Kleiner Zwischenstopp in Europa: die Buchmesse in Leipzig. Serbien war zwar das diesjährige Schwerpunktthema, aber sonst spielte das Ausland auf der Messe kaum eine Rolle, und das fernere schon gar nicht. Wenn da nicht die Literaturexperten des kleinen Saarländischen Rundfunks gewesen wären - aber davon später.
Leipzig ist die weite Anreise wert gewesen. Ein Massenerlebnis zwar, vor allem bei den Straßenbahnfahrten zum Messegelände (Sardinen-Gefühle sind nichts dagegen), aber in dem ganzen Rummel gab es doch jede Menge interessanter Gespräche und Lesungen. Zunächst erschlägt einen das Angebot an Veranstaltungen (im Halb-Stunden-Rhythmus gibt es jeweils 10, 20, manchmal 30 Angebote; der Katalog ist eng bedruckte 430 Seiten stark), aber dann strebt man gezielt von einem Stand zum nächsten, von der politischen Prominenz (Blüm, Biedenkopf, Steinbrück) zur belletristischen (von Autor Uwe Timm bis Rezensent Denis Scheck). Wenn man Martin Pollack (hat den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung bekommen) von Galizien erzählen und das Desinteresse des Westens an der Ukraine und Weissrusslands beklagen hört, greift man sogleich zu seinem Buch („Der amerikanische Kaiser“), das Cord Aschenbrenner in der NZZ schon so klug besprochen hat und längst auf der langen Leseliste steht.
Wer aus Kapstadt kommt (wo Europa in den Medien so gut wie gar nicht vorkommt), möchte natürlich auch von den zwei sachkundigen FAZ-Redakteuren Eckart Lohse und Markus Wehner noch näher erläutert bekommen, warum der populäre Baron so spektakulär über sich selbst stolpern konnte - nächste Woche erscheint eine aktualisierte Auflage ihrer Guttenberg-Biographie, die um ein Kapitel über den Rücktritt erweitert ist. Ebenso gewinnend die Auftritte von Helmut-Kohl-Sohn Walter, der beredt und offenbar sehr mit sich im reinen darüber spricht, wie schwer es bei einem solch übermächtigen politischen Vater ist, sein eigenes Leben zu leben - und wie viel Zuspruch er nach Erscheinen seines Buches von Politiker-Kindern aus West und Ost erhalten hat. (Aus Kapstädter Perspektive fallen einem dazu der Sohn und der Neffe des südafrikanischen Präsidenten ein, die offenbar gern und ohne Scham Nutznießer des berühmten Namens sind und, so Kulubuse Zuma, gar nicht genug Luxusschlitten in ihrer Garage stehen haben können.)
Auf der Buchmesse spielte Afrika nur eine kleine Rolle; bei Promi-Präsentationen galt das Interesse eher den aus Film und Fernsehen bekannten Damen. Immer wenn Veronica Ferres ihr Kinder-Buch vorstellte, interessierten sich Massen - natürlich für sie, nicht für das Thema -, und auch heute-journal-Moderatorin Marietta Slomka zog mit ihrem „afrikanischen Tagebuch“ Menschenmengen an. Beinah hätte es aber auch ein Sachbuch zu Prominenz gebracht: Die „Zeit“-Journalistin Andrea Böhm war mit ihrem (sehr empfehlenswerten!) Kongo-Buch für den Sachbuch-Preis der Buchmesse nominiert (gewonnen hat ihn dann Henning Ritter von der FAZ mit seinen „Notizheften“). Und der für die alltägliche Afrikaberichterstattung so wichtige Dominic Johnson füllte das viel zu kleine taz-Auditorium spielend. „Afrika vor dem großen Sprung“ war seine Botschaft. Gewürdigt wird darin u.a. die unternehmerische Eigeninitiative - die entwicklungspolitische Hilfsindustrie (zu der man ja auch inzwischen viele Promis zählen muss) kam hier in Leipzig eher schlecht weg.
Und natürlich waren unsere „Leuchttürme“ (so nennt man das ja heute - wenn man an den südafrikanischen Rundfunk denkt, überstrahlen sie alles) auf der Messe: Arte, 3Sat, der Deutschlandfunk und natürlich ARD und ZDF mit ihren Literatursendungen. In einer Hörfunksendung des Saarländischen Rundfunks, die live von der Messe ausgestrahlt wurde, war Renate zu Gast und durfte acht Minuten lang von der „Katerstimmung am Kap“ erzählen. Auch wenn die Buchverkäufe trotzdem wohl kaum groß anziehen werden: Der Leipzig-Ausflug hat sich gelohnt.
SR-Moderator Jürgen Albers hat uns auch aus dem Herzen gesprochen, als er in seiner Anmoderation die Omnipräsenz kichernder Mangas kritisierte: aufgekratzte und aufgeputzte junge Leute, die die japanische Comic-Reihe zum Anlass nehmen, in bunten Kostümen mehr oder weniger bekleidet über die Messe zu ziehen - und in ihrer Massierung langsam wirklich störten.
Wohl auch deshalb wirkten die Veranstaltungen in der Stadt so wohltuend. „Leipzig liest“ lud im ganzen Stadtgebiet zu Begegnungen ein. Christian Brückner (auf den Messeplakaten angekündigt als „deutsche Stimme von Robert de Niro“) mit Tucholskys „Rheinsberg“ und einem Septett von Beethoven; Kabarettist Peter Ensikat mit herrlich-bösen Texten über die deutsche Einheit ("Ihr könnt ja nichts dafür"), Matthias Politycki mit seinem Hörbuch „London für Helden“ über die britische Bier-Kultur, die Stadtführung der „Leipzigerin“ alias Dr. Kirsti Dubeck über das „literarische Leipzig“, die Vorstellung des jüdischen Friedhofs in Berlin-Weissensee durch die Filmemacherin Britta Wauer. Für ihren Film über diesen größten jüdischen Friedhof in Europa hat sie gerade einen Publikumspreis auf der Berlinale bekommen, er kommt Anfang April in die Kinos.
Fazit: Im nächsten März soll es wieder nach Leipzig gehen. Ein guter Rat: Möglichst früh eine Unterkunft buchen - sonst wird es teuer…
In der kommenden Woche melden wir uns dann wieder aus Kapstadt!
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