Donnerstag, 5. August 2010

Gertrud

Gertrud macht dienstags in der Bath Street sauber – auch für sie war die Fußball-WM ein großes Ereignis für Kapstadt: „Die Stadt war voller Menschen!“ Gertrud wohnt in Kayelitsha, einem großen Township ungefähr 20 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Sie ist erstaunt, dass wir es kennen und sogar schon dort gewesen sind – für die meisten Weißen sind die Townships unbekanntes Gebiet. Drei Kinder hat sie, die Tochter studiert an der Universität von Kapstadt - das kostet 2.100 Rand Gebühren im Jahr. Sie aufzubringen, ist jedes Jahr schwierig.
Auf dem Weg zur Arbeit muss Gertrud zweimal das Sammeltaxi wechseln, eine Tour kostet sie 21 Rand. Seit der Fußball-WM gibt es zwar auch eine städtische Buslinie, aber mit der wäre sie länger unterwegs, und sie ist auch noch einen Rand teurer: Da bleibt sie lieber bei den Sammeltaxis.
In der Presse wurde gerade eine Untersuchung zitiert, nach der Südafrika in einer Statistik weltweit führend ist: In keinem anderen Land geben die Leute soviel Zeit und einen so großen Anteil ihres Einkommens für den Weg zur Arbeit aus. Bei Getrud ist es ein knappes Drittel. Die Infrastruktur ist für die WM zwar deutlich verbessert worden, aber für sie brachte das Spektakel direkt keinerlei Fortschritt.
Das deckt sich mit den Beobachtungen von Otto Kohlstock, der als Pastor im Township Philippi Armenprojekte betreut. In seinem neuen Rundbrief kann er keine positiven Aspekte der WM entdecken: Für die Armen habe sie nichts gebracht. Und nur ein einziger seiner „Kunden“ habe ein Spiel im Stadion gesehen – weil Kohlstocks Förderverein ihm ein Karte geschenkt hatte. Viele seien durch die WM sogar noch ärmer geworden: weil die fliegenden Händler ausgesperrt wurden und viele ihre Waren nicht mehr verkaufen konnten. Niemand in den Townships spreche heute noch von der WM. Nur die Fifa durfte ihren Gewinn steuerfrei ins Ausland exportieren.


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