Bewegung für Südafrika und die Südafrikaner zu sein? Beim NGC wird es ihr nicht gelingen, eine Mehrheit für das sogenannte Kader-gesetz zu finden, das es politischen Amtsträgern untersagen soll, auf der Ebene der Stadt/-Kreisverwaltungen eine Stelle anzunehmen. Genau das hat die Korruption im ANC heimisch werden lassen und öffentliche Dienstleitungen behindert. Weil die Partei nun im Griff dieser Eigeninteressen vieler Mitglieder ist, wird Präsident Zuma diesen Gesetzesvorschlag wahrscheinlich nicht durchbringen.
Die Debatten über die Wirtschaftspolitik, vom Radikalismus des Gewerkschaftsverbandes COSATU und den Nationalisierungsbemühungen der Jugendorganisation des ANC formuliert und vorgetragen, sind ebenfalls ein Ausdruck spezieller und eigener Interessen. Der Gewerkschaftsverband verkämpft sich in Schlachten, die er bereits in den späten achtziger Jahren verloren hat, wenn er für höhere Steuern und Währungskontrolle ficht. Die Jugendliga des ANC tritt für die unter Druck geratenen schwarzen Minenbesitzer an, die den Staat brauchen, um ihre hochverschuldeten Beteiligungen wieder flott zu machen.
Der sich diese Woche in Durban versammelnde ANC scheint sich wenig um Bildung, Jobs und das öffentliche Gesundheitswesen zu sorgen - die drei Dinge, die für die Mehrheit der Südafrikaner am wichtigsten sind. Handelt es sich wirklich um eine in den Massen verankerte Partei oder nur um ein Sammelbecken für spezielle Interessen?“
Peter Bruce, der Chefredakteur des „Business Day“, der jeden Montag eine lesenswerte Kolumne schreibt („The Thick Ende of the Wedge“) formuliert sogar noch schärfer (was auf English noch besser herauskommt): „Gone (until further notice) is the thoughtful liberation movement. In its place is a nationalist throng intent on plunder whilst lying through its teeth to the masses how much it cares about them.”
Für was aber steht der ANC heute? Zum Auftakt des National General Council, einer großen Versammlung zwischen den noch größeren Parteitagen, veröffentlichte die Sonntagszeitung „City Press“ einen Leitartikel. Seine erste Hälfte würdigt die oben angedeuteten Verdienste, die zweite beschäftigt sich mit dem heutigen Zustand der Partei. „Am Vorabend ihres National General Council (NGC) ist der ANC weniger eine Partei im Dienst der Menschen des Landes als eine Organisation, die von internem Streit und Eigeninteressen bestimmt wird." Kann sie wirklich noch den Anspruch erheben, eine Bewegung für Südafrika und die Südafrikaner zu sein? Beim NGC wird es ihr nicht gelingen, eine Mehrheit für das sogenannte Kader-gesetz zu finden, das es politischen Amtsträgern untersagen soll, auf der Ebene der Stadt/-Kreisverwaltungen eine Stelle anzunehmen. Genau das hat die Korruption im ANC heimisch werden lassen und öffentliche Dienstleitungen behindert. Weil die Partei nun im Griff dieser Eigeninteressen vieler Mitglieder ist, wird Präsident Zuma diesen Gesetzesvorschlag wahrscheinlich nicht durchbringen.
Die Debatten über die Wirtschaftspolitik, vom Radikalismus des Gewerkschaftsverbandes COSATU und den Nationalisierungsbemühungen der Jugendorganisation des ANC formuliert und vorgetragen, sind ebenfalls ein Ausdruck spezieller und eigener Interessen. Der Gewerkschaftsverband verkämpft sich in Schlachten, die er bereits in den späten achtziger Jahren verloren hat, wenn er für höhere Steuern und Währungskontrolle ficht. Die Jugendliga des ANC tritt für die unter Druck geratenen schwarzen Minenbesitzer an, die den Staat brauchen, um ihre hochverschuldeten Beteiligungen wieder flott zu machen.
Der sich diese Woche in Durban versammelnde ANC scheint sich wenig um Bildung, Jobs und das öffentliche Gesundheitswesen zu sorgen - die drei Dinge, die für die Mehrheit der Südafrikaner am wichtigsten sind. Handelt es sich wirklich um eine in den Massen verankerte Partei oder nur um ein Sammelbecken für spezielle Interessen?“
Peter Bruce, der Chefredakteur des „Business Day“, der jeden Montag eine lesenswerte Kolumne schreibt („The Thick Ende of the Wedge“) formuliert sogar noch schärfer (was auf English noch besser herauskommt): „Gone (until further notice) is the thoughtful liberation movement. In its place is a nationalist throng intent on plunder whilst lying through its teeth to the masses how much it cares about them.”
Das beste Frühstück im Western Cape
„Wir bieten das beste Frühstück aller B&Bs in Kapstadt an“, sagt Chris unter Verweis auf ihren schweizerisch-südafrikanischen Hintergrund. „Bei uns gibt es das beste Frühstück im Western Cape“, behauptet der vor 45 Jahren nach Südafrika eingewanderte Franke Gerhard in Montagu. „Was uns auszeichnet, ist das großzügige, gesunde Frühstück“ - so heißt es fast in jeder Selbstbeschreibung der kleinen Gästehäuser.
Und sie haben alle Recht. Bei Chris gibt es nicht nur (in Südafrika teuren) Käse, sondern auch verschiedene Brotsorten und frische Früchte. Gerhard präsentiert den hauchdünnen Eierkuchen mit Nürnberger Rostbratwürsten (“die macht ein Afrikaaner in der nächsten Stadt, der glaubt, alles Gute kommt aus Deutschland“) und seine Frau, Baroness Iris, hat frisches Aprikosenkompott mit ganz feinem und auch selbstgemachtem Gebäck dazu gestellt. Bei Angelique am Strand von Yzerfontein ist der Tisch jeden Morgen in anderen Farben und mit erlesenen Porzellan gedeckt, in der Old Mill Lodge gibt es frisch gebackene Käse-Scones und einen Heizlüfter neben dem Stuhl, damit man es schön warm hat. Bei Joan in Clanwilliam kann man zwischen drei Sorten Toast wählen, der gebräunt an den Platz gebracht wird.
Mit anderen Worten: Das Übernachten in den kleinen Familienbetrieben ist angenehm. Und fast immer ergeben sich interessante Gespräche mit den Gastgebern und den anderen Besuchern. Nur preiswert ist es längst nicht mehr, manchmal regelrecht teuer. Vor Jahren hieß es, dass Südafrika als Reiseland 30 Prozent billiger sei als Deutschland. Derzeit ist manches, wenn auch nicht alles, so teuer wie bei uns.
Das liegt zum einen an dem starken Rand, zum anderen aber auch an der Preispolitik in Südafrika. Getragen von der Popularität ihres Landes haben Gästehäuser und Hotels die Preise weit stärker erhöht als die Inflation Prozentpunkte hatte. Für die Zeit der WM hatten sie die Preise so weit heraufgesetzt, dass am Ende viele teure Hotelzimmer leer blieben, während die preiswerten backpackers voll waren.
Jetzt wird auch hier kritisch über die für viele Mittelschichtgäste aus Übersee zu hohen Preise diskutiert. Selbst der Tourismusminister Marthinus von Schalkwyk hat dieser Tage gesagt, dass man noch mehr Besucher ins Land locken könnte, wenn man die Übernachtungspreise angemessen („right“) gestalten würde. Das Land hat im Vorfeld der WM viel in die Infrastruktur investiert und will nun das verbesserte Image nutzen, um die Zahl der Gäste im Jahr 2015 auf 13.5 Millionen zu steigern. Im Ranking der Länder liegt Südafrika nach der Statistik von „Brand Finance“ nun auf Platz 40 - vor Portugal, Argentinien und Neuseeland.
Mit den Personalkosten lassen sich die hohen Preise nicht begründen. Eine Hausangestellte verdient gerade 150 Euro im Monat, und eine Insiderin der Hotelwirtschaft hat uns erzählt, dass die großen Betriebe die Reinigung der Räume „outgesourct“ haben, d.h. auch nur so viele Zimmer täglich warten lassen, wie sie gerade Gäste haben. Hier in Kapstadt zahlt eine Hotelkette der Reinigungsfirma gerade mal 9,99 Rand, also etwas mehr als einen Euro für ein Zimmer.
Und sie haben alle Recht. Bei Chris gibt es nicht nur (in Südafrika teuren) Käse, sondern auch verschiedene Brotsorten und frische Früchte. Gerhard präsentiert den hauchdünnen Eierkuchen mit Nürnberger Rostbratwürsten (“die macht ein Afrikaaner in der nächsten Stadt, der glaubt, alles Gute kommt aus Deutschland“) und seine Frau, Baroness Iris, hat frisches Aprikosenkompott mit ganz feinem und auch selbstgemachtem Gebäck dazu gestellt. Bei Angelique am Strand von Yzerfontein ist der Tisch jeden Morgen in anderen Farben und mit erlesenen Porzellan gedeckt, in der Old Mill Lodge gibt es frisch gebackene Käse-Scones und einen Heizlüfter neben dem Stuhl, damit man es schön warm hat. Bei Joan in Clanwilliam kann man zwischen drei Sorten Toast wählen, der gebräunt an den Platz gebracht wird.
Mit anderen Worten: Das Übernachten in den kleinen Familienbetrieben ist angenehm. Und fast immer ergeben sich interessante Gespräche mit den Gastgebern und den anderen Besuchern. Nur preiswert ist es längst nicht mehr, manchmal regelrecht teuer. Vor Jahren hieß es, dass Südafrika als Reiseland 30 Prozent billiger sei als Deutschland. Derzeit ist manches, wenn auch nicht alles, so teuer wie bei uns.
Das liegt zum einen an dem starken Rand, zum anderen aber auch an der Preispolitik in Südafrika. Getragen von der Popularität ihres Landes haben Gästehäuser und Hotels die Preise weit stärker erhöht als die Inflation Prozentpunkte hatte. Für die Zeit der WM hatten sie die Preise so weit heraufgesetzt, dass am Ende viele teure Hotelzimmer leer blieben, während die preiswerten backpackers voll waren.
Jetzt wird auch hier kritisch über die für viele Mittelschichtgäste aus Übersee zu hohen Preise diskutiert. Selbst der Tourismusminister Marthinus von Schalkwyk hat dieser Tage gesagt, dass man noch mehr Besucher ins Land locken könnte, wenn man die Übernachtungspreise angemessen („right“) gestalten würde. Das Land hat im Vorfeld der WM viel in die Infrastruktur investiert und will nun das verbesserte Image nutzen, um die Zahl der Gäste im Jahr 2015 auf 13.5 Millionen zu steigern. Im Ranking der Länder liegt Südafrika nach der Statistik von „Brand Finance“ nun auf Platz 40 - vor Portugal, Argentinien und Neuseeland.
Mit den Personalkosten lassen sich die hohen Preise nicht begründen. Eine Hausangestellte verdient gerade 150 Euro im Monat, und eine Insiderin der Hotelwirtschaft hat uns erzählt, dass die großen Betriebe die Reinigung der Räume „outgesourct“ haben, d.h. auch nur so viele Zimmer täglich warten lassen, wie sie gerade Gäste haben. Hier in Kapstadt zahlt eine Hotelkette der Reinigungsfirma gerade mal 9,99 Rand, also etwas mehr als einen Euro für ein Zimmer.
Sonntag, 19. September 2010
Von der (NRW-)CDU lernen
In der kommenden Woche findet in Durban der National General Council des ANC statt. Die Hotels reiben sich schon die Hände über das gute Geschäft mit den Delegierten. Und auch die Partei selbst will Kasse machen. Wirtschaftsbosse sind eingeladen, exklusiv mit dem Präsidenten und seinen Ministern sprechen. Dafür wird dann allerdings ein größerer Betrag fällig. Um mit dem Parteivorsitzenden Zuma zu sprechen, muss man schon eine halbe Million Rand auf den Tisch legen. Der wackere Chris Barron hat dazu in der "Sunday Times“ Renier Schoemann interviewt, den ANC-Initiator dieser privilegierten Kontaktpflege. (Über Kontakte von Schoemann zur nordrhein-westfälischen CDU ist hier übrigens nichts bekannt.)
F: Wofür bezahlen sie dann eigentlich?
A: Für die Gelegenheit, mit der politischen Führung zu sprechen.
F: Warum müssen sie denn dafür bezahlen?
A: Sie müssen nicht bezahlen, sie wollen bezahlen. Sie sind dazu bereit.
F: Bezahlen sie nicht tatsächlich für Informationen, die ihnen dazu verhelfen können, Aufträge der Regierung zu bekommen?
A: Das hat nun wirklich überhaupt keinen Einfluß darauf und keine Beziehung zu Regierungsaufträgen.
F: Warum sollen Wirtschaftsbosse dann 500 000 herausrücken, um mit dem Präsidenten an einem Tisch zu sitzen?
A: Das Ganze findet auf zwei Ebenen statt. Einmal drücken sie damit Unterstützung aus für das, was die Regierung im Interesse der Menschen dieses Landes zu tun versucht. Und sie sind damit auch bemüht, die Demokratie zu fördern.
F: Wie fördert das denn Demokratie?
A: Weil es eine Gelegenheit schafft, mit der regierenden Partei ins Gespräch zu bekommen, die immerzu an ihrer Politik feilt.
F: Aber warum muß man dann bezahlen, um mit der Partei in Kontakt zu treten?
(…)
F: Um Zugang zu Informationen zu bekommen, die für Menschen, die nicht zahlen, nicht zugänglich sind?
A: Nein, das ist eine ganz verzerrte Sicht der Dinge. Das ist nicht der Fall.
F: Aber warum soll man dann für Informationen bezahlen, die auch kostenlos zu haben sind?
A: Das Ganze hat doch auch noch eine andere Seite. Sie können ihm auch sagen, was sie über die Entwicklungen im Land denken.
F: Das können sie doch auch tun ohne zu bezahlen, oder?
A: Die Wirtschaftsleute, die zu uns gekommen sind, um von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, beweisen doch, das das ganze Unternehmen für sie Sinn macht.
F: Wofür bezahlen sie dann eigentlich?
A: Für die Gelegenheit, mit der politischen Führung zu sprechen.
F: Warum müssen sie denn dafür bezahlen?
A: Sie müssen nicht bezahlen, sie wollen bezahlen. Sie sind dazu bereit.
F: Bezahlen sie nicht tatsächlich für Informationen, die ihnen dazu verhelfen können, Aufträge der Regierung zu bekommen?
A: Das hat nun wirklich überhaupt keinen Einfluß darauf und keine Beziehung zu Regierungsaufträgen.
F: Warum sollen Wirtschaftsbosse dann 500 000 herausrücken, um mit dem Präsidenten an einem Tisch zu sitzen?
A: Das Ganze findet auf zwei Ebenen statt. Einmal drücken sie damit Unterstützung aus für das, was die Regierung im Interesse der Menschen dieses Landes zu tun versucht. Und sie sind damit auch bemüht, die Demokratie zu fördern.
F: Wie fördert das denn Demokratie?
A: Weil es eine Gelegenheit schafft, mit der regierenden Partei ins Gespräch zu bekommen, die immerzu an ihrer Politik feilt.
F: Aber warum muß man dann bezahlen, um mit der Partei in Kontakt zu treten?
(…)
F: Um Zugang zu Informationen zu bekommen, die für Menschen, die nicht zahlen, nicht zugänglich sind?
A: Nein, das ist eine ganz verzerrte Sicht der Dinge. Das ist nicht der Fall.
F: Aber warum soll man dann für Informationen bezahlen, die auch kostenlos zu haben sind?
A: Das Ganze hat doch auch noch eine andere Seite. Sie können ihm auch sagen, was sie über die Entwicklungen im Land denken.
F: Das können sie doch auch tun ohne zu bezahlen, oder?
A: Die Wirtschaftsleute, die zu uns gekommen sind, um von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, beweisen doch, das das ganze Unternehmen für sie Sinn macht.
Die Verschlankung der Polizei: "Shape up or ship out"
Polizeiminister General Bheki Cele hat vor gut einer Woche die jüngste Polizeistatistik vorgelegt. Danach ist bei bestimmten Verbrechen, etwa Mord, ein Rückgang zu verzeichnen. Das wurde in der Öffentlichkeit mit Erleichterung aufgenommen, aber auch sogleich angemerkt, dass die Kriminalität immer noch viel zu hoch ist, die Menschen sich weiterhin unsicher und bedroht fühlen und es keinen Grund gibt, selbstgefällig den Rückgang herauszustreichen. Experten haben auch bereits Zweifel an einzelnen Statistiken angemeldet.
Zu den Verbrechen, die zugenommen haben, gehört der Viehdiebstahl. Das ärgert die Farmer, die mit Patrouillen und webcams selber mobil machen. Dagegen hat die Zahl der Autoentführungen um 6,8 Prozent abgenommen. Es werden keinesfalls nur kleine Personenkraftwagen gekapert. Zwischen April letzten und März dieses Jahres wurden 1412 Lastwagen entführt, etwas weniger als im Jahr zuvor (1437). Ein Fahrer hat der „City Press“ erzählt, wovor er sich fürchtet: „Bei Port Shepstone gibt es eine Stelle, wo es bergauf geht. Ein Auto überholt Dich und bremst dann ab. Wenn Du dann langsam fährst, springen Leute aus einem anderen Auto auf den Laster und fangen an, die Fracht hinabzuwerfen.“ Andere Gangster zwingen die Fahrer mit Waffengewalt, anzuhalten oder abzubiegen, manche benutzen dazu auch blaue Sirenen, wie die Polizei sie hat, oder bedienen sich sogar der Polizeiwagen selbst. Auch die Fahrer werden ihrer persönlichen Gegenstände beraubt und irgendwo ausgesetzt, während die Diebe mit Laster und Ladung davonfahren.
Im Vorfeld der WM ist die Zahl der Polizisten deutlich erhöht worden und beträgt jetzt mehr als 200.000. Man sieht auch deutlich mehr Streifenwagen. Als wir vor Jahren mit einer engagierten Einwohnerin durch Kalk Bay gingen und ein Polizeiauto sahen, entfuhr es ihr: „Oh, ich glaube es nicht, ein Polizeiauto. Schon lange keines mehr gesehen.“
Auch die Verkehrspolizei zeigt heute Präsenz. In Clanwilliam werden wir an den Straßenrand gewunken; der alte deutsche Führerschein wird mit Interesse studiert, wir müssen demonstrieren, dass alle Lampen des Leihwagens funktionieren und werden dann freundlich verabschiedet. Als wir eine halbe Stunde später noch einmal die Main Road entlangfahren, sind wir erneut dran. Doch der Polizist erkennt uns wieder und winkt uns mit einem charmanten „Wir wollten sie nur noch mal willkommen heißen“ wieder auf die Fahrbahn zurück.
Der südafrikanische Polizei-„General“ Cele versteht es, Volkes Stimme aufzugreifen. Waren die häufig korpulenten Polizisten bisher nur das Gespött der Leute, bekommen sie nun Druck von oben: Sie sollen abnehmen und regelmäßig ins Fitnessstudio gehen. Wer nicht mehr in seine Polizeiuniform passt, soll keine neue bekommen, sondern sich einen neuen Job suchen. Auf englisch heißt das kurz und bündig: „Shape up or ship out.“
Zu den Verbrechen, die zugenommen haben, gehört der Viehdiebstahl. Das ärgert die Farmer, die mit Patrouillen und webcams selber mobil machen. Dagegen hat die Zahl der Autoentführungen um 6,8 Prozent abgenommen. Es werden keinesfalls nur kleine Personenkraftwagen gekapert. Zwischen April letzten und März dieses Jahres wurden 1412 Lastwagen entführt, etwas weniger als im Jahr zuvor (1437). Ein Fahrer hat der „City Press“ erzählt, wovor er sich fürchtet: „Bei Port Shepstone gibt es eine Stelle, wo es bergauf geht. Ein Auto überholt Dich und bremst dann ab. Wenn Du dann langsam fährst, springen Leute aus einem anderen Auto auf den Laster und fangen an, die Fracht hinabzuwerfen.“ Andere Gangster zwingen die Fahrer mit Waffengewalt, anzuhalten oder abzubiegen, manche benutzen dazu auch blaue Sirenen, wie die Polizei sie hat, oder bedienen sich sogar der Polizeiwagen selbst. Auch die Fahrer werden ihrer persönlichen Gegenstände beraubt und irgendwo ausgesetzt, während die Diebe mit Laster und Ladung davonfahren.
Im Vorfeld der WM ist die Zahl der Polizisten deutlich erhöht worden und beträgt jetzt mehr als 200.000. Man sieht auch deutlich mehr Streifenwagen. Als wir vor Jahren mit einer engagierten Einwohnerin durch Kalk Bay gingen und ein Polizeiauto sahen, entfuhr es ihr: „Oh, ich glaube es nicht, ein Polizeiauto. Schon lange keines mehr gesehen.“
Auch die Verkehrspolizei zeigt heute Präsenz. In Clanwilliam werden wir an den Straßenrand gewunken; der alte deutsche Führerschein wird mit Interesse studiert, wir müssen demonstrieren, dass alle Lampen des Leihwagens funktionieren und werden dann freundlich verabschiedet. Als wir eine halbe Stunde später noch einmal die Main Road entlangfahren, sind wir erneut dran. Doch der Polizist erkennt uns wieder und winkt uns mit einem charmanten „Wir wollten sie nur noch mal willkommen heißen“ wieder auf die Fahrbahn zurück.
Der südafrikanische Polizei-„General“ Cele versteht es, Volkes Stimme aufzugreifen. Waren die häufig korpulenten Polizisten bisher nur das Gespött der Leute, bekommen sie nun Druck von oben: Sie sollen abnehmen und regelmäßig ins Fitnessstudio gehen. Wer nicht mehr in seine Polizeiuniform passt, soll keine neue bekommen, sondern sich einen neuen Job suchen. Auf englisch heißt das kurz und bündig: „Shape up or ship out.“
Freitag, 17. September 2010
Der längste Zug der Welt
Auf dem Weg die Westküste hoch kreuzen wir immer wieder eine eingleisige Eisenbahnlinie. Manchmal weist ein Strassenschild auf Abzweigungen (Loop 1, Loop 2…) hin, schmale Staubstraßen neben der Bahn. Aber es gibt keine Bahnhöfe, und wir sehen auch keine Züge.
Bis dann bei Elands Bay einer auftaucht. Nachdem mindestens 100 Waggons vor uns vorbeigezogen sind, stehen wir staunend am Strassenrand. Denn der Zug will nicht enden. Als wir endlich zu zählen anfangen, sind wir schnell bei weiteren 100 Waggons (und einigen Lokomotiven), geben aber auf, weil noch kein Ende in Sicht ist.
Später lernen wir: so ein Zug hat es schon mal in das Guiness-Buch der Rekorde geschafft. Das glauben wir sofort. Die Bahnlinie wurde Anfang der siebziger Jahre vom ISCOR-Konzern gebaut, um Eisenerz von Sishen im Northern Cape zum Hafen von Saldanha im Western Cape zu transportieren und ist 861 km lang. Und die Loops, 18 an der Zahl sind dazu da, dass Züge in entgegengesetzter Richtung nicht zusammenstoßen. Eine beeindruckende Erinnerung daran, dass Südafrika ein Rohstoffexportland ist.
Weiter im Norden, in Bitterfontein, gibt es einen Bahnhof, hier endet die Strecke von Kapstadt ins Namaqualand. Dass hier Menschen ein- und aussteigen, ist schwer vorstellbar, der Bahnhof ist verlassen und der kleine Ort mit ein paar hundert Einwohnern hat etwas Trostloses. Aber offenbar hat er aufregende Zeiten hinter sich, denn 1931 gab es hier einen spektakulären Diamantenraub, angeblich einer der größten der Welt (wir übernehmen keine Garantie für den Superlativ), es sollen Steine im Wert von (damals) 80 000 Pfund gestohlen worden sein.
Von der Diamantensuche in dieser Zeit erzählt das in der „Booktown“ Richmond erworbene Buch „Innocents in Africa“ über eine US-amerikanische Ingenieursfamilie. Drury Pifers Vater, „an American idealist with progressive notions about pay and working conditions, found himself caught between the insular hostility of the Afrikaners and the colonial arrogance of the English“. Pifer wird von seinem Sicherheitschef Ter Blanche in Kleinzee belehrt, dass er grundsätzlich jedem misstrauen müsse, dass die Arbeiter viele Wege finden, Diamanten zu verstecken und aus dem Gelände herauszuschmuggeln. Schon damals hat man übrigens Röntgengeräte eingesetzt, um im Körper verborgene Diamanten aufzuspüren. Ter Blanche: „These Boers refuse to believe a machine can look through solid flesh. They think it’s just a lot of de Beers propaganda”.
Zurück zum Bahnhof. Neben den Geleisen lagern Blöcke von „Bitterfontein Green“, einer Art Granit, die es nur hier gibt. Lange wurde die Bahn auch für den Transport des Kupfers aus der Mine in Nababeep (bei Springbok) benutzt; es wurde mit Lastwagen hierher gebracht. Dort hatte schon Simon van der Stel 1685 Kupfer entdeckt, die kommerzielle Ausbeutung begann aber erst 1852. Für den Personenverkehr und den Abtransport des Kupfers zum Hafen von Port Nolloth wurde eigens eine Bahnlinie gebaut. Zunächst wurden die Wagen von Maultieren gezogen, die Fahrt dauerte so zwei Tage, und für den Komfort der Gäste gab es in Klipfontein eigens ein Hotel. Später zogen Dampflokomotiven die Züge, die auch andere Waren transportierten und Personen mitnahmen.
Doch die Bahnlinie wurde nach demontiert, die Schienen als Altmetall verkauft. Das Kupfer wurde nun mit Lastwagen nach Bitterfontein gebracht. Vor dem Museum in Nababeep erinnert die Dampflokomotive „Clara“ an die gute alte Zeit. Denn abgebaut wird hier derzeit nicht mehr. Was machen die Menschen in den weit über fünfhundert durchnummerierten Häusern in Nabapeep heute? Früher gab es ein reges gesellschaftliches Leben hier, hören wir, ein Schwimmbad, einen Klub…
Davon ist auch etwas im Museum zu sehen; nach Fotos spielte das „Kupfer“-Team Cricket gegen die „Diamantent“-Truppe. Weiße gegen Weiße. So beeindruckend es ist, was hier im Museum an Zeugnissen zusammengetragen wurde, so spärlich ist die Beschriftung. Apartheid? Arbeitsbedingungen? Fehlanzeige! Unser Versuch, später im Museum von Springbok etwas zu erfahren, scheitert ebenfalls total: in der alten Synagoge lernen wir etwas über die jüdischen Familien am Ort, ansonsten: ein Sammelsurium. Was ist mit Apartheid, fragen wir die (farbige) Angestellte. „Ja, da haben wir leider noch nichts bekommen“. Museumspädagogisch ist Südafrika in seinen kleineren Städten wahrhaft ein Entwicklungsland. Dabei gäbe es doch - in Fortsetzung der Wahrheits- und Versöhnungskommission - so viel aufzuarbeiten, sich auf die gemeinsame Geschichte zu verständigen und zu ihr zu bekennen.
Aber auch andere Fenster gehen auf einmal auf. Im vollgepackten Museum in Nabapeep fällt uns am Eingang ein Schild auf „Wir sprechen deutsch“. Ein Exponat oder eine Einladung? Nach einiger Zeit versuchen wir es einfach - und hören bei den Antworten ein afrikaans eingefärbtes Deutsch. Die alte Frau kommt aus Hamburg-Harburg, erinnert sich noch gut an die Flut von 1962. Mit ihrem Mann, einem Automechaniker, ist sie nach Südafrika ausgewandert und hat bei Springbok fünf Kinder großgezogen. Das Leben war nicht einfach, immer das gleiche Brot, anfangs konnte man nur einmal die Woche (Ziegen-)Fleisch bestellen. Wahrscheinlich hätte die Familie im Wirtschaftswunder Deutschlands besser gelebt… Nicht jeder weiße Einwanderer hat hier in Saus und Braus gelebt.
Bis dann bei Elands Bay einer auftaucht. Nachdem mindestens 100 Waggons vor uns vorbeigezogen sind, stehen wir staunend am Strassenrand. Denn der Zug will nicht enden. Als wir endlich zu zählen anfangen, sind wir schnell bei weiteren 100 Waggons (und einigen Lokomotiven), geben aber auf, weil noch kein Ende in Sicht ist.
Später lernen wir: so ein Zug hat es schon mal in das Guiness-Buch der Rekorde geschafft. Das glauben wir sofort. Die Bahnlinie wurde Anfang der siebziger Jahre vom ISCOR-Konzern gebaut, um Eisenerz von Sishen im Northern Cape zum Hafen von Saldanha im Western Cape zu transportieren und ist 861 km lang. Und die Loops, 18 an der Zahl sind dazu da, dass Züge in entgegengesetzter Richtung nicht zusammenstoßen. Eine beeindruckende Erinnerung daran, dass Südafrika ein Rohstoffexportland ist.
Weiter im Norden, in Bitterfontein, gibt es einen Bahnhof, hier endet die Strecke von Kapstadt ins Namaqualand. Dass hier Menschen ein- und aussteigen, ist schwer vorstellbar, der Bahnhof ist verlassen und der kleine Ort mit ein paar hundert Einwohnern hat etwas Trostloses. Aber offenbar hat er aufregende Zeiten hinter sich, denn 1931 gab es hier einen spektakulären Diamantenraub, angeblich einer der größten der Welt (wir übernehmen keine Garantie für den Superlativ), es sollen Steine im Wert von (damals) 80 000 Pfund gestohlen worden sein.
Von der Diamantensuche in dieser Zeit erzählt das in der „Booktown“ Richmond erworbene Buch „Innocents in Africa“ über eine US-amerikanische Ingenieursfamilie. Drury Pifers Vater, „an American idealist with progressive notions about pay and working conditions, found himself caught between the insular hostility of the Afrikaners and the colonial arrogance of the English“. Pifer wird von seinem Sicherheitschef Ter Blanche in Kleinzee belehrt, dass er grundsätzlich jedem misstrauen müsse, dass die Arbeiter viele Wege finden, Diamanten zu verstecken und aus dem Gelände herauszuschmuggeln. Schon damals hat man übrigens Röntgengeräte eingesetzt, um im Körper verborgene Diamanten aufzuspüren. Ter Blanche: „These Boers refuse to believe a machine can look through solid flesh. They think it’s just a lot of de Beers propaganda”.
Zurück zum Bahnhof. Neben den Geleisen lagern Blöcke von „Bitterfontein Green“, einer Art Granit, die es nur hier gibt. Lange wurde die Bahn auch für den Transport des Kupfers aus der Mine in Nababeep (bei Springbok) benutzt; es wurde mit Lastwagen hierher gebracht. Dort hatte schon Simon van der Stel 1685 Kupfer entdeckt, die kommerzielle Ausbeutung begann aber erst 1852. Für den Personenverkehr und den Abtransport des Kupfers zum Hafen von Port Nolloth wurde eigens eine Bahnlinie gebaut. Zunächst wurden die Wagen von Maultieren gezogen, die Fahrt dauerte so zwei Tage, und für den Komfort der Gäste gab es in Klipfontein eigens ein Hotel. Später zogen Dampflokomotiven die Züge, die auch andere Waren transportierten und Personen mitnahmen.
Doch die Bahnlinie wurde nach demontiert, die Schienen als Altmetall verkauft. Das Kupfer wurde nun mit Lastwagen nach Bitterfontein gebracht. Vor dem Museum in Nababeep erinnert die Dampflokomotive „Clara“ an die gute alte Zeit. Denn abgebaut wird hier derzeit nicht mehr. Was machen die Menschen in den weit über fünfhundert durchnummerierten Häusern in Nabapeep heute? Früher gab es ein reges gesellschaftliches Leben hier, hören wir, ein Schwimmbad, einen Klub…
Davon ist auch etwas im Museum zu sehen; nach Fotos spielte das „Kupfer“-Team Cricket gegen die „Diamantent“-Truppe. Weiße gegen Weiße. So beeindruckend es ist, was hier im Museum an Zeugnissen zusammengetragen wurde, so spärlich ist die Beschriftung. Apartheid? Arbeitsbedingungen? Fehlanzeige! Unser Versuch, später im Museum von Springbok etwas zu erfahren, scheitert ebenfalls total: in der alten Synagoge lernen wir etwas über die jüdischen Familien am Ort, ansonsten: ein Sammelsurium. Was ist mit Apartheid, fragen wir die (farbige) Angestellte. „Ja, da haben wir leider noch nichts bekommen“. Museumspädagogisch ist Südafrika in seinen kleineren Städten wahrhaft ein Entwicklungsland. Dabei gäbe es doch - in Fortsetzung der Wahrheits- und Versöhnungskommission - so viel aufzuarbeiten, sich auf die gemeinsame Geschichte zu verständigen und zu ihr zu bekennen.
Aber auch andere Fenster gehen auf einmal auf. Im vollgepackten Museum in Nabapeep fällt uns am Eingang ein Schild auf „Wir sprechen deutsch“. Ein Exponat oder eine Einladung? Nach einiger Zeit versuchen wir es einfach - und hören bei den Antworten ein afrikaans eingefärbtes Deutsch. Die alte Frau kommt aus Hamburg-Harburg, erinnert sich noch gut an die Flut von 1962. Mit ihrem Mann, einem Automechaniker, ist sie nach Südafrika ausgewandert und hat bei Springbok fünf Kinder großgezogen. Das Leben war nicht einfach, immer das gleiche Brot, anfangs konnte man nur einmal die Woche (Ziegen-)Fleisch bestellen. Wahrscheinlich hätte die Familie im Wirtschaftswunder Deutschlands besser gelebt… Nicht jeder weiße Einwanderer hat hier in Saus und Braus gelebt.
Freitag, 10. September 2010
Statistik in Springbok
Nach den etwas trostlosen Orten an der N7 in Richtung Namibia sind wir nicht vorbereitet, was uns in Springbok erwartet: eine offenbar (kommerziell) blühende Stadt, attraktiv eingeklemmt zwischen Felsformationen. Vor allem aber: kein township zu sehen.
Am nächsten Morgen machen wir uns auf ins Touristenbüro. Nein, ein township gebe es in Springbok nicht. Aber Jugendarbeitslosigkeit. Wieviel, da muss der Angestellte passen und rät, doch im Statistikbüro gegenüber nachzufragen. Das Gitter geht auf, wir fragen die beiden freundlichen Männer nach der Arbeitslosenquote. Sie sind ganz enttäuscht, dass wir Journalisten sind: „Wir hatten gehofft, dass Sie hier investieren wollen.“
Eine wache Angestellte nimmt sich unserer Fragen an. „Ach, wir haben nur Daten von 2001, von der letzten Volkszählung.“ Mit der Fortschreibung 2006 habe es nicht geklappt. Auch sonst liegt statistisch einiges im Argen, am Anfang war sie ganz allein da, jetzt gibt es in dem relativ großen Gebäude immerhin vier Mitarbeiter.
Wir fangen mit der Einwohnerzahl an. Der Reiseführer hatte von 16 000 geschrieben. Der Amts-Computer gibt die Daten nur zögernd frei: Gut 1.600, sagt er – 1.300 Weiße, 300 Coloureds und 13 Blacks. Aber da muss die Statistik-Expertin selbst lachen: Das stimme hinten und vorne nicht, selbst für 2001 nicht. Und in der Zwischenzeit habe sich Springbok wirklich gemacht.
Für die Volkszählung 2011 hat sie noch immer nicht genügend Mitarbeiter(innen). Zwischen März und Juli habe die Behörde immer wieder inseriert, aber es hätten sich nicht genügend Bewerber gemeldet. Und das, obwohl Stats South Africa seine freien Mitarbeiter gut bezahle, sogar noch einen Extrabetrag drauflege, weil freie Mitarbeiter nicht in den Genuss der mit Festanstellung verbundenen Sozialleistungen kommen. Eine Erklärung könne sein, dass die Kommunikation mit der Behörde auf Englisch erfolgen müsse; da seien die Leute hier etwas schüchtern.
Kriminalität? Nein, die gebe es in der Tat kaum, sagt die Frau vom Statistik-Amt; ein wirkliches Problem in Springbok sei aber der Alkoholismus. Schon morgens um sieben stellten sich die Männer vor den Spar-Laden, um Geld zu erbetteln, damit sie in einem der zahlreichen „Drankwinkel“ mit dem Trinken beginnen können. Alle Bemühungen (etwa der Kirchen), sie davon abzuhalten, seien vergebens. Drankwinkel sind in Südafrika ubiquitär. Und von den Farmarbeiterfrauen im Weinland bei Stellenbosch und Paarl wird berichtet, dass es dort die weltweit höchste Quote von alkoholgeschädigten Fötussen gibt.
Und die Politik? Jetzt beginne die Mobilisierung für die Kommunalwahlen 2011. Da gehe es aggressiv zu. In ihrem Büro seien schon Leute erschienen, um zu fragen, ob sie denn auch für den ANC stimmten. Sie habe früher für die Independent Electoral Commission gearbeitet – Wähler aufzuklären sei wirklich schwierig, entschieden werde nach der Identität und den großzügigsten Versprechungen.
In der Stadt haben wir – zum ersten Mal auf der ganzen Reise – ein Büro von COPE gesehen, jener Abspaltung vom ANC, die - von großen Hoffnungen begleitet - zu den Nationalwahlen 2009 angetreten war. Jetzt reden die Herren an der Spitze nur noch per Gericht miteinander. Doch in dem schön gestrichenen Parteigebäude in Springbok herrscht Ordnung und Aufbruchstimmung. Man dürfe das Land nicht einer dominanten Partei überlassen, hören wir, Deutschland mit seinem Parteiensystem sei ein gutes Vorbild, und 2011 wolle man den ANC im Northern Cape schlagen. Wir bekommen einen Zettel mit den Wahlergebnissen für COPE in der Region: In Namakwa haben 45 914 Menschen gewählt, COPE hat 9 451 Stimmen erhalten, das sind 20,58 Prozent. Ein überdurchschnittlich gutes Ergebnis – und die verlässlichsten Daten aus Springbok.
PS: Am Nachmittag haben wir dann doch township-ähnliche Siedlungen entdeckt – hinter den Bergen. Wäre ja auch zu schön gewesen…
Am nächsten Morgen machen wir uns auf ins Touristenbüro. Nein, ein township gebe es in Springbok nicht. Aber Jugendarbeitslosigkeit. Wieviel, da muss der Angestellte passen und rät, doch im Statistikbüro gegenüber nachzufragen. Das Gitter geht auf, wir fragen die beiden freundlichen Männer nach der Arbeitslosenquote. Sie sind ganz enttäuscht, dass wir Journalisten sind: „Wir hatten gehofft, dass Sie hier investieren wollen.“
Eine wache Angestellte nimmt sich unserer Fragen an. „Ach, wir haben nur Daten von 2001, von der letzten Volkszählung.“ Mit der Fortschreibung 2006 habe es nicht geklappt. Auch sonst liegt statistisch einiges im Argen, am Anfang war sie ganz allein da, jetzt gibt es in dem relativ großen Gebäude immerhin vier Mitarbeiter.
Wir fangen mit der Einwohnerzahl an. Der Reiseführer hatte von 16 000 geschrieben. Der Amts-Computer gibt die Daten nur zögernd frei: Gut 1.600, sagt er – 1.300 Weiße, 300 Coloureds und 13 Blacks. Aber da muss die Statistik-Expertin selbst lachen: Das stimme hinten und vorne nicht, selbst für 2001 nicht. Und in der Zwischenzeit habe sich Springbok wirklich gemacht.
Für die Volkszählung 2011 hat sie noch immer nicht genügend Mitarbeiter(innen). Zwischen März und Juli habe die Behörde immer wieder inseriert, aber es hätten sich nicht genügend Bewerber gemeldet. Und das, obwohl Stats South Africa seine freien Mitarbeiter gut bezahle, sogar noch einen Extrabetrag drauflege, weil freie Mitarbeiter nicht in den Genuss der mit Festanstellung verbundenen Sozialleistungen kommen. Eine Erklärung könne sein, dass die Kommunikation mit der Behörde auf Englisch erfolgen müsse; da seien die Leute hier etwas schüchtern.
Kriminalität? Nein, die gebe es in der Tat kaum, sagt die Frau vom Statistik-Amt; ein wirkliches Problem in Springbok sei aber der Alkoholismus. Schon morgens um sieben stellten sich die Männer vor den Spar-Laden, um Geld zu erbetteln, damit sie in einem der zahlreichen „Drankwinkel“ mit dem Trinken beginnen können. Alle Bemühungen (etwa der Kirchen), sie davon abzuhalten, seien vergebens. Drankwinkel sind in Südafrika ubiquitär. Und von den Farmarbeiterfrauen im Weinland bei Stellenbosch und Paarl wird berichtet, dass es dort die weltweit höchste Quote von alkoholgeschädigten Fötussen gibt.
Und die Politik? Jetzt beginne die Mobilisierung für die Kommunalwahlen 2011. Da gehe es aggressiv zu. In ihrem Büro seien schon Leute erschienen, um zu fragen, ob sie denn auch für den ANC stimmten. Sie habe früher für die Independent Electoral Commission gearbeitet – Wähler aufzuklären sei wirklich schwierig, entschieden werde nach der Identität und den großzügigsten Versprechungen.
In der Stadt haben wir – zum ersten Mal auf der ganzen Reise – ein Büro von COPE gesehen, jener Abspaltung vom ANC, die - von großen Hoffnungen begleitet - zu den Nationalwahlen 2009 angetreten war. Jetzt reden die Herren an der Spitze nur noch per Gericht miteinander. Doch in dem schön gestrichenen Parteigebäude in Springbok herrscht Ordnung und Aufbruchstimmung. Man dürfe das Land nicht einer dominanten Partei überlassen, hören wir, Deutschland mit seinem Parteiensystem sei ein gutes Vorbild, und 2011 wolle man den ANC im Northern Cape schlagen. Wir bekommen einen Zettel mit den Wahlergebnissen für COPE in der Region: In Namakwa haben 45 914 Menschen gewählt, COPE hat 9 451 Stimmen erhalten, das sind 20,58 Prozent. Ein überdurchschnittlich gutes Ergebnis – und die verlässlichsten Daten aus Springbok.
PS: Am Nachmittag haben wir dann doch township-ähnliche Siedlungen entdeckt – hinter den Bergen. Wäre ja auch zu schön gewesen…
Die Roiboos-Tour
Faizal Gangat, unser Tourguide-Freund aus Kapstadt, hatte uns zu einer Roiboos-Tour in Clanwilliam geraten, und am Telefon war sie mit Annette schnell ausgemacht: Treffpunkt Elandsberg Farm, übermorgen, 9.30 Uhr. Annette und ihr Mann Chris stellten sich als rüstige Rentner heraus, die auf der Farm gleich mehrere Geschäfte betrieben: ein B&B, eine Nursery, einen Shop mit Roiboos-Produkten – und eben die Info-Fahrten.
Annettes Großvater hatte auf dieser Farm in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit dem gezielten Anbau von Roiboos begonnen. Noch heute wächst diese Fynbos-Pflanze nur in der Gegend um Clanwilliam. (Eine Gegend übrigens, die zu den biologisch reichsten der Erde gehört: In einem Gebiet von 90x45 Kilometer finden sich doppelt so viele Pflanzenarten wie in ganz Europa. Und es gibt mehr als 260 Roiboos-Arten…)
Chris ist ein absoluter Botanik-Experte („My wife doesn’t call me a botanist, she calls me a passionist!“). Mit einem umgebauten Armeefahrzeug rumpelten wir über die Farm, hielten ab und zu, damit er seine Blumen pflücken konnte, und dann erzählte er faszinierende Geschichten, wie diese Pflanzen in der kargen Erde hier überleben und ihre Fortpflanzung organisieren.
Und dann kamen wir zum Roiboos. Die San nutzten ihn schon viele Jahrhunderte als Medizin; und vor Annettes Opa wurde er auch von den weißen Farmern nur wild geerntet. Erst seit 70, 80 Jahren gibt es große Plantagen.
Zum Auspflanzen nutzt man heute Maschinen, die aber per Hand mit den Setzlingen „gefüttert“ werden müssen. 15.000 Stück kann eine solche Maschine pro Tag pflanzen. Sechs Jahre kann man die Pflanze ernten, dann liegt das Feld sechs Jahre brach – Roiboos-Farmer brauchen Platz. Auch die Verarbeitung hat ihre Tücken: Spezielle Maschinen häckseln den Tee auf die gewünschte Länge; dicke Äste und andere unerwünschte Teile werden herausgerüttelt; der Tee wird durch Zusatz von Wasser fermentiert und dann wieder getrocknet: bis hin zur keimfreien Verpackung - eine Wissenschaft für sich.
Chris macht überzeugend Werbung für seine Farm, die sehr auf Qualität achtet. Das leitet zu seinem Farm-Shop über, und wir fuhren gut bepackt wieder von dannen.
In Wahrheit ist die Roiboos-Sache natürlich noch viel komplizierter als hier beschrieben. Wer nicht gleich zur Tour nach Südafrika fahren, den Qualitäts-Tee aber schon einmal kosten will (immerhin 60 % der Produktion werden nach Deutschland exportiert!): Es gibt da eine Adresse in Ulm, die liefert ihn frei Haus… Denn, so Anette selbstbewusst und geschäfttüchtig, wenn wir ihn einmal probiert haben, dann wollen wir keinen anderen mehr.
Annettes Großvater hatte auf dieser Farm in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit dem gezielten Anbau von Roiboos begonnen. Noch heute wächst diese Fynbos-Pflanze nur in der Gegend um Clanwilliam. (Eine Gegend übrigens, die zu den biologisch reichsten der Erde gehört: In einem Gebiet von 90x45 Kilometer finden sich doppelt so viele Pflanzenarten wie in ganz Europa. Und es gibt mehr als 260 Roiboos-Arten…)
Chris ist ein absoluter Botanik-Experte („My wife doesn’t call me a botanist, she calls me a passionist!“). Mit einem umgebauten Armeefahrzeug rumpelten wir über die Farm, hielten ab und zu, damit er seine Blumen pflücken konnte, und dann erzählte er faszinierende Geschichten, wie diese Pflanzen in der kargen Erde hier überleben und ihre Fortpflanzung organisieren.
Und dann kamen wir zum Roiboos. Die San nutzten ihn schon viele Jahrhunderte als Medizin; und vor Annettes Opa wurde er auch von den weißen Farmern nur wild geerntet. Erst seit 70, 80 Jahren gibt es große Plantagen.
Zum Auspflanzen nutzt man heute Maschinen, die aber per Hand mit den Setzlingen „gefüttert“ werden müssen. 15.000 Stück kann eine solche Maschine pro Tag pflanzen. Sechs Jahre kann man die Pflanze ernten, dann liegt das Feld sechs Jahre brach – Roiboos-Farmer brauchen Platz. Auch die Verarbeitung hat ihre Tücken: Spezielle Maschinen häckseln den Tee auf die gewünschte Länge; dicke Äste und andere unerwünschte Teile werden herausgerüttelt; der Tee wird durch Zusatz von Wasser fermentiert und dann wieder getrocknet: bis hin zur keimfreien Verpackung - eine Wissenschaft für sich.
Chris macht überzeugend Werbung für seine Farm, die sehr auf Qualität achtet. Das leitet zu seinem Farm-Shop über, und wir fuhren gut bepackt wieder von dannen.
In Wahrheit ist die Roiboos-Sache natürlich noch viel komplizierter als hier beschrieben. Wer nicht gleich zur Tour nach Südafrika fahren, den Qualitäts-Tee aber schon einmal kosten will (immerhin 60 % der Produktion werden nach Deutschland exportiert!): Es gibt da eine Adresse in Ulm, die liefert ihn frei Haus… Denn, so Anette selbstbewusst und geschäfttüchtig, wenn wir ihn einmal probiert haben, dann wollen wir keinen anderen mehr.
Donnerstag, 9. September 2010
Auf der Suche nach den wilden Blumen
Jeder Reiseführer beschreibt sie, und im südafrikanischen Frühling sind sie der Hauptgrund für einen Ausflug an die Westküste: Die Wildblumen hier sind sehenswert, ein „must-see“ nicht nur für Touristen. Ganze Felder sind in der Regel voll davon, das Blütenmeer entfaltet sich in der Morgensonne, die Bilder schmücken jeden Südafrikaprospekt.
Mittlerweile haben wir uns bis nach Springbok hochgearbeitet – nur die Wildblumen sind in diesem Jahr kaum zu sehen. Jeder ist voller Mitleid: „Das ist das erste mal so, seit ich hier wohne“, sagt die Frau im Telefonladen, und wünscht uns trotzdem noch eine gute Zeit. Die Kellnerin in der Pizzeria meint, sie sei enttäuscht, denn nun kämen viele Touristen nach Springbok, und es sei nichts von den Blumen zu sehen.
Nur in Clanwilliam werden Wildblumen präsentiert (siehe Foto). Die „Wild Flower Show“ zeigt Blumen aus den einzelnen Regionen der Westküste – und die Pflanzen dort sind gut gewässert worden.
Eigentlich sollten viele Landstriche jetzt so farbenfroh aussehen, aber es hat im Winter einfach zu wenig geregnet. Und deshalb haben die Wildblumen offenbar beschlossen, sich nicht zu zeigen. Viele Blumenfreunde sind vergeblich angereist – und haben trotzdem für nächstes Jahr schon die Zimmer gebucht.
Mittlerweile haben wir uns bis nach Springbok hochgearbeitet – nur die Wildblumen sind in diesem Jahr kaum zu sehen. Jeder ist voller Mitleid: „Das ist das erste mal so, seit ich hier wohne“, sagt die Frau im Telefonladen, und wünscht uns trotzdem noch eine gute Zeit. Die Kellnerin in der Pizzeria meint, sie sei enttäuscht, denn nun kämen viele Touristen nach Springbok, und es sei nichts von den Blumen zu sehen.
Nur in Clanwilliam werden Wildblumen präsentiert (siehe Foto). Die „Wild Flower Show“ zeigt Blumen aus den einzelnen Regionen der Westküste – und die Pflanzen dort sind gut gewässert worden.
Eigentlich sollten viele Landstriche jetzt so farbenfroh aussehen, aber es hat im Winter einfach zu wenig geregnet. Und deshalb haben die Wildblumen offenbar beschlossen, sich nicht zu zeigen. Viele Blumenfreunde sind vergeblich angereist – und haben trotzdem für nächstes Jahr schon die Zimmer gebucht.
Hemingway
Einmal Afrika ganz nah spüren, ein Safari-Feeling, mitten im Busch, unter dem Sternenzelt? Wie Hemingway mit einem doppelten Whiskey vor dem Zelt den Sonnenuntergang beobachten? Manche Unternehmer leben ganz gut davon, Urlaubern dieses Gefühl vorzuspiegeln - und wir bekamen jetzt einen kleinen Vorgeschmack darauf. Bei dem Versuch, ein Quartier auf dem Weg nach Norden zu ergattern, waren viele Mitbewerber (und mutmaßliche Blumenfreunde) schneller als wir – viele B&Bs waren bereits ausgebucht, und wir erhielten nur lauter Absagen.
Und plötzlich hatten wir Glück: KaruKareb hatte Platz – und wir landeten mitten in den Zederbergen und mitten im Busch.
Auf dem Gelände einer alten abgelegenen, ziemlich großen Farm stehen heute versteckt an einem Fluss fünf Zelte, die einem das alte Afrika-Gefühl vermitteln. Zwei Stühle auf dem Vordeck, man blickt auf die Wildnis, zehn Meter entfernt rauscht ein kleines Flüsschen, das Nachbarzelt ist kaum zu entdecken.
Im Zelt stehen zwei Betten mit vertrauenerweckend dicken Decken, ein kleiner Tisch mit einer Gästemappe und hilfreichen Tipps (Nicht die Taschenlampe vergessen, wenn man sich auf den Fußweg ins zwei Kilometer entfernte Haupthaus zum Dinner aufmacht!), und wer im gemauerten Bad die Badewanne(!) nutzen will, darf auch einen Blick in die Wildnis riskieren. Warmes Wasser liefert die Gastherme, und Licht gibt es auch: Drei kleine Glühbirnen werden durch Solarzellen gespeist. Der kleine Wasserkocher braucht – Solarstrom! – allerdings ungefähr 20 Minuten, bis das Wasser kocht. Und das Handy kann man vergessen: kein Empfang.
Um sieben Uhr abends wird es dunkel. Stockdunkel. Der Bach rauscht weiter, und das eine oder andere Tier macht auch ein Geräusch. Hoffentlich haben die Urlauber vor uns den Ratschlag im Gästebuch gelesen und befolgt und die Paviane, die es hier gibt, nicht gefüttert…
Und wenn die Sonne weg ist, wird es schnell ziemlich kalt. Man vertraut sich daher sehr früh den dicken Bettdecken an und horcht auf die Natur. Paviane haben wir nicht gehört (jedenfalls nicht wissentlich), und ins Zelt haben es nur einige kleine Fliegen geschafft. Und die gab’s ganz sicher auch schon bei Hemingway.
Und plötzlich hatten wir Glück: KaruKareb hatte Platz – und wir landeten mitten in den Zederbergen und mitten im Busch.
Auf dem Gelände einer alten abgelegenen, ziemlich großen Farm stehen heute versteckt an einem Fluss fünf Zelte, die einem das alte Afrika-Gefühl vermitteln. Zwei Stühle auf dem Vordeck, man blickt auf die Wildnis, zehn Meter entfernt rauscht ein kleines Flüsschen, das Nachbarzelt ist kaum zu entdecken.
Im Zelt stehen zwei Betten mit vertrauenerweckend dicken Decken, ein kleiner Tisch mit einer Gästemappe und hilfreichen Tipps (Nicht die Taschenlampe vergessen, wenn man sich auf den Fußweg ins zwei Kilometer entfernte Haupthaus zum Dinner aufmacht!), und wer im gemauerten Bad die Badewanne(!) nutzen will, darf auch einen Blick in die Wildnis riskieren. Warmes Wasser liefert die Gastherme, und Licht gibt es auch: Drei kleine Glühbirnen werden durch Solarzellen gespeist. Der kleine Wasserkocher braucht – Solarstrom! – allerdings ungefähr 20 Minuten, bis das Wasser kocht. Und das Handy kann man vergessen: kein Empfang.
Um sieben Uhr abends wird es dunkel. Stockdunkel. Der Bach rauscht weiter, und das eine oder andere Tier macht auch ein Geräusch. Hoffentlich haben die Urlauber vor uns den Ratschlag im Gästebuch gelesen und befolgt und die Paviane, die es hier gibt, nicht gefüttert…
Und wenn die Sonne weg ist, wird es schnell ziemlich kalt. Man vertraut sich daher sehr früh den dicken Bettdecken an und horcht auf die Natur. Paviane haben wir nicht gehört (jedenfalls nicht wissentlich), und ins Zelt haben es nur einige kleine Fliegen geschafft. Und die gab’s ganz sicher auch schon bei Hemingway.
Lost and Found(?)
Dienstag, 7. September 2010
Wasser und Wein
Schon bei der Quartiersuche für das Voorkamerfest in Darling hatte Shaun gefragt, ob wir denn auch nach „Groote Post“ zum Essen kämen. Na klar, wir waren ja vor einigen Jahren schon einmal auf der 1706 gegründeten Weinfarm. Das Restaurant hatte damals geschlossen, aber schon die Räumlichkeiten waren bezaubernd. Und beim „tasting“ hatten wir damals eine Visitenkarte des Weinhauses Strathmann in ZEVEN gefunden, offenbar einer der Hauptimporteure.
Als erstes fragte Shaun, was wir trinken wollten. Dabei geht es - wie anderswo hier auch - gar nicht um die Art des Mineralwassers, sondern gleich um Wein. Diesen Landessitten zu folgen, wird auch dadurch erleichtert, dass manche Flasche Wein nicht mehr kostet als in den teureren Hamburger Restaurants das französische Tafelwasser. Und sollte man die Flasche nicht ganz schaffen - was eigentlich nur passieren kann, wenn man allein isst -, dann nimmt man sie einfach in die Hand und schlendert damit hinaus.
Wir haben Sauvignon Blanc des Jahrgangs 2010 geordert und gleich gelernt, dass auf Groote Post der beste Sauvignon Blanc des Landes wachse. Am Wochenende werde das auch in der „Sunday Times“ stehen. Einen Tag später bestellen wir beim umtriebigen Holländer in Yzerfontein deshalb wieder eine Flasche - diesmal kostet sie doppelt so viel, aber immer noch nur einen Bruchteil dessen, was bei uns im Restaurant für Wein verlangt wird (das fünf- bis siebenfache, sagen die Experten).
Weine in guter Qualität und auch sehr feine, die dann auch teurer sind, gibt es in Südafrika jede Menge. Und genau da liegt auch das Problem. Das Land hat nicht nur Weinberge, sondern auch einen Weinsee: überschüssige Produktion, die sich nicht gewinnbringend verkaufen lässt. In den vergangenen fünf Jahren hatten die Weinfarmer mit steigenden Kosten und sinkenden Margen zu kämpfen. Zwischen 2007 und 2010 sind laut PriceWaterhouse die Verkaufspreise um durchschnittlich 17 % gestiegen, während der Kostenanstieg doppelt so hoch war. Und der Export leidet unter dem starken Rand.
275 600 Menschen leben direkt und indirekt vom Weinanbau; 50 Milliarden Rand trägt er zur Wirtschaftsleistung bei. Die Farmarbeiter(innen) wollen (und brauchen) mehr Lohn, sie leben häufig auf dem Gelände, was Vor- und Nachteile, vor allem aber komplizierte Beziehungen zur Folge hat. Die Gewerkschaften klagen über willkürliche Behandlungen und nicht abgesicherte Wohnrechte, umgekehrt engagieren sich viele Farmer für die Erziehung und Ausbildung der Farmarbeiterkinder.
Nicht auf allen Farmen steht der Weinbau noch im Vordergrund; man kann dort wohnen, gut essen und feiern (Hochzeitsinszenierungen sind sehr beliebt), reiche Menschen kaufen sich eine Farm für life style living oder eco-living. Wieder andere erwerben eine, um mit dem Land zu spekulieren.
Auf jeden Fall ist es gut, wenn Ihr südafrikanischen Wein kauft und trinkt. Groote-Post-Weine gibt es in Hamburg beim Weinhaus Cord Stehr (dass vom Zevener Weinhaus Strathmann übernommen wurde), einen der von uns geschätzten Beyerskloof-Weine bei Jacques’s Weindepot, und wer es gern mit Siegel mag, kann Stellar-Organics-Weine bei der GEPA oder manchmal auch bei Rewe kaufen.
Wer aber am liebsten die feinen Hartenberg-Weine mag, der muss immer noch nach Südafrika reisen. Und das ist auch okay!
Als erstes fragte Shaun, was wir trinken wollten. Dabei geht es - wie anderswo hier auch - gar nicht um die Art des Mineralwassers, sondern gleich um Wein. Diesen Landessitten zu folgen, wird auch dadurch erleichtert, dass manche Flasche Wein nicht mehr kostet als in den teureren Hamburger Restaurants das französische Tafelwasser. Und sollte man die Flasche nicht ganz schaffen - was eigentlich nur passieren kann, wenn man allein isst -, dann nimmt man sie einfach in die Hand und schlendert damit hinaus.
Wir haben Sauvignon Blanc des Jahrgangs 2010 geordert und gleich gelernt, dass auf Groote Post der beste Sauvignon Blanc des Landes wachse. Am Wochenende werde das auch in der „Sunday Times“ stehen. Einen Tag später bestellen wir beim umtriebigen Holländer in Yzerfontein deshalb wieder eine Flasche - diesmal kostet sie doppelt so viel, aber immer noch nur einen Bruchteil dessen, was bei uns im Restaurant für Wein verlangt wird (das fünf- bis siebenfache, sagen die Experten).
Weine in guter Qualität und auch sehr feine, die dann auch teurer sind, gibt es in Südafrika jede Menge. Und genau da liegt auch das Problem. Das Land hat nicht nur Weinberge, sondern auch einen Weinsee: überschüssige Produktion, die sich nicht gewinnbringend verkaufen lässt. In den vergangenen fünf Jahren hatten die Weinfarmer mit steigenden Kosten und sinkenden Margen zu kämpfen. Zwischen 2007 und 2010 sind laut PriceWaterhouse die Verkaufspreise um durchschnittlich 17 % gestiegen, während der Kostenanstieg doppelt so hoch war. Und der Export leidet unter dem starken Rand.
275 600 Menschen leben direkt und indirekt vom Weinanbau; 50 Milliarden Rand trägt er zur Wirtschaftsleistung bei. Die Farmarbeiter(innen) wollen (und brauchen) mehr Lohn, sie leben häufig auf dem Gelände, was Vor- und Nachteile, vor allem aber komplizierte Beziehungen zur Folge hat. Die Gewerkschaften klagen über willkürliche Behandlungen und nicht abgesicherte Wohnrechte, umgekehrt engagieren sich viele Farmer für die Erziehung und Ausbildung der Farmarbeiterkinder.
Nicht auf allen Farmen steht der Weinbau noch im Vordergrund; man kann dort wohnen, gut essen und feiern (Hochzeitsinszenierungen sind sehr beliebt), reiche Menschen kaufen sich eine Farm für life style living oder eco-living. Wieder andere erwerben eine, um mit dem Land zu spekulieren.
Auf jeden Fall ist es gut, wenn Ihr südafrikanischen Wein kauft und trinkt. Groote-Post-Weine gibt es in Hamburg beim Weinhaus Cord Stehr (dass vom Zevener Weinhaus Strathmann übernommen wurde), einen der von uns geschätzten Beyerskloof-Weine bei Jacques’s Weindepot, und wer es gern mit Siegel mag, kann Stellar-Organics-Weine bei der GEPA oder manchmal auch bei Rewe kaufen.
Wer aber am liebsten die feinen Hartenberg-Weine mag, der muss immer noch nach Südafrika reisen. Und das ist auch okay!
Montag, 6. September 2010
Voorkamerfest in Darling
Drei Tage ländliches Kulturfest liegen hinter uns: Wir haben am Wochenende das Voorkamerfest in Darling besucht. Die Idee ist bestechend: Man kauft ein Ticket und bekommt eine Wundertüte – drei kulturelle Angebote à 20 Minuten, dargeboten in Wohnzimmern von Menschen in Darling. Die Karten konnte man ab 1. Juli bestellen, rasches Handeln war angesagt – und noch schlimmer war die Herbergssuche: Manches Quartier ist bereits heute für 2011 ausgebucht.
Karten hatten wir problemlos bekommen, sogar für drei Touren – nur bei der Unterkunft mussten wir heftig suchen: Darling war schon ausgebucht, im 20 Kilometer entfernten Yzerfontein bekamen wir das letzte Zimmer in einem B&B.
Als wir am Freitagnachmittag in Darling ankamen, summte und brummte es bereits in dem kleinen Dorf; mit Mühe ergatterten wir einen Parkplatz. Die Organisation klappte hervorragend, kurz nach 17 Uhr saßen wir mit zwei Dutzend anderen Menschen in zwei afrikanischen Taxis (= Minibussen) und fuhren zu unserem ersten Wohnzimmer: Dort hörten wir Guy Buttery, einen in der Szene vermutlich sehr bekannten Gitarrenkünstler, der das Instrument gerade wieder neu erfunden hat und ihm wirklich erstaunliche Töne entlockte. (Das Haus gehörte übrigens Kapstadt-„Flüchtlingen“, die vor 14 Jahren nach Darling gezogen waren, um ihre Kinder hier großzuziehen und dies nicht bereut haben.)
Unsere zweite Station war im Township von Darling, eine Stand-up Comedian, die ihr Programm in Afrikaans darbot – einiges konnte man trotzdem verstehen, viel Gelächter aber ging an uns vorbei. Auch die dritte Station war im Township: eine afrikanische Tanzgruppe, deren Darbietung wohlwollend aufgenommen, aber vermutlich von niemand recht verstanden wurde.
Ähnliche Kulturtourneen gab es Samstag und Sonntag – mit einer klassischen Harfenistin (sie spielte in dem Haus einer Weißen aus Simbabwe, die vor vier Jahren nach Darling gezogen war und bedauerte, nicht schon 30 Jahre früher dorthin gekommen zu sein), zwei Kleinkunst-Pantomimen und einer an deutsche Ländlermusik erinnernde blinde Buren-Band und – am Sonntag – einer ambitionierten jungen Sängerin, die Miriam-Makeba-Lieder und Aretha-Franklin-Songs einstudiert hatte, einem schwarzen Stand-up-Comedian, der witzig Unterschiede zwischen Schwarz und Weiß aufs Korn nahm und einem Flötenspieler, der mit Klavierbegleitung klassische Fauré-Stücke intonierte. Und dabei hatten wir nur drei von sieben möglichen Kultur-Touren absolviert…
Darling platzte an diesem Wochenende aus allen Nähten. So langsam begreifen wir die Bedeutung dieser ländlichen Kulturfeste – der Staat gibt hierfür kein Geld mehr, jetzt organisieren die Menschen die Feste selbst. Und auch wenn sie überwiegend „weiß“ sind, bringen sie doch ein wenig Miteinander: Wir kennen jetzt zumindest drei Township-Häuser von Darling von innen, deren Bewohner sich zum Mitmachen entschlossen hatten – beides im Südafrika von heute keine Selbstverständlichkeiten.
Karten hatten wir problemlos bekommen, sogar für drei Touren – nur bei der Unterkunft mussten wir heftig suchen: Darling war schon ausgebucht, im 20 Kilometer entfernten Yzerfontein bekamen wir das letzte Zimmer in einem B&B.
Als wir am Freitagnachmittag in Darling ankamen, summte und brummte es bereits in dem kleinen Dorf; mit Mühe ergatterten wir einen Parkplatz. Die Organisation klappte hervorragend, kurz nach 17 Uhr saßen wir mit zwei Dutzend anderen Menschen in zwei afrikanischen Taxis (= Minibussen) und fuhren zu unserem ersten Wohnzimmer: Dort hörten wir Guy Buttery, einen in der Szene vermutlich sehr bekannten Gitarrenkünstler, der das Instrument gerade wieder neu erfunden hat und ihm wirklich erstaunliche Töne entlockte. (Das Haus gehörte übrigens Kapstadt-„Flüchtlingen“, die vor 14 Jahren nach Darling gezogen waren, um ihre Kinder hier großzuziehen und dies nicht bereut haben.)
Unsere zweite Station war im Township von Darling, eine Stand-up Comedian, die ihr Programm in Afrikaans darbot – einiges konnte man trotzdem verstehen, viel Gelächter aber ging an uns vorbei. Auch die dritte Station war im Township: eine afrikanische Tanzgruppe, deren Darbietung wohlwollend aufgenommen, aber vermutlich von niemand recht verstanden wurde.
Ähnliche Kulturtourneen gab es Samstag und Sonntag – mit einer klassischen Harfenistin (sie spielte in dem Haus einer Weißen aus Simbabwe, die vor vier Jahren nach Darling gezogen war und bedauerte, nicht schon 30 Jahre früher dorthin gekommen zu sein), zwei Kleinkunst-Pantomimen und einer an deutsche Ländlermusik erinnernde blinde Buren-Band und – am Sonntag – einer ambitionierten jungen Sängerin, die Miriam-Makeba-Lieder und Aretha-Franklin-Songs einstudiert hatte, einem schwarzen Stand-up-Comedian, der witzig Unterschiede zwischen Schwarz und Weiß aufs Korn nahm und einem Flötenspieler, der mit Klavierbegleitung klassische Fauré-Stücke intonierte. Und dabei hatten wir nur drei von sieben möglichen Kultur-Touren absolviert…
Darling platzte an diesem Wochenende aus allen Nähten. So langsam begreifen wir die Bedeutung dieser ländlichen Kulturfeste – der Staat gibt hierfür kein Geld mehr, jetzt organisieren die Menschen die Feste selbst. Und auch wenn sie überwiegend „weiß“ sind, bringen sie doch ein wenig Miteinander: Wir kennen jetzt zumindest drei Township-Häuser von Darling von innen, deren Bewohner sich zum Mitmachen entschlossen hatten – beides im Südafrika von heute keine Selbstverständlichkeiten.
Mittwoch, 1. September 2010
Bambi Kellermann
Gestern abend waren wir bei Bambi Kellermann. Bambi ist Evita Bezuidenhouts kleinere Schwester und wird ebenfalls von Pieter-Dirk Uys verkörpert, der als Bambi immer erklärt, dass die beiden Schwestern sich hassen und niemals, niemals gemeinsam an einem Ort anzutreffen seien.
Im Fugard-Theater hieß das Programm „F.A.K. Songs and other Struggle Anthems“ (F.A.K. steht dabei für Federation of Afrikaans Cultural Organisation, aber die sexuelle Anspielung ist durchaus gewollt), und es wurde heftig gesungen – Uys spielt mit Marlene Dietrich und Kurt-Weill-Liedern, die auf südafrikanische Verhältnisse umgedichtet wurden.
Der Aufführungs-Ort atmet südafrikanische Geschichte: Ursprünglich war das Fugard-Theater mal eine Kirche im District Six gewesen, dann – seit 1906 – ein Lager für ein Warenhaus. 1966 beschloss die Regierung, den Bezirk zum „weißen Gebiet“ zu erklären; die Vertreibung der 60.000 Bewohner gehört zu den bekanntesten Apartheid-Geschichten. Seit 2002 gehört das Gebäude zum (beeindruckenden) District Six Museum; seit kurzem ist dort das Fugard-Theater beheimatet, benannt nach dem südafrikanischen Dichter Anatol Fugard.
Mit auf der Bühne war „Bambi’s Bokkie Band“, und wir kannten viele der Musiker schon: Bis auf den Pianisten und Arrangeur Godfrey Johnson hatten wir sie alle schon bei MacMcKenzie’s Goema-Premiere gesehen. Und die Musik war wirklich ein Erlebnis; Godfrey (wir hatten ihn bei Mac kennen gelernt, als er mit ihm einige Lieder einübte) versteht sein Geschäft, und es war ein Vergnügen, ihm und den anderen zuzusehen (und zu hören!).
Aber Bambi hat nicht nur gesungen. Zwischen den Liedern erzählte sie ihre Geschichte – geboren als Baby Poggenpoel, verheiratet 1957 mit dem alten Nazi Joachim von Kellermann, der später in Paraguay Minister wurde, starb und eingeäschert immer mit Bambi weiter in der Welt herumreist – und verteilte satirische Spitzen zum Beispiel an Präsident Zuma, der in dieser Woche gerade von einem Staatsbesuch in China zurückgekehrt war („Gottseidank ohne eine chinesische Ehefrau“ – Zuma hat ja derzeit schon drei Ehefrauen und eine Verlobte, die ihn nach China begleitet hat) oder an den ANC, dessen Abkürzung man jetzt so dechiffriert: A New Corruption.
Das Publikum amüsierte sich, auch wenn einige Teile schwierig zu verstehen waren: manche Afrikaans-Texte für uns, manche deutsche Passagen für Südafrikaner, manche Anspielungen auf die Weimarer Republik, Josef Mengele und Martin Bormann für die historisch nicht so Bewanderten. Im Englischen würde man sagen: a must see! Sieben Vorstellungen in der Woche, 18 Tage lang: Ein starkes Programm. Hoffentlich gehen die Kapstädter hin!
Im Fugard-Theater hieß das Programm „F.A.K. Songs and other Struggle Anthems“ (F.A.K. steht dabei für Federation of Afrikaans Cultural Organisation, aber die sexuelle Anspielung ist durchaus gewollt), und es wurde heftig gesungen – Uys spielt mit Marlene Dietrich und Kurt-Weill-Liedern, die auf südafrikanische Verhältnisse umgedichtet wurden.
Der Aufführungs-Ort atmet südafrikanische Geschichte: Ursprünglich war das Fugard-Theater mal eine Kirche im District Six gewesen, dann – seit 1906 – ein Lager für ein Warenhaus. 1966 beschloss die Regierung, den Bezirk zum „weißen Gebiet“ zu erklären; die Vertreibung der 60.000 Bewohner gehört zu den bekanntesten Apartheid-Geschichten. Seit 2002 gehört das Gebäude zum (beeindruckenden) District Six Museum; seit kurzem ist dort das Fugard-Theater beheimatet, benannt nach dem südafrikanischen Dichter Anatol Fugard.
Mit auf der Bühne war „Bambi’s Bokkie Band“, und wir kannten viele der Musiker schon: Bis auf den Pianisten und Arrangeur Godfrey Johnson hatten wir sie alle schon bei MacMcKenzie’s Goema-Premiere gesehen. Und die Musik war wirklich ein Erlebnis; Godfrey (wir hatten ihn bei Mac kennen gelernt, als er mit ihm einige Lieder einübte) versteht sein Geschäft, und es war ein Vergnügen, ihm und den anderen zuzusehen (und zu hören!).
Aber Bambi hat nicht nur gesungen. Zwischen den Liedern erzählte sie ihre Geschichte – geboren als Baby Poggenpoel, verheiratet 1957 mit dem alten Nazi Joachim von Kellermann, der später in Paraguay Minister wurde, starb und eingeäschert immer mit Bambi weiter in der Welt herumreist – und verteilte satirische Spitzen zum Beispiel an Präsident Zuma, der in dieser Woche gerade von einem Staatsbesuch in China zurückgekehrt war („Gottseidank ohne eine chinesische Ehefrau“ – Zuma hat ja derzeit schon drei Ehefrauen und eine Verlobte, die ihn nach China begleitet hat) oder an den ANC, dessen Abkürzung man jetzt so dechiffriert: A New Corruption.
Das Publikum amüsierte sich, auch wenn einige Teile schwierig zu verstehen waren: manche Afrikaans-Texte für uns, manche deutsche Passagen für Südafrikaner, manche Anspielungen auf die Weimarer Republik, Josef Mengele und Martin Bormann für die historisch nicht so Bewanderten. Im Englischen würde man sagen: a must see! Sieben Vorstellungen in der Woche, 18 Tage lang: Ein starkes Programm. Hoffentlich gehen die Kapstädter hin!
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