„Übernachtet doch auf der Farm“, rief Dieter ins Telefon, als wir uns bei ihm aus Kimberley meldeten. Richmond lag dafür in der Tat günstig, in diesem großen Land nur ein paar hundert Kilometer entfernt, und so lernten wir „Stille Waters“ kennen, eine Farm in der Karoo.
David und Kerstin mit ihren kleinen Kindern John und Hannah sind seit einem guten Jahr auf dieser Farm. Der nächste Kindergarten ist 60 Kilometer entfernt, der nächste große Laden auch – Holz für den Kamin, Milch, Tomaten und Bohnen hatten wir unterwegs für den Abend eingekauft.
5000 Hektar ist die Farm groß, vier Arbeiter leben mit ihren Familien auf der Farm. David erzählt, dass Vieh auch gewildert wird. Vor kurzem war ein Schaf getötet und das Fleisch im Graben versteckt worden – was der Farmer aber entdeckt hatte. Nachts legten er sich mit einem seiner Farmarbeiter in der Nähe auf die Lauer und erwischte einen Mann, der das Fleisch wegbringen wollte. „Die Täter sind hier cleverer als die Polizei“, erzählt er. Sie operieren zu dritt, einer fährt mit dem Fahrrad ganz harmlos vorbei und sondiert die Lage, ein anderer kommt dann zu Fuß, wenn die Luft rein zu sein scheint. Und der dritte beobachtet mit dem Fernrohr, was passiert und gibt per Handy Anweisungen. „Technisch sind die besser ausgerüstet als wir“, meint David.
Ein Polizist aber ist wachsam. Als wir auf der Farm übernachteten, kam abends um elf Uhr ein Streifenwagen vorbei. Der Polizist hatte Licht in dem Haus gesehen, in dem wir übernachteten und wollte wissen, ob alles in Ordnung sei. Dem Farmer hat er erzählt, dass er allein unterwegs sei, weil seine Kollegen lieber in der Wachstube säßen. Er hat versucht, von seinem Chef ein „unmarked“ Auto zu bekommen, also eines, das nicht gleich als Polizeifahrzeug erkennbar ist. Solche hat die Station auch. Aber der Chef hatte abgewunken…
Dieses Engagement ist schon außergewöhnlich – es gibt genug Geschichten, dass die Farmer oft ganz auf sich allein gestellt sind und von den Behörden keinerlei Hilfe erhalten. Und wenn sie mal jemand „red-handed“ (auf frischer Tat) geschnappt haben, dann wird der Fall oft so schlampig aufgenommen, dass kein Gerichtsverfahren möglich ist. Aber nun scheint es besser zu werden, ein patenter Polizist wurde nach Richmond versetzt, und die Farmer haben bereits ein Treffen mit der Polizei abgehalten. „Wir können nur Erfolg haben, wenn wir auch ihre Probleme verstehen“, sagt David.
Am nächsten Morgen machen wir uns nach einem Spaziergang um das Wasserreservoir (es weht ein kalter Wind!) wieder auf den Weg, schauen noch an der Hauptstraße von Richmond bei den Buch-Häusern vorbei (mittlerweile fünf Häuser im Dorf sind mit alten Büchern gefüllt, die Bibliotheken aussortiert haben; man kann stöbern und kaufen, und im Oktober gibt es ein Buch-Festival mit vielen Autoren, die dann in Richmond lesen – aber das ist eigentlich schon wieder eine ganz eigene Geschichte), und wir haben neue Hochachtung vor dem Farmerleben gewonnen.
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