Seit über einer Woche streiken in Südafrika mehr als eine Million Angestellte des öffentlichen Dienstes – vor allem Lehrer und das Gesundheitspersonal. „Gehen Sie mal aufs Amt, wenn sie einen Antrag abgestempelt haben wollen“, sagt uns ein Südafrikaner. „Da sitzen die Leute herum, und alles dauert ziemlich lange. Aber wenn sie streiken, dann tanzen und springen sie (toyi-toying genannt) und entwickeln sie plötzlich eine ungeahnte Energie, als ob sie an den Olympischen Spielen teilnehmen wollten.“
Der Tanz der Streikposten vor den Polizisten in Kimberley lässt ein wenig von dieser Energie ahnen: Vor der City Hall kämpfen tanzend ungefähr 100 Streikende – ihnen stehen fast ebenso viele Polizisten gegenüber. Am Ende zieht sich die Polizei mit ihrem Wasserwerfer langsam zurück. Sein Wasser ist mit blauer Farbe versetzt – sie lässt sich von der Haut nur schwer wieder abwaschen und erleichtert die Festnahmen, erklärt uns ein wohlgenährter Passant vor seinem Auto. Er hat Verständnis für die Streikenden: „Sie wehren sich dagegen, dass die Regierung sie ausplündert.“ Die Streikenden selbst erzählen, dass die hellblaue Flüssigkeit unangenehm auf der Haut ist.
Die Gewerkschaft verlangt 8,6 Prozent mehr Lohn und 1000 Rand Wohngeld, die Regierung will nur 7 Prozent und 700 Rand geben. Ein junger Lehrer verdient 12.000 Rand im Monat, umgerechnet 1.200 Euro. Wenn man einer (alleinerziehenden) Lehrerin zuhört, die eine Hypothek auf ihrem Haus abzahlt und klagt, dass sie sich nicht einmal ein Auto leisten könne, kann man den Streik schon verstehen.
Die Regierung aber bleibt diesmal hart, argumentiert - ebenfalls verständlich -, dass diese wieder über der Inflationsrate liegenden Lohnerhöhungen auf Kosten drängender anderer Ausgaben (für die Menschen ganz ohne Job und für die Infrastruktur) gehen würden. In den letzten fünf Jahren haben sich die Ausgaben für den öffentlichen Dienst fast verdoppelt. Weil der Streik zudem essentielle öffentliche Bereiche trifft, sammelt die Regierung mit ihrer harten Haltung bei der Bevölkerung im Moment Punkte (sogar im SABC-Fernsehen locker „brownie points“ genannt).
Angesehen ist der Lehrerberuf ohnehin nicht. Immer wieder hören wir Schauergeschichten aus südafrikanischen Schulen: von Lehrern, die überhaupt nicht zum Unterricht erscheinen, weil sie keine Lust haben oder nebenbei ein Taxiunternehmen betreiben; von Schülern, die beim Schulabschluss noch nicht einmal ihren Namen richtig schreiben können; von Schulen, die korrupte Ministerialbeamte erfunden haben, um Gelder für sie abrechnen zu können, die aber niemals existiert haben. Südafrika gibt viel Geld für Bildung aus, aber die Qualität der Schulbildung in vielen öffentlichen Schulen ist so miserabel, dass das Land in internationalen Vergleichsstudien à la Pisa schlecht abgeschnitten hat – seitdem nimmt es an vielen Studien gar nicht mehr teil.
Selbst Rita Weissenberg von „Shine“, die für die Arbeit mit pensionierten Lehrern im vergangenen Jahr den „Reconciliation Award“ des „Institute for Justice and Reconciliation bekommen hat, sagt nach einem Halbsatz mit Hinweis auf gute Pädagogen über die Lehrergewerkschaft SADTU: „I’m fed up with them.“ Und der „Mail & Guardian“ kommentierte letzte Woche: „Die Lehrergewerkschaft gehört ganz eindeutig zu den Haupthindernissen für die Reform eines vergleichsweise teuren und auf groteske Weise unzureichenden Bildungssystems.“
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