Kapstadt hatte während der WM auch eine Fanmeile: von der Grand Parade, dem Platz vor dem Rathaus, bis hin zum neuen Stadion in Green Point. Da war während des World Cups viel los; selbst Nichtfussballfans haben das entspannte Miteinander im öffentlichen Raum genossen. Denn das gibt es im Alltag sonst selten. Im „Normalfall“ bewegt sich die weiße Mittelschicht von einem mindestens eingezäunten, häufig von Kameras überwachten, vielfach sogar einzeln bewachten Gelände im eigenen Auto zum nächsten (etwa vom eigenen Haus zum Büro oder zur Shopping Mall). Wer von den townships der Schwarzen oder der Coloureds in die Stadt will, fährt meist „Taxi“: mit Minibussen, die sehr voll, aber nicht sehr sicher sind und deren Fahrer es meist sehr eilig haben. Die Weltmeisterschaft hat nun einen Schub gebracht, endlich erste Routen für ein öffentliches Busnetz einzurichten.
Der Spaziergang über die Fanmeile ist auch jetzt eine Freude. Es sind nur wenig Menschen unterwegs, aber alles ist ordentlich angelegt und enthält vor allem ein Versprechen: ein nichtkommerzialisierter öffentlicher Raum. Warum hat man die Brücken über die vielbefahrene Buitengracht bloß nicht früher gebaut? Vor dem Stadion sehen wir dann die erste Busstation. Wow! Gegen Wind und Wetter geschützt, kann man dort ein- und aussteigen. Außer ein paar Arbeitern ist zwar niemand da, aber die Strecke ist ja auch noch nicht in Betrieb; es wird, so sehen wir später, an anderer Stelle noch gebaut. Schon jetzt aber hat Green Point, so heißt dieser Teil Kapstadts, mächtig gewonnen.
Wenn es gelingt, ein öffentliches Bussystem so stark zu machen, dass auch der ständig wachsende Individualverkehr mit seinen elenden Staus zurückgedrängt werden kann, dann ist wirklich etwas gewonnen. Apartheid war ja auf Trennung angelegt, hier könnten nun in mehrfacher Hinsicht neue Verbindungen entstehen. Das wäre wirklich die vielbeschworene und im politischen Alltag längst als Waffe benutzte „Transformation“.
Befahren wird derzeit nur die Strecke vom Gebäude der Stadtverwaltung zum Flughafen, die Busse sind meist leer, aber ein Anfang ist gemacht. Die Linie soll bis nach Atlantis, weit im Norden der Stadt, verlängert werden.
Atlantis - das ist eine Geschichte für sich. Die Apartheidbürokraten begannen 1977 dort eine neue Stadt aus dem Boden stampfen, um Coloureds dorthin zu locken bzw. auszusiedeln und Industrie anzusiedeln. 2010 sollten dann eine halbe Million Menschen in Atlantis leben. Was man heute dort sieht, ist das Scheitern dieser Art von social engineering - ein trauriger und trostloser Ort, an dem Betriebe eher schließen als neu entstehen.
Dass nun dorthin die erste Buslinie eingerichtet wird, hat den ANC auf den Plan gerufen, den es ohnehin wurmt, dass in der Kapprovinz nun die Democratic Alliance unter Helen Zille regiert. Die Entscheidung zeige ein weiteres Mal den rassistischen Charakter der DA: Der größere Bedarf an öffentlichen Transportmöglichkeiten sei doch im riesigen, ganz überwiegend schwarzen Khayelitsha im Osten der Stadt. Doch dorthin gibt es immerhin eine Bahnlinie. Gerade erst, eigentlich muss es heißen: endlich, ist der Bahnhof von Kapstadt renoviert worden. Hell und freundlich sieht er nun von innen aus, und die Fliesen sind so blank, dass man dort sogar ausrutschen kann, hat uns eine stolze Kapstädterin gewarnt. In der kommenden Woche werden wir uns das einmal anschauen.
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