Sonntag, 29. August 2010

Konzentrationslager

In Hopetown entdecken wir an einer Tankstelle auf der Schnellstraße ein Werbeblättchen: Ein paar Kilometer entfernt liegt eine kleine Farm, auf deren Gebiet noch Überbleibsel aus dem „Anglo-Boer War“ zu finden seien. Kurz entschlossen fahren wir dort hin und klingeln. Ja, sagt Rina Wiid, die Farmersfrau, sie könne uns das alles zeigen. Wir klettern vorn ins Bakkie: Zwei Stunden dauert die Tour mit Rina.
Als die Wiids Mitte der 90er Jahre die Farm kauften, ahnten sie nichts von der Geschichte dieses Geländes. Aber mit der Zeit entdeckten sie, dass um 1900 hier tausende britische Soldaten stationiert waren – und ein Konzentrationslager errichtet wurde. Wer mit Rina über das Gelände geht, entdeckt lauter Kleinigkeiten: verrostete Dosen, Flaschenöffner, Uniformknöpfe, Pfeifenteile, Munitionsreste – alle Fundstücke hat sie sorgfältig dokumentiert. Mit den Jahren ist Rina eine Expertin in Sachen Burenkrieg geworden. Und sie zweifelt die offizielle Geschichtsschreibung an: Es seien vermutlich sehr viel mehr Buren umgekommen als bis jetzt angenommen.
Auch ein kleiner Friedhof mit einem Mahnmal gehört zu ihrer Farm. Aus dem Kriegsmuseum in Bloemfontein wissen wir, dass in den Lagern vor allem Kinder umgekommen sind. Als Erdmännchen auf ihrem Friedhof einige Knochen ausgebuddelt hatten und Rina sie in Pretoria untersuchen ließ, stellte sich heraus, dass es Knochen von zwei Kindern waren – obwohl laut offizieller Liste eine erwachsene Frau in dem Grab beerdigt sein sollte. Rina vermutet, dass sie darunter liegt - ein Beleg dafür, dass es mehr Tote gegeben hat, als die offiziellen Listen besagen.
In der Nähe des Friedhofes hat sie in einem Häuschen, Teil des ehemaligen Krankenhauses, ein kleines Museum eingerichtet, in dem viele Fotos und Fundgegenstände die Geschichte des Lagers dokumentieren. Für uns neu: In diesem Lager waren schwarze und weiße Südafrikaner gemeinsam inhaftiert. „Sie haben die Schwarzen benutzt, um die Buren zu demütigen“, sagt Rina dazu. In den Archiven sei bei manchen Kindern „Vater unbekannt“ notiert worden, das seien von Briten oder von schwarzen Südafrikanern gezeugte Kinder gewesen. Das habe man aber vor der Öffentlichkeit geheimzuhalten versucht.
Steine markieren, wie groß die Zelte waren, in denen die Gefangenen leben mussten. Zwei Dutzend Menschen auf engstem Raum – und das bei 45 Grad Hitze im Sommer und Minustemperaturen im Winter.
Auch Nachfahren der Buren, die hier inhaftiert waren, haben das Museum bereits besucht. Und Rina hat ihr Wissen auch zu Papier gebracht, mit Fotos als Belegen und Fußnoten mit Verweisen auf Literatur und Archive. Und das alles in diesem spärlich ausgestatteten Framhaus.„Das ist alles aus privater Initiative geschehen“, sagt sie. „Der Staat hat kein Interesse an dieser Geschichte.“ Demnächst wird sie aber in Bloemfontein im Museum über das berichten, was sie auf ihrer Farm gefunden, dokumentiert und in verschiedenen Broschüren festgehalten hat.
Zurück in Kapstadt werden wir das neue Buch von Bill Nasson über den Anglo-Burischen in der „Book Lounge“ abholen und nun bestimmt bald lesen.

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