Freitag, 27. Mai 2011

Ausgebloggt

 Und mit einem Bild aus St. James/Kalk Bay - der Urnengang zur Kommunalwahl wurde von freundlichen Polizisten gesichert - verabschieden wir uns erst einmal aus Südafrika: Die drei Monate sind wieder einmal schneller um als gedacht, die Zeit vor der Abreise war wieder einmal viel zu kurz, einige Blog-Entwürfe bleiben noch im Computer. Wir sagen danke fürs Mitlesen und -denken! Und bis demnächst vielleicht, vielleicht sogar in Kapstadt...
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Montag, 16. Mai 2011

Franschhoek Literary Festival

In den vergangenen drei Tagen war fast alles, was in Südafrikas Literaturszene Rang und Namen hatte, nach Franschhoek gekommen: zum fünften Literatur-Festival. Der kleine Wein- und Gourmet-Ort wurde von den Buchfreundinnen und -freunden voll in Beschlag genommen - drei Tage lang, mit 70 Veranstaltungen in der Kirchenhalle, der Schulaula, in Seminarräumen und mehr als 7.000 verkauften Tickets. Ein tolles Erlebnis - und obwohl wir mit 15 Veranstaltungen ein prall gefülltes Programm absolviert haben, hätte es noch viel mehr Interessantes gegeben.

Wir sind in erster Linie zu den politischeren Veranstaltungen gegangen. Die Hochschulprofessoren Jonathan Jansen und Francis Wilson diskutierten über „Leadership and Innovation“, die Simbabwe-Experten Douglas Rogers („The Last Resort“) und Peter Godwin („The Fear“) zeigten sich sehr pessimistisch über die Zukunft dieses Landes, Mondli Makhanya diskutierte mit zwei weiteren Journalisten über Bedrohungen der Pressefreiheit, Tim Couzens und Max du Preez unterhielten sich über die Schwierigkeiten, noch Neues über Nelson Mandela zu schreiben. Nach all den kritischen Bestandsaufnahmen der Gegenwart sehr berührend war unsere Abschluss-Veranstaltung zu den „Struggle Stalwarts“, in der Ronnie Kasrils, Lynn Carneson und Hugh Lewin noch einmal lebendig werden liessen, mit welchem Mut Menschen gegen die alte Apartheid-Ordnung gekämpft hatten.

60 Rand kostete der Eintritt zu jeder Veranstaltung - und nach fünf Jahren ist dadurch soviel Geld zusammen gekommen, dass die geplante neue Bibliothek mit Kommunikationszentrum für Franschhoek jetzt gebaut werden kann.

Sonntag, 15. Mai 2011

Die Toilettenwahl

(rwl) Die "Toilettenwahl" - so hat die Wochenzeitung Mail & Guardian die Kommunalwahlen am 18. Mai charakterisiert. Für die neue Demokratie, gerade erst 17 Jahre alt, wie immer betont wird, ist das ein peinliches, aber für die gegenwärtige Katerstimmung auch charakteristisches Verdikt. Der Streit um die Toiletten währt nun schon viele Monate. Angefangen hat alles 2009 in Kapstadt.

Eine Stadt wie Kapstadt so zu regieren, dass die Bürgerinnen und Bürger zufrieden sind, ist ein harter Job. Die Bewohner der wohlhabenderen Vororte möchten, dass die guten Standards der Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen aufrecht erhalten werden. Sie verweisen gern darauf, dass sie ja schließlich Steuern zahlen. Die in den townships lebenden Menschen möchten, dass sich ihre Lebensbedingungen verbessern, sie möchten solide Häuser, geteerte Straßen, eine Klinik in der Nähe. Die Neuzuwanderer (jedes Jahr kommen 18 000 Familien zusätzlich nach Kapstadt) in den „informal settlements“, erst jüngst errichteten Siedlungen mit shacks (selbstgebauten Buden), möchten ein stabiles Dach über dem Kopf und überhaupt erst einmal Anschluss an das Wasser- und Stromnetz. Und neben diesen konkurrierenden Interessen gibt es ja noch andere Aufgaben, will die Stadt weitere Arbeitsplätze schaffen und Touristen anziehen. Nun wirbt die regierende Democratic Alliance im Wahlkampf damit, dass sie für alle sorge („Delivery for All“).

Wahrscheinlich verflucht sie den Tag, als sie sich 2009, wohl in guter Absicht, einfallen ließ, bei der Verbesserung der Lebensbedingungen, upgrade genannt, in einem dieser informal settlements einen unkonventionellen Weg zu gehen. Die nationale (ANC-)Regierung hat festgelegt, dass pro fünf Familien ein Toilettenhäuschen errichtet wird. Damit dennoch mit dem gleichen Budget jede Familie eine Toilette bekommt, vereinbarte die DA-Regierung mit der „community“, dass sie nur die Toiletten liefert und ans Netz anschließt, dafür aber die Familien das Häuschen darum selbst bauen. Die ganz große Mehrheit (1265 Familien) machte das auch, 51 Familien aber konnten oder wollten den Sicht- und Wetterschutz nicht errichten.

Das war der Beginn des Kapstädter Toilettenkrieges, der nun seit Wochen das ganze Land beschäftigt: Die Jugendliga des ANC erkannte schnell die gute Gelegenheit, aus der Verlegenheit der Nutzer der im Freien stehenden Toiletten politisches Kapital zu schlagen und die verhasste Stadtregierung in Verlegenheit zu bringen: Seht, so geht die DA mit armen Leuten um! Sie reichte Klage bei der Menschenrechtskommission ein, die DA reagierte darauf mit der Umkleidung der Toiletten mit Wellblech, Bürgermeister Don Plato kam höchstpersönlich, um sie zu übergeben. Doch die Jugendliga verjagte den Bürgermeister und riss einen Teil der „minderwertigen“ Wellblechverkleidungen gleich wieder ein. Daraufhin ließ der Bürgermeister die Klos ganz abbauen. Ein Versuch von ihm und Gouverneurin Helen Zille, in einem Gespräch eine Lösung zu finden, endete im Chaos, die Jugendliga drohte damit, die ganze Stadt unregierbar zu machen.

Die Menschenrechtskommission sah die Würde der Menschen verletzt und hielt der Stadt vor, die community nicht ausreichend und nicht angemessen konsultiert zu haben. Die Stadt wiederum fühlte sich zu Unrecht an den Pranger gestellt, hatte sie sich doch an die nationalen Regeln gehalten und versucht, das Beste daraus zu machen. Am Ende musste das Oberste Gericht der Westkap-Provinz (angerufen von der Jugendliga des ANC) entscheiden. Richter Nathan Erasmus ordnete an, dass die Stadt die Toiletten ordentlich verkleiden muss. Und er rügte die Konfliktparteien heftig - die Stadt in ihrer rechthaberischen Arroganz und die Jugendliga des ANC für die unappetitliche Doppelrolle ihres lokalen Vorsitzenden. Andili Lili war nämlich vom Bauunternehmen dafür angestellt worden, die Bevölkerung über die geplanten Maßnahmen und Bauarbeiten zu informieren und die Firma zu beraten.

Doch kaum war der Jubel vor dem Gericht verklungen, tauchten im Internet die ersten Vorhersagen auf: Dem ANC würden seine Freudenbekundungen, die DA-regierte Stadt vorgeführt zu haben, noch im Halse stecken bleiben. Denn es gebe ja genügend ANC-Kommunen, in denen die Menschenwürde verletzt würde. Die nächsten unverkleideten Toiletten waren schnell gefunden: Im township Rammulotsi nahe Viljoenskron im ANC-regierten Free State stehen sie seit Jahren im Freien. Und der zuständige Minister, eben jener Sicelo Shiceka (vgl. unseren Blog vom XX.XX.2011) soll das auch gewusst haben (was er mittlerweile bestritten hat).

Der ANC versuchte, zu retten, was zu retten ist, rückte mit viel Prominenz ins township ein, beteuerte, nichts von den unverkleideten Toiletten gewusst zu haben, befand, dies sei ein großer Skandal, versprach umgehende Abhilfe und forderte, bei den Verantwortlichen müssten jetzt „Köpfe rollen“. Was die Krisen-PR angeht, ist der ANC mit seiner schnellen, populistischen Reaktion der immer noch streng auf ihre gute Absicht und die Spielregeln pochenden DA um einiges voraus.

Von den größeren Zusammenhängen ist in der Wahlkampf-Stänkerei kaum noch die Rede. Gavin Silver von der Social Justice Coalition in Khayelitsha hält es für das Grundproblem, dass die informellen Siedlungen als temporär angesehen und nicht als dauerhaft akzeptiert werden. Südafrika erlebt seit dem Ende der Apartheid eine verspätete Verstädterung, die die Versorgung mit grundlegenden Diensten zum „moving target“ macht: Während man neue Siedlungen baut, entstehen gleich daneben die nächsten informellen Hütten.

Grundlegender noch hat sich gezeigt, dass die Vergabe von Häusern an Menschen, die keine Arbeit haben, neue Probleme schafft: Brauchen sie Geld, wird das Haus verkauft oder im kleinen Hinterhof ein „shack“ errichtet und an Neuzuzügler vermietet. Sehr viele Häuser sind zudem so schlecht gebaut, dass sie grundlegend saniert werden müssen. Das hat der für Wohnungsbau zuständige Minister Tokyo Sexwale jüngst eingeräumt. Und er hat auch durchblicken lassen, dass die Regierung nicht auf Dauer Häuser bauen und kostenlos abgeben könne.

Damit wird ein weiterer Konfliktpunkt sichtbar: Jan Hofmeyr vom Kapstädter Institute of Justice and Reconciliation stellte bei einem Seminar der Hanns-Seidel-Stiftung die Frage, was auf Gesellschaften zukomme, wenn die sozialen Grundrechte in der Verfassung garantiert seien, der Staat aber kein Geld habe, die entsprechenden Versorgungsleistungen zu finanzieren.

Samstag, 14. Mai 2011

„Rewind“ - A cantata for voice tape and testimony

(la) Als Südafrikaner vor der Truth and Reconciliation Commission (TRC) 1996 ihren Apartheid-Alltag schilderten und diese Anhörungen im Radio übertragen wurden, steuerte der Komponist Philipp Miller seinen Wagen oft an den Straßenrand und hörte zu. 2006, zehn Jahre später, komponierte er „Rewind - A cantata for voice tape and testimony“, die einige Aussagen vor der TRC in eine musikalische Form goss, und im Baxter-Theater von Kapstadt wurde diese Kantate in dieser Woche vor ausverkauftem Haus wieder aufgeführt. Ein eindrückliches Erlebnis!
Auf der Bühne saßen acht Musiker (Geige, Cello) in der zweiten Reihe, vier Sänger (Sopran, Mezzosopran, Bariton, Tenor) bildeten mit dem Dirigenten die erste - und hinter dem Gaze-Vorhang, auf den verschiedene Fotos und Videos projiziert wurden, war der ungefähr 80 Mann (und Frau) starke Chor platziert.
In 17 Szenen wurden einzelne Aussagen vor der TRC musikalisch interpretiert, auf den Vorhang projiziert und im Originalton eingespielt - eine Collage, die die Geschichten der Apartheid-Opfer auf eine sehr eigene Art in eine neue Dimension transponierte. Sibongile Khumalo, eine der bekanntesten (und vielseitigsten) Sängerinnen Südafrikas, war eine der vier tragenden Stimmen der Aufführung - aber auch die anderen (Nozuko Teto, Otto Maidi und Stefan Louw) überzeugten. Noch nie haben wir am Ende einer Vorstellung, nach 75 Minuten, in Kapstadt einen so lang anhaltenden Beifall gehört. Normalerweise klatschen die Theaterbesucher 30 Sekunden und gehen dann nach Hause; hier gab es mehrere Minuten standing ovations. „’Rewind’ ist soviel mehr als eine Oper“, hat Bischof Tutu, damals Leiter der TRC, gesagt. „Es ist ein wundervolles Mittel, unsere Geschichte zu erzählen und zum nation building beizutragen.“
In New York (2007) und London (2010) war „Rewind“ schon zu hören. Wann kommt es nach Berlin?

Montag, 9. Mai 2011

Die ANC-Regierung - Eine Ehegeschichte

Noch neun Tage bis zu den Kommunalwahlen - und viele Experten halten sie für die ersten spannenden Wahlen in Südafrika seit 1994, weil die Übermacht des ANC an manchen Orten nicht mehr so sicher ist. Über die Beziehung der Südafrikaner zum ANC hat Thembelani Vuntu gestern in der „City Press“ eine hübsche (Ehe-)Geschichte geschrieben.

If Politics was a romance, the ANC would be a player and an abusive husband.

Yes, the ANC would be the black guy from a poor background who rescued another poor black woman from an abusive rich white husband and married her 17 years ago.

He promised her heaven on earth when he proposed.

In the first five years, the marriage seems rosy and warm, with the man showing great commitment and displaying all the necessary qualities of a good caring husband.
He promises her a new house, job or business and all the other sweet things life has to offer.

Ten years pass. Nothing happens. The woman starts to complain and threatens to leave him, but being the smooth operator that he is, he talks her out of it and she gives him another chance. He assures her that all plans are in place and that he will deliver on his promises.

From time to time, he tells her he is the only man who understands her problems and therefore she shouldn’t even look at other men because they don’t care about her, all they want is to use her.

Fifteen years pass and still no house, no job or business. The woman gets very irritated and starts throwing tantrums, and rightfully reminds him how he has broken his promises.

Instead of delivering, he resorts to blackmail, going on about her past, telling her that she should stick with him no matter because of their history and she should never forget how much he sacrificed to free her.

Out of guilt, confusion and blind loyalty, the poor woman decides to give the marriage a chance again.

He has developed a tendency to disappear and reappear with small gifts and groceries only on their wedding anniversary, telling her lies about his whereabouts, reassuring the poor woman that she is his number one priority.

Ironically, he is the one who forgets where he comes from.

The man is living large now - huge mansions, fancy cars, expensive champagne, flying business class, living in luxury hotels, and sharing his wealth with his friends and his relatives while the poor woman gets deeper into poverty.

A luta continua, the struggle continues. Sorry, I mean the marriage continues.

See you in 2014.

Sonntag, 8. Mai 2011

Lion's Head

(la) Für Kapstädter ist es offenbar ein Sonntagsvergnügen: der Fußmarsch rauf auf den Lions Head. Als wir kurz vor 9 Uhr morgens an der Straße auf dem Weg zum Signal Hill parken wollen, stehen dort schon mindestens 40 Autos - Wanderer sind Frühaufsteher. „Mittags kann es da oben verdammt heiß werden“, erklärt Bill. „Habt Ihr genug Wasser mit?“ Eva und Bill werden uns heute zum Gipfel führen.

Die ersten Kletterer kommen den Weg schon wieder herunter, als wir uns aufmachen. Es geht gemächlich nach oben, und zunächst ist der Weg relativ breit. Vom Start weg hat man einen guten Blick über die Innenstadt von Kapstadt, und bald haben wir die andere Seite des Lions Head erreicht und blicken auf Camps Bay und den Atlantik. Der Ausblick verführt zu vielen Pausen; später sind sie mehr der Kondition geschuldet.

Es ist ein reges Kommen und Gehen, aber als wir uns auf dem Weg nach oben einmal um den Lions Head herumgeschraubt haben, wird der Weg eng, und das Klettern beginnt. Eine Stunde sind wir unterwegs, als wir an einer kleinen Weggabelung ankommen - rechts über uns arbeiten sich Jugendliche mithilfe von Ketten an einer abenteuerlichen Wand hoch. „Nein, wir wollen sie nicht gleich beim ersten Mal umbringen“, sagt Eva und entscheidet sich gegen die Abkürzung.

Manche Baumwurzeln auf dem Weg sind von den vielen Füßen, die über sie geklettert sind, höchst rutschig; man muss aufpassen. Auch der Wind bläst manchmal ziemlich kräftig. „Alles okay?“, fragt Bill - aber wir wollen natürlich nach oben: Weiter! Als wir die Leitern erreichen, die das Erklimmen einiger Felsen erleichtern, ahnen wir, dass der Gipfel nicht mehr weit ist. Noch einige Meter, dann ist es geschafft: Der Lions Head (669 Meter hoch) ist bestiegen. Kekse und Käse werden ausgepackt, eine Flasche Sekt wird entkorkt: Gipfelfrühstück!

Der Abstieg erfordert noch einmal die volle Konzentration - und nach drei Stunden sind wir wieder am Parkplatz angelangt. Ein toller Ausflug, meint Renate: „So etwas könnten wir eigentlich jede Woche machen.“

Samstag, 7. Mai 2011

Die Kupferdiebe von Kapstadt

(la/rwl) Kapstadt exportiert Kupfer - obwohl die Stadt gar keine Kupfermine hat. Was exportiert wird, ist Diebesgut, das über sogenannte „bucket shops“ wieder in den Wirtschaftskreislauf kommt. Jedes Jahr wird in Südafrika Kupfer für fünf Milliarden Rand - 500 Millionen Euro - geklaut, schätzen die Behörden, und Kapstadt liegt an der Spitze der Statistik.

Seit 1997 hat Kapstadt eine eigene Polizeieinheit, die sich darum kümmert: die Metal Theft Unit, heute bekannt als die „Copperheads“. Bei einer Razzia vor drei Tagen im Stadtteil Bonteheuwel war die DA-Kandidatin für das Bürgermeisteramt, Patricia de Lille, dabei. Die „Cape Times“ schrieb mit, als einer der Kabeldiebe ihr erklärte: „Wir machen das, damit wir etwas zu essen haben. Für uns gibt es keine Jobs, keine Schule - Tausende leben hier vom Müll.“

Zwei Tonnen Kupfer finden die Copperheads bei ihren Razzien im Jahr; in der Stadt brennen tagsüber viele der 300.000 Straßenlaternen, um den Kabeldiebstahl zu verhindern; öffentliche Wasserhähne sind nicht mehr aus Kupfer, sondern nur noch aus Plastik; Polizeihunde sind mittlerweile darauf trainiert, Kupfer zu riechen. Auf sechs Millionen Rand schätzt die Stadt den Schaden, den die Kabeldiebe jedes Jahr anrichten.

„Das Geld, das wir für die Reparaturen ausgeben müssen, können wir nicht für die Verbesserung der städtischen Dienstleistungen einsetzen“, versuchte de Lille die Menschen in Bonteheuwel zu überzeugen. Die Verlockung aber ist groß: Für eine Tonne Kupfer bekommt man auf dem Exportmarkt 60.000 Rand. Manche der „bucket shops“ weisen die Diebe sogar daraufhin, dass der Ankaufpreis variieren könne - schließlich fluktuiere der Weltmarktpreis ja auch.

Mit Kupferkabeldiebstahl endet übrigens auch ein Essay von Südafrikas renommierter Soziologin Deborah Posel. Sie erzählt von der Enttäuschung über eine junge wissenschaftliche Mitarbeiterin, in die sie große Hoffnungen gesetzt und zu der sie so etwas wie ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt hatte. Die Frau wird schließlich von township-Mitbewohnern wegen Kabelklaus der Polizei übergeben. Deborah Posel hat ein Lehrstück darüber geschrieben, wie ihr und der Universität langsam dämmert, dass etwas nicht in Ordnung ist, welche Art von „ungleichen“ Beziehungen es im Nach-Apartheid-Südafrika gibt und wie linksliberale Akademiker damit umgehen (erschienen in dem auch sonst sehr lesenswerten Band „Load Shedding“, herausgegeben von Liz McGregor and Sarah Nuttall).

Dienstag, 3. Mai 2011

Altersfragen

(rwl) Manchmal sind einfache Statistiken ziemlich aufschlußreich. Auf einer website des „Media Studies Department“ der University of the Witwatersrand, kurz Wits, ist im November 2010 eine Übersicht über das Alter von Politikern in Afrika und in der westlichen Welt veröffentlicht worden.

Afrikanische Regierungschefs
Robert Mugabe (Simbabwe): 86
Abdoulaye Wade (Senegal): 83
*Hosni Mubarak (Ägypten): 82
Paul Biya Mbinvondo (Kamerun): 77
Bingu Wa Mutharika (Malawi): 76
Ellen Johnson Sirleaf (Liberia): 75
Hifikepunye Pohamba (Namibia): 74
Rupiah Banda (Sambia): 73
Mwai Kibaki (Kenia): 71
Colonel Gaddafi (Libyen): 68
Jacob Zuma (Südafrika): 68

Westliche Regierungschefs
Herman von Rompuy (EU): 62
Angela Merkel (Deutschland): 56
Nicolas Sarkozy (Frankreich): 55
*Jose Socrates (Portugal): 53
Stephen Harper (Kanada): 51
Julia Gillard (Australien): 49
Luis Zapatero (Spanien): 49
Barack Obama (USA): 48
Dimitri Medvedev (Russland): 45
David Cameron (Großbritannien): 43

(*: nicht mehr im Amt)

Die Afrikaner sind im Schnitt 76, die „Westler“ 51, also 25 Jahre jünger.

Das kann nun jeder interpretieren, wie er/sie möchte; Stephen Muholland schreibt in der südafrikanischen Wirtschaftszeitschrift FINWEEK: „Unser Kontinent zieht offenbar große alte Männer (und eine Lady) mit großen Familien und großen Vermögen vor.“

Sonntag, 1. Mai 2011

Feiertage in Südafrika

(rwl) Mit dem Ende der Apartheid sollten auch viele Symbole der alten Ordnung verschwinden, etwa die Feiertage der weißen Besiedlung und der von ihnen geprägten Republik. Während der Verhandlungen über den Übergang zu einem demokratischen Südafrika (CODESA), in dem alle Bürgerinnen und Bürger Wahlrecht haben, wurde darüber heftig gestritten.

Am Ende mussten alte (weiße) Feiertage wie der Tag der Republik und der Tag zu Ehren von Paul Krüger weichen, dafür wurden neue Feiertage aufgenommen, die an den Widerstand gegen die Apartheid erinnern. Ein 1994 verabschiedetes Gesetz (Public Holidays Act) regelt, dass es nun 12 Feiertage gibt, neben alten christlichen Feiertagen wie Karfreitag und 1. Weihnachtstag sowie Neujahr sind das nun Festtage, die die Familie (Ostermontag), die Jugend (16. Juni, zur Erinnerung an den Schüleraufstand von Soweto 1976) und die Frauen (in Gedenken an den Marsch der Frauen gegen die Passgesetze am 9. August 1956) feiern.

Ursprünglich nicht geplant war die Erinnerung an das - ebenso signifikante - Massaker von Sharpeville (1960); die Demonstrationen damals waren vom Pan Africanist Congress (PAC) ausgegangen, der sich vom ANC abgespalten hatte und mit ihm rivalisierte. Der ANC benimmt sich häufig so, als sei er alleiniger Repräsentant des Widerstandes. Nun wird aber dieses Datums (21. März) als Tag der Menschenrechte gedacht.

Der 16. Dezember, an dem früher der Triumph der Voortrekker über die Zulu am Blood River gefeiert wurde, ist nun der Tag der Versöhnung. Das gemeinsame Erbe des Landes wird am Heritage Day (24. September) gewürdigt, der Start-Tag des neuen Südafrika mit der Erinnerung an die ersten demokratischen Wahlen am 27. April 1994 heißt jetzt Freedom Day.

Fällt einer dieser Feiertage auf einen Sonntag, ist auch der Montag danach noch arbeitsfrei. Diese südafrikanische Besonderheit hat zur Folge, dass die symbolbehafteten Tage hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt eines verlängerten Wochenendes betrachtet werden, an dem man gut Freunde und Verwandte besuchen kann. Weihnachten und damit auch der Tag des guten Willens (26. Dezember) liegt ohnehin in den großen Sommerferien.

In diesem Jahr gibt es noch einen weiteren freien Tag: den der Kommunalwahlen am 18. Mai. Ob es da - und wenn ja für wen - etwas zu feiern gibt, ist schwer vorherzusagen. Bisher hat er vor allem daran erinnert, wie unzufrieden die meisten Südafrikaner mit ihren Kommunalverwaltungen sind.

Montag, 25. April 2011

Restaurantempfehlungen für Kapstadt...

(rwl) … zu geben, ist riskant. Denn was gerade noch trendy war, ist ein, zwei Jahre später vielleicht gar nicht mehr da. Wer sich zum Beispiel auf Iwanowskys Reiseführer-Empfehlungen in seinem 2010 neu herausgegebenen Wälzer über Südafrika orientiert, wird in Tamboerskloof bei manchen Restaurants vor verschlossenen Türen oder in einem veränderten Ambiente stehen.

Beständig und über die Jahre mit guter bzw. ausgezeichneter Qualität sind dagegen Arnold’s und Miller’s Thumb. Arnold’s, 1998 gegründet, gehört Arnold Bettendorf, einem Österreicher, der seine Karriere im Gastgewerbe als 14jähriger in Trier begonnen hat. Das Restaurant in der Kloof Street ist morgens, mittags und abends geöffnet und meist gut besucht. Man kann dort zu moderaten Preisen u.a. eine Game Platter mit vier afrikanischen Fleischsorten bestellen (dazu gehört an machen Tagen auch Krokodil), eine geröstete Springbok-Keule ordern oder einen Ostrich Burger verzehren, je nach Appetit single oder double. Mit der Rechnung bekommt man meist einen Gutschein für eine Flasche Wein beim nächsten Besuch - als würde man nicht auch so wieder kommen.

Wer gerne Fisch isst, sollte bei Jane und Solly Solomon von Miller’s Thumb einkehren. Welcher Fisch am Tage frisch gefangen wurde, steht auf der Kreidetafel, man kann ihn dann wahlweise gegrillt mit, sagen wir, Zitronenbutter bekommen, nach marokkanischer oder malayischer Art zubereitet oder Cajun style mit einer aparten Kruste. Das alles steht in der an Mr. & Mrs. Hungry gerichteten Speisekarte. Und dann sind da noch die „specials“ auf der Kreidetafel, zuletzt Rumpsteak mit Schokoladen-Chili-Sauße und zum Nachtisch in Rotwein gegarte Birnenschnitze mit Blauschimmelkäseeis. So viel Kreativität hat dann auch einen etwas höheren Preis. Und bitte unbedingt vorbuchen: Wer einfach nur so vorbeikommt, läuft oft Gefahr, keinen Platz mehr zu bekommen.

Für das Frühstück oder den Mittagsimbiss gibt es seit November 2009 eine neue Anlaufstelle: den Cookshop in der Hatfield Street - das ist die Strasse in Gardens, in der auch das eindrucksvolle Jüdische Museum liegt. Ab 7.00 Uhr früh bekommt man dort Frischgebackenes, mittags gibt es eine wechselnde Karte mit gesunden Kleinigkeiten (etwa: Mittelöstlichen Brotsalat mit Sumach-Creme Dressing). Man nimmt sich, was man möchte, und bezahlt den kleinen (35 Rand) oder großen (45 Rand) Teller. Mit dem herannahenden Winter wird es dann mehr warme Suppen geben. Ehrliches Essen von ehrlichen Leuten in einer ehrlichen Umgebung hat eine Kapstädterin über dieses kleine Restaurant geschrieben. Es ist so populär, dass es wohl in ein paar Jahren auch noch da sein wird und - hoffentlich - nichts von seiner Frische verloren haben wird.

Freitag, 22. April 2011

Shapiros Ostergruß

Der Ostergruß des Karikaturisten Shapiro aus dem aktuellen "Mail & Guardian". Rechts unten in der Ecke - in dieser Blog-Größe leider nicht zu entziffern - sieht man übrigens Demonstranten mit "Deliver!"-Plakaten und einen prügelnden Polizisten - und einen Osterhasen, dem dem ANC wegläuft: "Sorry, Buddy - You'll ruin my credibility!" Ach ja: Jacob Zuma hält einen Papierstapel mit der Aufschrift "Election Promises" in Händen...
Wir wünschen fröhliche Ostern aus Kapstadt!

Der Messias in Silvertown

(la/rwl) Kapstadt hat viele sehr unterschiedliche Stadtteile, und manche besucht man nur, wenn man dort ein bestimmtes Ziel hat. An Silvertown waren wir bisher immer achtlos vorbeigefahren, obwohl es am Weg vom Flughafen in die Stadt liegt und Teil von Athlone ist, das durch sein großes Stadion auf sich aufmerksam macht. Früher hatte dort „Dance for All“ sein Hauptquartier im Joseph Stone Theater - jene hinreißende Ballettschule für township-Kinder.

Wie Athlone insgesamt wird auch Silvertown überwiegend von Coloureds bewohnt. Auf der breiten Klipfontein Road geht es gleich nach dem Stadion (das Sepp Blatter für die Fußball-WM nicht gut genug war) links ab zur Neuapostolischen Kirche. Das Hinweisschild ist gar nicht nötig, wir müssen nur den vielen Autos folgen, die schon weit vor dem großen Betongebäude einparken. Junge Männer in weißem Hemd und Schlips winken uns ein: ein wilder Parkplatz auf einem freien Stück Land. Wir schließen uns den vielen Menschen im Sonntagsstaat an, die zur Kirche streben.

Kirchen in Südafrika sind manchmal sehr groß, diese hat genau 1965 Sitzplätze. Heute Nachmittag waren sie alle besetzt: Der Chor der Kirche führte mit dem Philharmonischen Orchester von Kapstadt Händels „Messias“ auf. „Auditorium open 1630, show starts at 1700“ hieß es auf der Eintrittskarte.

Im Saal sehr viele Coloureds, hier sind die Weißen in der Minderheit. Der Chor sitzt schon auf der Bühne - mehr als 100 Menschen, mehr junge Frauen, aber erstaunlich viele junge Männer. Chöre sind ein wesentlicher Bestandteil der Gottesdienstgestaltung und des Gemeindelebens. Auch im „Informations“-Radio SAFM erklingen am Sonntag die unterschiedlichsten Chöre.

Neben uns sitzt eine junge Frau; sie wohnt nicht in Silvertown, aber ihr Boyfriend singt mit im Chor. Zweimal pro Woche ist Probe, erzählt sie uns, vor einem Konzert wie diesem sogar dreimal. Heute ist nur die erste Besetzung auf der Bühne; insgesamt hat der Chor 200 Mitglieder, wie wir in der Pause erfahren. Die Neuapostolische Kirche hat am Kap einen eigenen Musikalischen Projektmanager, der heute Chor und Philharmoniker dirigiert.

Wenige Minuten nach 17 Uhr geht es los, und der Chor ist ziemlich gut. Händels „Messias“, 1741 geschrieben, ist ein effektvolles Werk - und beim bekanntesten Stück, dem „Hallelujah“, steht das offenbar mit dem Werk gut vertraute Publikum ganz selbstverständlich auf. Unterbrochen von einer kurzen Pause dauert die Aufführung fast drei Stunden. Sehr schnell machen sich die Silvertown-fremden Besucher kurz vor 20 Uhr wieder auf in ihre eigenen Stadtteile.

Dass sich die Menschen aus den verschiedenen Stadtteilen so selten begegnen, hat drei Gründe: die erzwungene Segregation der Apartheidpolitik, das Fehlen öffentlicher Räume und die Furcht vor Kriminalität. Wer mit einer Konzertkarte in der Tasche einen Nachmittag im fremden Territorium verbringt, wird auf sehr angenehme Art daran erinnert, dass auch dort Menschen leben, die Musik lieben und Gemeinschaft pflegen, die an der Moderne und der Mode teilhaben wollen (die meisten jungen Damen standen auf atemberaubend hohen Stöckelschuhen) und die dafür hart arbeiten. Ein Kristallisationspunkt dafür sind die Kirchen. In einem Land, das kaum noch eine öffentliche Moral kennt, geben sie Halt und Orientierung.

Polizeigewalt

(la/rwl) Das Bild hat in Südafrika Schockwellen ausgelöst: Ein unbewaffneter Demonstrant, der bei einer Protestkundgebung in der Kleinstadt Ficksburg (Orange Free State) einen alten Mann vor Übergriffen der Polizei schützen wollte, war von Polizisten verprügelt und aus nächster Nähe zweimal angeschossen worden - er starb in den Armen seines Freundes, Minuten nach dieser Aufnahme. Die Bilder liefen abends in den Hauptnachrichten als Aufmacher: Posthum ist Andries Tatane berühmt geworden.
Seit einer Woche wird der Fall heftig diskutiert. „Delivery protests“ sind zahlreich, Polizeiübergriffe auch - den Tod eines Demonstranten aber konnte man noch nie im Fernsehen miterleben. Auch ANC-Sprecher Jackson Mthembu fühlte sich an die finstersten Zeiten der Apartheid erinnert, als die Polizei Demonstrationen ohne Rücksicht auf Menschenrechte niederknüppelte.
Jetzt ist die grundsätzliche Kritik an den Sicherheitskräften ein Thema der Medien: Die Polizei ist in den vergangenen Jahren militarisiert worden, aus „Police Service“ wurde „Police Force“, Polizeichef Cele hat die Beamten mit militärischen Dienstgraden versehen, nennt sich selbst „General“ und ermuntert im „Krieg gegen die Kriminalität“ zum schnellen Gebrauch von Schusswaffen. Die frühe Mahnung von ANC-Veteran Kader Asmal, nach der Verfassung sei die Polizei ein Diener der Bürger und nicht ihr Gegner, stieß damals auf taube Ohren.
Heute, so beklagt die „Sunday Times“, scheine die Polizei die Verfassung als Hindernis für eine effektive Polizeiarbeit zu begreifen. Und der „Sunday Independent“ fragt bitter, wann die ANC-Regierung endlich aufwache und begreife, dass „General“ Cele „einen Haufen wilder Hunde“ heranzüchte.
Die Anwendung exzessiver Gewalt im Polizeialltag sei seit langem normal, schreibt Gareth Newham vom renommierten Institute for Security Studies in Pretoria; die aufrüttelnden Fernsehbilder vom Tod Andries Tatanes haben dies nur öffentlich bewusst gemacht. Das für Polizeiübergriffe eingerichtete „Independent Complaints Directorate“ hat in den vergangenen Jahren eine wachsende Zahl von Übergriffen und Todesfällen gezählt. Jetzt soll es die Hintergründe untersuchen; sechs Polizisten von Ficksburg sind vorläufig festgenommen. Beim ersten Auftritt vor Gericht mussten sie vor wütenden Bürgerinnen und Bürgern geschützt werden.
Bis die südafrikanische Polizei nicht nur gefürchtet, sondern von den Bürgern auch wieder respektiert wird, scheint noch ein langer Weg. Es wäre sehr traurig, hat „Business Day“-Chefredakteur Peter Bruce an diesem Montag geschrieben, wenn Polizeichef Cele am Ende dieser Woche noch Polizeichef wäre. Wie nicht anders zu erwarten, ist er aber weiterhin im Amt.

Donnerstag, 21. April 2011

Autos, Autos

(la) Autos sind in Südafrika ein wichtiges Statussymbol. Und Autokennzeichen gehören dazu. Auch hier war früher alles wohl geordnet: „CA“ oder ein „C“ im Schild ist auch heute noch ein untrügliches Kennzeichen für Kapstadt, „GP“ am Ende steht für die Provinz Gauteng, „NP“ für Northern Province, „FS“ für Free State, „WP“ für Western Province - das ist alles noch sehr logisch und überschaubar.
Seit einiger Zeit aber besteht die Möglichkeit, sich gegen eine jährliche kleine Gebühr eigene Kreationen als Nummernschild geben zu lassen. Jetzt verraten manche Autos nicht mehr ihre Herkunft, sondern sagen viel mehr aus über den Fahrer. Egomanen und Angeber dürfen sich austoben („OPULENT 1“), und clevere Geschäftsleute werben mit dem Autokennzeichen für sich und ihre Produkte. Unsere Nachbarin Jenny Morris, „the giggling gourmet“ - eine Köchin mit eigenem Catering und Kochshows im Radio -, fährt gleich mit mehreren Autos Werbung für sich: „FOOD4U-WP“ liest sich als „Food for you“, „FOOD2U“ fährt sie auch, und der Wagen mit „GR8FOOD“ gehört ihr ebenfalls.
Südafrikanische Autofahrer haben allerdings auch Humor. Bei „7ATE9“ sitzt wohl ein kleiner Witzbold hinter dem Steuer, und ein Macho hat sich ein "BLONDE"-Schild bestellt - mit auf dem Kopf stehenden Buchstaben. „WASNT ME“ gehört wohl auch einem lustigen Menschen. Und ob „GANGSTA 1-GP“ ein Regierungs-Auto aus Johannesburg ist? Dann wäre „WASNT ME“ eigentlich ein guter Zweitwagen…

Mike Campbell gestorben

Im vergangenen Jahr hatten wir ihn im Film kennengelernt: Mike Campbell, den Farmer aus Simbabwe, der gegen seinen Präsidenten vor dem SADC-Tribunal in Windhuk geklagt und gewonnen hatte. Trotzdem war Campbell von seiner Farm vertrieben worden, wie eindrücklich in dem Dokumentarfilm "Mugabe and the White African" geschildert wurde (siehe Blog-Eintrag vom 1.8.2010!). Am 6. April ist Mike Campbell in Harare im Alter von 78 Jahren gestorben - und der "Economist" hat ihm einen Nachruf gewidmet: www.economist.com/node/18584000

Samstag, 16. April 2011

Alarm

(la) Unser Nachbar hatte gestern abend alle Schuld auf seine Frau abgewälzt: „Louise hat das Management der Sicherheitsanlage übernommen, und die ist nun einmal ziemlich kompliziert!“ Der Sirenenalarm hatte uns mehrfach auf die Terrasse gebracht, von wo aus man die Einfahrt zum Nachbargrundstück überblicken kann: Alles ruhig - nur die Sirene nicht. Beim dritten Alarm haben wir den abwesenden Nachbarn dann doch auf dem Handy informiert, und wenige Minuten später kam Johann, um nach dem Rechten zu sehen. Fehlalarm!
Heute morgen schrillt die Sirene bis zum Mittag fünfmal - und die Nachbarn sind wieder unterwegs. Telefonisch bitten sie uns um Amtshilfe: Vermutlich hätten sich Klappläden auf dem Balkon, vom Wind ermutigt, selbständig gemacht und den Alarm ausgelöst; die Sicherheitsleute sollten mal nachschauen, und wir hätten doch gerade die große Leiter geborgt…
Wenige Minuten später steht ein Wagen der Sicherheitsfirma ADT vor der Tür. Mit der Pistole im Halfter klettert der junge Mann, sichtlich ungeübt, über das Tor und prüft das Haus: Alle Fenster dicht, die Klappläden festgezurrt. „Seems okay“, sagt Themba und klettert wieder auf die Straße.
Auf seiner 12-Stunden-Schicht fährt er nur im Stadtteil Tamboerskloof Streife. „Nach einem Alarm bin ich innerhalb von drei Minuten da“, sagt er stolz. Drei Monate ist er für diesen Job geschult worden, aber sehr oft kommt er nicht zum Einsatz. „Ein-, zweimal im Monat werden wir alarmiert“, sagt er - meistens, nachdem parkende Autos aufgebrochen wurden.
In seinem Wagen hat Themba Verbindung zur Polizei (SAPS) und zur Tamboerskloof Neighbourhood Watch, einer Selbsthilfegruppe der Stadtteilbewohner, die auch Streife gehen/fahren. Wenn der Alarm mit Druck auf einen „Panic Button“ im Haus ausgelöst wird und also vermutlich im Haus ein Problem besteht, soll er nicht auf eigene Faust tätig werden, sondern auf die Polizei warten. TBK Watch ist mit der Polizei (SAPS) vernetzt.
Oft genug reicht die pure Präsenz. „Wenn hier um Mitternacht Leute herumspazieren, dann suchen die doch vermutlich eine Gelegenheit“, sagt Themba. „Wir fragen dann, was sie hier wollen - aber mehr können wir nicht machen. Hier darf ja jetzt jeder jederzeit herumspazieren.“
Neulich abends hat er drei Afrikaner beim Aufbrechen eines Autos gestört. Eine Anzeige wollte der Besitzer des Wagens aber trotzdem nicht machen: Das sei zuviel Papierkram, und die Diebe kämen ja doch am nächsten Tag wieder frei. „Aber bedankt hat er sich bei mir, dass ich meinen Job mache“, sagt Themba und fährt weiter Streife.

Sicelo Shiceka und das Regierungs-Handbuch

(la) Das ist Sicelo Shiceka. Sicelo Shiceka ist einer von 65(!!) Ministern und stellvertretenden Ministern im südafrikanischen Kabinett. Seit September 2008 ist er „Minister of Co-operative Governance and Traditional Affairs“. Shiceka ist damit für die lokalen Verwaltungen zuständig - und er genießt offenbar sein Amt: Als südafrikanischer Minister kann man es sich ziemlich gut gehen lassen. Wie gut, hat die „Sunday Times“ kürzlich penibel aufgelistet.
☻ Als sein Präsident Zuma im Parlament von Kapstadt sprach, quartierte sich Shiceka im „One & Only“ ein, einem der neuesten 5-Sterne-Hotels von Kapstadt - eine Nacht für 55.793 Rand (geteilt durch zehn, dann sind es Euro). Innerhalb eines Jahres gab Shiceka - besser: der südafrikanische Steuerzahler - im „One & Only“ für sich und seine Leute 640.000 Rand aus.
☻ Innerhalb von acht Monaten ließ Shiceka zehn seiner Familienmitglieder für 160.000 Rand herumfliegen, ebenfalls auf Steuerzahlerkosten.
☻ Auch er selbst war oft in der Luft: 2009 mit 183 Flügen innerhalb von neun Monaten - für 1,3 Millionen Rand.
☻ Als Shicekas Freundin wegen Drogenhandels in der Schweiz im Gefängnis saß, flog er schon kurz nach seiner Bestallung als Minister mit seiner persönlichen Assistentin für fünf Tage nach Genf - Erster Klasse, für 77.000 Rand je Ticket. Das gebuchte 4-Sterne-Hotel wurde kurzfristig in ein 5-Sterne-Hotel ausgetauscht; die Limousine für die Fahrt zum Gefängnis kostete 32.000 Rand. Insgesamt schlug die Stippvisite mit 367.000 Rand zu Buche. Offizieller Grund de Reise: Gespräche zur Vorbereitung der Fußball-WM. Shiceka selbst sagt heute, er habe von den Erfahrungen der Schweiz als Fußball-WM-Gastgeber profitieren wollen (für Fußball-Laien: das war 1954; Deutschland gewann!). Seine persönliche Assistentin bestätigte der „Sunday Times“ aber, dass der Besuch bei der Freundin im Gefängnis einziger Programmpunkt der Reise war.
Auf seine teuren Reisen angesprochen, sah Shiceka kein Problem: Das ministerielle Handbuch erlaube das. Die Wochenzeitung „Mail & Guardian“ hat daraufhin in dieser Woche versucht, dieses ministerielle Handbuch zu bekommen. Zunächst hieß es im Informationsministerium, das sei leider unmöglich, es handele sich um ein geheimes Papier, auf Nachfrage dann, neugierige Journalisten müssten einen Antrag stellen. Schließlich meinte die Pressestelle, man arbeite gerade daran, der Öffentlichkeit das Handbuch einfacher zur Verfügung zu stellen…
Der „Mail & Guardian“ ist hartnäckig und hat das Handbuch über andere Kanäle bekommen. Die Regeln dort lesen sich eher so, dass Sicelo Shiceka sich nicht ganz so sparsam verhalten hat wie dort vorgeschlagen. Jetzt - so hat der ANC vor einigen Tagen beschlossen - soll der Public Protector klären, ob der Minister sich korrekt verhalten hat oder nicht.
Und Interessierte haben seit gestern ganz einfach Zugang zu dem Ministerial Handbook: Beim „Mal & Guardian“ kann man es sich herunterladen - http://www.mg.co.za/handbook

Montag, 11. April 2011

Wahlkampf am Kap

(rwl/la) Am 18. Mai wird in Südafrika gewählt - da, wo es wirklich brennt, in den Kommunen. Die Regierungspartei ANC erinnert sich an das Volk, führende Vertreter sind im Land unterwegs und müssen sich harsche Kritik an lokalen Missständen anhören. „Save us from the vampires in the ANC in Nelson Mandela Bay” war ihr Appell im ehemaligen Port Elizabeth.

Port Elizabeth liegt im Eastern Cape, einer Provinz, die besonders schlecht regiert wird. Um die Wähler zu motivieren, dennoch ihr Kreuz beim ANC zu machen, greifen manche Wahlkämpfer auf Helden der Vergangenheit oder höhere Mächte zurück. Im Februar hatte Präsident Zuma den Wählerinnen und Wählern am Ostkap erklärt, eine Stimme für die Opposition sei eine Stimme für den Teufel. Ende vergangener Woche verkündete er in Graaff-Reinet, Gott sei immer da präsent, wo der ANC vertreten sei: „Wenn Ihr für den ANC stimmt, werden sogar Eure Hände gesegnet sein.“ Der ANC, das hatte Zuma schon vor längerer Zeit angekündigt, werde regieren, „bis Jesus Christus zurück komme“.

Julius Malema, das enfant terrible der südafrikanischen Politik, war als Vorsitzender der ANC-Jugendliga in New Brighton und beschwor die Geister der Vergangenheit: „Wenn Ihr die ANC-Väter enttäuschen wollt, dann stimmt für die Democratic Alliance“. Und weiter: „Am 18. Mai, dem Geburtstag von Walter Sisulu (dem verstorbenen Kampfgefährten Nelson Mandelas), könnt Ihr nicht gegen seine Organisation stimmen.“ Und: „Wenn Ihr wollt, dass sich Chris Hani im Grab umdreht, dann geht hin und wählt einen Unabhängigen.“

Hani, der sehr respektierte Generalsekretär der Kommunistischen Partei, war 1993 von einem polnischen Immigranten ermordet worden. Und die unabhängigen Kandidaten, das sind oft ehemalige ANC-Lokalmatadore, die von der Partei nicht wieder aufgestellt oder von der Kandidatenliste gestrichen worden waren und jetzt als Unabhängige kandidieren. Manche werden von ANC-Generalsekretär Mantashe persönlich zu Hause aufgesucht, damit sie sich der Parteidisziplin unterwerfen und ihre Kandidatur zurückziehen. Genaues weiß man erst am kommenden Dienstag, wenn die Wahlbehörde die offizielle Kandidaten-Liste veröffentlicht, aber bei dieser Wahl wird es sicher mehr als 800 unabhängige Kandidaten geben: so viele wie noch nie.

Der ANC mobilisiert mit allen Mitteln, denn viele enttäuschte ANC-Anhänger wollen am Wahltag zu Hause bleiben: Politiker, das haben sie gelernt, versprechen ihnen vor der Wahl alles und lassen sich danach nie wieder blicken. Wozu also überhaupt wählen?

Da muss man schon mit allen Mitteln arbeiten. „Glaubt an zwei Dinge: an Gott und an den ANC“, ruft Präsident Zuma den Wählerinnen und Wählern zu. Und auch wenn das Leben auf Erden für die enttäuschten ANC-Anhänger ziemlich trostlos ist - ein Populist wie Julius Malema weiß: „Der ANC steht für den Himmel auf Erden“. In Port Elizabeth instrumentalisierte Malema auch den früheren Präsidenten: „Präsident Mandela ist krank, und Ihr wollt doch nicht zur Verschlechterung seines Zustandes beitragen, in dem ihr nicht ANC wählt.“ (Shapiro, der scharfzüngige Cartoonist in Kapstadt, hat dies sofort aufgespießt - siehe die Karikatur aus der "Sunday Times"!)

Port Elizabeth, aka Nelson Mandela Bay, ist heftig umkämpft. Bei den Provinzwahlen (2009) war die Zustimmung zum regierenden ANC schon auf 49,15 Prozent abgesunken. Es wird bereits darüber spekuliert, dass demnächst eine von der DA geführte Koalition im Rathaus regieren könnte. Vizepräsident Motlanthe hat erst vor einigen Tagen Schlagzeilen gemacht: Als er im Wahlkampf einräumte, dass der ANC Kapstadt jetzt wohl nicht zurückgewinnen werde. Aber dann bei der nächsten Wahl, 2014…

Sonntag, 10. April 2011

Ausflug nach Altona

(rwl) Kapstadt.com heißt ein Magazin, das „auf gut Deutsch“ über alles informiert, was Touristen interessieren könnte. Geworben wird ganz besonders für Angebote von Deutschen oder Deutschstämmigen. Oder von Deutsch sprechenden, wie dem Südtiroler Johann Innerhofer, der in Somerset West Wein und Oliven anbaut und vor gut einem Jahr ein Restaurant eröffnet hat. Dass viele Südtiroler sehr gut kochen, haben wir oft erlebt und genießen können, es ist also ein Besuch fällig. Und weil wir neugierig sind, machen wir uns schon am Nachmittag auf nach Sommerset West.

Die Stadt gehört zum Großraum Kapstadt, ist traditionell bei Deutsch(stämmig)en sehr beliebt - und wächst offenbar weiter. Links der Autobahn (von Kapstadt aus gesehen), schießen seit Jahren neue Wohnsiedlungen aus dem Boden (in Südafrika werden zuerst die Straßen gebaut und - heutzutage - auch die Umfriedung, meist Mauern).

Auf die Frage, wer in diesen vielen neuen Siedlungen (auch im Norden Kapstadt gibt es immer mehr davon) wohnt, wissen wir immer noch keine gute Antwort - die bisherigen Auskünfte reichen von jungen Kapstädtern, urlaubenden Johannesburgern über britische Rentner und deutsche „Schwalben“ (regelmässige Langzeiturlauber) bis hin zu aufstrebenden Mittelschichtangehörigen, insbesondere der Coloureds.

Die Fragezeichen werden noch größer, als wir die alte Sir Lowry’s Pass Road entlang fahren; sie verläuft etwas oberhalb der Autobahn, und man hat einen schönen Blick über die Bucht und die sie begrenzenden Berge. Links und rechts weitere umfriedete Wohnsiedlungen (gated communities), so neu, dass noch nicht einmal alle Straßen auf unserem neuen Stadtplan verzeichnet sind. Daneben, ebenfalls neu, ein paar Weingüter, und eines davon gehört dem Meerblick suchenden Südtiroler.

Noch ein Stück weiter ändert sich das Bild und die Stimmung: statt gefräßiger Erschließung (urban sprawl nennen das die Stadtplaner) ältere Häuser, manche leicht heruntergekommen, viele mit Elektrozaun gesichert. Ein Weingut steht zum Verkauf, offenbar schon länger, denn es sieht nicht so einladend aus wie die meist penibel gepflegten Anwesen. Auch hier sind fast alle Gebäude mit Elektrozaun umgeben. Ganz am Ende, jenseits eines unbeschränkten Bahnübergangs, wird die Straße nicht mehr gewartet, weil die Zufahrt auf die berühmte eigentliche Passstraße gesperrt ist. Eine Sackgasse also, langsam wächst sie von links und rechts zu. Plastikmüll und niedergedrücktes Buschwerk legen die Vermutung nahe, das hier Menschen gehaust haben. Wir kehren um.

Rechts geht es zu einem jahrhundertealten Weingut: Knoerhoek ("seit 1793"). Vor dem gesicherten Tor ein Auto der Sicherheitsfirma ADT, hinter dem Schlagbaum ein Wächter. Irgendwas stimmt hier nicht. Vom nicht sehr gesprächigen Wachmann erfahren wir, dass es viele Überfälle gegeben hat, und als unser Blick auf einen neuen Zaun mit verschärftem Stacheldraht fällt, sagt er: „Und jetzt haben wir auch noch Patrouillen mit Hunden aufgenommen“. Daneben ein neues Weingut, Wedderwill, ebenfalls mit Eingangskontrollen gesichert.

Zurück auf Sir Lowry’s Pass Road liegt links Sir Lowry’s Pass Village. Wir registrieren das Schild „Methodist Mission“ und eine stacheldrahtverbarrikadierte Polizeistation. Wir fahren weiter, weil uns leider erst beim nächsten Blick auf den Stadtplan auffällt, dass das Dorf eine besondere Geschichte haben muss. Die eine Hälfte heißt „Mission Grounds“, die andere, fein säuberlich durch die Straße getrennt und mit einem engeren Straßengeflecht, „Sun City“.

Inzwischen fahren wir so langsam, dass wir den Autoverkehr stören und mehrfach rechts ran müssen. Nicht gerade gepflegte Häuser, verrostende Maklerschilder, eine Abfahrt zu einem Altmetallhandel, ein Hinweis auf „Altona“, handgemalte Werbung für „Bratwurst“ und „Schnitzel“. Wir würden gerne wissen, was hier los ist.

Der Südtiroler Pionier (der tatsächlich sehr gut kocht) spricht später auf die Frage nach der „Gegend“ lieber von den Neu-Entwicklungen auf der anderen Seite. Wieder zuhause soll „google“ unsere Fragen beantworten. Zuerst tauchen deutsche Freiwillige auf, die Kinder unterrichten, von sozialen Problemen, Arbeitslosigkeit, häuslicher Gewalt, Kriminalität, Aids ist die Rede. Barbara Tofaute hat eine Stiftung „Hope and Light“ gegründet, die man auch von Deutschland aus unterstützen kann. Dann erklärt sich die angespannte Stimmung beim alten Weingut Knoerhoek. Der Farmer, Roy McGregor, ist im März so übel zugerichtet worden, dass er nur mit Glück überlebt hat. Brandstiftung ist ein gravierendes Problem. Eine andere Meldung erwähnt, dass in dem Gebiet besonders viel Metall gestohlen wird (insgesamt in Kapstadt ein Problem, die Polizei hat eine spezialisierte Einheit aufgestellt).

Langsam schält sich auch so etwas wie eine Geschichte heraus. Bis vor etwa 20 Jahren bestand das Dorf aus kleinen Landwirtschaftsbetrieben (small holdings) im Besitz von Weißen und der methodistischen Missionsstation, die für 800 Familien, meist Coloureds, kleine Häuser gebaut hatte. Dann wurden für einen ein Teil der Bewohner eines nahe gelegenen squatter camps (Sun City) 600 Häuschen (RDP houses) gebaut. Und dann haben sich viele weitere Menschen in selbstgebauten shacks niedergelassen, so dass jetzt insgesamt etwa 8.000 Menschen in dem „Dorf“ leben, darunter zunehmend viele zugewanderte Afrikaner aus dem Eastern Cape und den Nachbarländern.

An der Sir Lowry’s Pass Road stoßen also die Welten aufeinander, die sonst in Kapstadt meist räumlich voneinander getrennt sind. Stacheldraht ist die eine Reaktion, einkommenschaffende und soziale Projekte die andere. Der Getränkehersteller Amarula lässt hier seit 2003 inzwischen 85 Frauen gelb-goldene Bändchen für seine Flaschen fertigen. Die auf dem Knoerhoek-Gelände liegende 4-Sterne Bezweni Lodge wirbt damit, dass sie so viel wie möglich aus dem Dorf bezieht. Der Eco Residential Estate, der sich vor allem dem Ausrotten invasiver fremder Pflanzen verschrieben hat, will von den Bewohnern der dazu gehörenden Häuser sogar eine Entwicklungsabgabe (development levy) zugunsten von Sir Lowry’s Pass Village erheben. Und dann gibt es noch einen ausgefeilten, 21 Seiten langen Plan „Sir Lowry’s Pass Tourism & Business Development Trust“, der aus dem Ort eine „World Class Destination“ machen will (darunter tut man es hier selten).

Ein Mikrokosmos Südafrikas also, derzeit noch in einem ungemütlichen nebeneinander. Ein Mikrokosmos auch, was die Vorstellungen angeht, wie sich Bürger engagieren und Entwicklung bewerkstelligen können, wenn wie hier, die beiden Welten Südafrikas aufeinanderstoßen.

Der Südtiroler Johann Innerhofer hat sein Paradies gefunden, aber nicht das Paradies.

Montag, 4. April 2011

Green Point Urban Park

(la) Eingeladen waren alle Kapstädterinnen und Kapstädter, gekommen aber waren vor allem Coloureds aus Mitchell’s Plein: Gestern ist in unmittelbarer Nähe des Green Point Stadions der Green Point Urban Park offiziell eröffnet worden. Eine kleine Bühne, viele Bands, der bekannte Entertainer Soli Philander (der mit seinen Witzen auf Afrikaans zwar nicht uns, aber alle anderen zum Lachen brachte), einige offizielle Reden - und auf dem Rasen jede Menge Mittelschicht. Neben den Coloureds natürlich auch Weiße, denn in Green Point, Sea Point und Mouille Point stellen sie immer noch die ganz überwiegende Mehrheit der Bewohner.
Wo vor zehn Jahren der Wind den Abfall vor sich her trieb und die Sportstätten vor sich hin gammelten, ist - quasi als Abfallprodukt der Fußball-WM - ein hübscher, grüner Park entstanden. Grün im doppelten Sinn: mit getrennten Abfalltonnen für Papier, Glas und Plastik und mit einem Naturlehrpfad, der anhand der vielfältigen Pflanzen am Kap kurzweilig darüber informiert, wie alles mit allem zusammenhängt. Und mittendrin farbenprächtige Tiere - aus Draht gebogen und mit bunten Perlen versehen von den Künstlern von „Streetwires“.
Manche Hinweisschilder sind übrigens sehr britisch: „Unattended children will be sold to the circus!” Bleibt zu hoffen, dass der Park wirklich - wie in den Eröffnungsreden immer wieder betont - von der Bevölkerung angenommen, genutzt und gepflegt wird. Gestern klappte das schon einmal - beim Eröffnungskonzert stellte sich fast ein Kirstenbosch-Gefühl (Picknick + Musik) ein.

Green Point Stadion

(la) Mit seinen Klick-Lauten macht uns Njongo schnell klar, dass wir ihm in Xhosa so schnell nichts erzählen werden. Ein Klick-Laut geht ja noch, aber als unser Führer durch das Green Point-Stadion eine Xhosa-Version von „Fischers Fritz fischt frische Fische“ vorführt, geben alle lachend auf. Und Njongo freut sich: „Nichts für ungut!“ Eine gute Stunde zeigt er uns das WM-Stadion. Njongo ist knapp 30, wohnt im Township Langa, hat nach der Schule zunächst am Empfang einer Firma gearbeitet, sich weitergebildet und verdient jetzt als Führer durch das neue Stadion seinen Lebensunterhalt.
An drei Tagen in der Woche kann man das Stadion in Green Point besichtigen. Was von außen ein imposanter Bau ist, erweist sich von innen als höchst funktional - selbst die Präsidenten-Suite, in der die Herren Zuma und Blatter die WM-Spiele verfolgt haben, ist nicht besonders luxuriös, sondern eher spartanisch ausgestattet. Die VIPs haben Ledersitze, keine Plastikschalen - aber das war’s dann auch.
Wir wissen jetzt, wo sich Michael Ballack & Co umgezogen und geduscht haben und wo die Polizisten sich während der Spiele aufhalten; selbst an drei Gefängniszellen für Randalierer haben die deutschen Architekten gedacht. Nur wie das Stadion, das bis zu 72.000 Menschen fasst, im Alltag unterhalten werden kann, weiß niemand so recht. Die Baukosten beliefen sich auf gut 400 Millionen Euro, und die mindestens 100-tausend Euro im Monat für den laufenden Betrieb müssen erst einmal erwirtschaftet werden.
„Noch sehen Sie hier keine Werbeflächen,“ erzählt Njongo; „das Stadion ist gerade erst an die Stadt übergeben worden. Aber darüber wird gerade verhandelt.“ Die französisch-südafrikanische Firma, die das Stadion managen sollte, hat im letzten Herbst aufgegeben und der Stadt den schwarzen Peter zugeschoben: zuwenig Einnahmen. Die VIP-Räume könne man mieten, sagt Njongo, aber für eine Geburtstagsfeier gibt es sicher nettere Räumlichkeiten. „Gefilmt wird hier auch - vor einigen Tagen war Denzel Washington hier.“
Davon hatten wir schon in der Zeitung gelesen: Washington dreht in Kapstadt gerade den Thriller „Safe House“, Straßenabsperrungen erinnern die Kapstädter fast jeden Tag daran, und drei Nächte hat das Filmteam das Stadion in Beschlag genommen. Taghelle Beleuchtung, Schießereien im Stadion, ein Helikopter kreisend darüber - die Anwohner in Greenpoint und Mouille Point waren erbost über den Lärm und die fehlende Information. In einer Woche wird es wieder laut, aber vielleicht nicht ganz so störend: Da gibt Neil Diamond ein Konzert.
„Bis wir die Kosten gedeckt haben, ist noch ein langer Weg“, sagt Njongo. Das von Blatter durchgesetzte Stadion in Green Point wird die Stadt, also die Steuerzahler, noch einiges kosten.

Donnerstag, 31. März 2011

Freundliche Begegnungen

(rwl) Zu den vielen schönen Seiten Südafrikas gehören die freundlichen Begegnungen im Alltag. Schon der Passbeamte begrüßt uns mit ein paar deutschen Worten und nutzt die Gelegenheit, noch ein paar weitere einzuüben („wunderbar!“). Der Schumacher möchte für das neue Loch im Gürtel kein Geld: „Sie sind ja schlanker geworden. Es kostet nur, wenn Sie fülliger werden“ (tatsächlich sollte aus dem Hüft- ein Taillengürtel werden, aber das musste ich ihm ja nicht so genau erklären). Als die Kreditkarte im Supermarkt hakt, weil ich die deutsche Pin-Nummer eingegeben hatte, quittiert die Kassiererin im Supermarkt die Entschuldigung mit „This is not Germany“ und dann - mit strahlendem Lächeln - „Welcome to South Africa!“ Im Buchladen sagt der junge Mann mit den dreadlocks: „I like you blouse, it’s awesome.“ „Awesome“ ist gerade so ein Modewort hier (dabei war die Bluse schon 1991 zum ersten Mal in Südafrika). In einem Büro, in dem wir im vergangenen Jahr schon einmal waren, werden wir am Empfang mit „You are Mrs. Launer“ begrüßt.

Zumas Ehefrauen

(la) Unser südafrikanischer Lieblings-Kabarettist hat wieder zuge-schlagen: "Desparate First Ladies" heisst sein Programm, mit dem er gerade durch das Eastern Cape tourt. Ausgangspunkt seiner neuen Aktion ist ein Photo der drei Ehefrauen von Präsident Zuma, die während der ersten großen Parlamentsansprache ihres Gatten 2009 zur Lage der Nation auf der Tribüne ein kleines Nickerchen hielten (erstes Foto!).
Jetzt hat Pieter-Dirk Uys die Szene nachempfunden (zweites Foto!). Er schreibt dazu: „Drei First Ladies schlafen vielleicht gerade, aber die vierte ist ganz wach!“ Die vierte: Das ist natürlich Evita Bezuiden-hout, Uys alter ego und „die bekannteste weiße Frau Südafrikas“. Die schönste Nachricht: Uys arbeitet an einem neuen Theaterstück mit dem Titel „Die glücklichen Weiber von Zuma“…

The Tree Man

In der Milner Road haben wir im Garten jetzt freie Sicht: „The Tree Man“ war hier. Die alten Bäume im Garten, eine wilde Olive und ein Afrikanischer Thorntree, mussten dringend beschnitten werden. Der Spezialist war schnell gefunden: In der vergangenen Woche hatte er im guest house gegenüber ganze Arbeit geleistet und picobello aufgeräumt. Steven komm bald nach einem Anruf und schaut sich kurz im Garten um. Nach einem fachmännischen Blick liefert er am nächsten Tag sieben Männer ab: “They know what they are doing, they have been doing this for years.“ Und weg ist er.

Nun ist Kevin der Chef. Früher hat er in der Textilindustrie gearbeitet, doch in dem krisengeplagten Wirtschaftszweig war kein Platz mehr für ihn, jetzt passt er also beim Baumbeschneiden auf. Die sechs Männer aus dem Eastern Cape machen sich ohne Umstände ans Werk. Ein gut eingespieltes Team und, so Kevin, alle miteinander verwandt. In die Bäume klettert nur einer, die anderen halten die Leiter, fangen Äste auf, machen Kleinholz aus den Stämmen, tragen den Schnitt weg. Der Mann im Baum setzt die schwere Motorsäge mal mit links an, mal mit rechts, und wenn sie von der einen auf die andere Seite soll, passiert der Wechsel schnell und elegant hinter seinem Rücken. Gesägt wird grundsätzlich mit einer Hand, so lässig wie es eben nur echte Profis können. Von der Leiter runtersteigen, um sie einen halben Meter zu verrücken? Warum denn, sie lässt sich ja auch zurechtruckeln, wenn man ganz oben auf ihr steht.

Nach zweieinhalb Stunden ist alles vorbei, der Garten gefegt, jeder Ast zersägt, alles auf dem Anhänger verstaut. In der Mittagspause haben wir versucht, etwas mehr von ihnen zu erfahren: Sie wohnen alle im Township Du Noon; zwei besitzen schon Häuser, vier leben in Shacks - die Warteliste für Häuser ist eben lang. Die Verständigung auf Englisch klappt, aber lieber ist ihnen Xhosa. Und Zucker in kleinen Papiertüten (unsere Restaurant-Ausbeute) - das hatten sie noch nie gesehen.

Sonntag, 27. März 2011

Schwarz-weiße Erlebnisse

An einem Tag, an dem in Deutschland rot-grün dominiert, aus Südafrika einige Schwarz-Weiß-Geschichten.
Als wir am Blaubergstrand das übliche Postkarten-Foto machen - Strand mit rollender Brandung vorn, Tafelberg mit Kapstadt im Hintergrund -, kommt ein Brautpaar mit großer Gesellschaft auf uns zu: Auch das neue Glück soll vor der weltbekannten Kulisse festgehalten werden.
Wie man an dem Autokennzeichen (Lukula2 GP) erkennen kann, kommen die Frischvermählten, kommen die meisten Gäste aus Johannesburg. Unter großem Hallo ziehen sie zum Strand - allesamt offenbar wohlsituierte Schwarze, die Frauen im eleganten Kleid und auf hohen Stöckelschuhen, die Männer im kleinen Schwarzen, manche in Frack und roter Weste. „Black Diamonds“ - der Begriff für die neue Konsumelite passt ganz gut auf sie.

***

Manche halten es für den besten Kaffeeausschank in Kapstadt. Vor allem fällt sein Design ins Auge: Der Coffee-Shop auf dem Neighbourgoods-Market (vgl. Blog-Eintrag vom 8.8.2010!) ist ganz in schwarz-weiß gehalten - vor der weißen Wand mit dem Schriftzug „ESPRESSOLAB“ steht die fast durchweg schwarze Bedienungs-Mannschaft. Der Kaffee kommt aus eigener Röstung, die Webseite der Firma signalisiert High-Tech (vgl. http://espressolabmicroroasters.blogspot.com). Die Betreiber, ein offenbar portugiesisch-schwedisches Paar, setzen auf Qualität. Ihre schwarze Bedienungsmannschaft hat die Kundschaft im Griff. Als ich sie frage, ob ein Foto erlaubt ist, lächeln sie höflich, sagen „Of course!“ und stellen sich in Positur. Vermutlich bin ich nicht der erste, der gefragt hat…

***

Habt Ihr einen Feuerlöscher“, ruft der junge Mann etwas atemlos, als er durch die Ladentür stürmt, „unser Auto brennt!“ Wenige Minuten zuvor haben wir ihn zum erstenmal in dem Buchladen in Woodstock gesehen, als wir, vom Neighbourgoods-Market gesättigt, gegenüber der Old Biscuit Mill noch kurz in die Regale schauen. Der Buchladenbesitzer, ein Deutscher, hat ihn sofort als Landsmann identifiziert, und bald zieht er mit einem Leatherman ab, um sein Auto wieder zum Laufen zu bringen. Sehr erfolgreich ist er - siehe oben - nicht, und so vielseitig der Buchhändler auch ist, einen Feuerlöscher gibt’s dort nicht.
Als wir aus der Tür kommen, steht 30 Meter entfernt ein kleiner Wagen in einer großen Rauchwolke. Irgendwo war ein Feuerlöscher aufgetrieben worden, der Fahrer versucht noch, seine Siebensachen aus dem Auto zu retten, das Feuer ist bereits mit Schaum erstickt. Der blaue Kleinwagen ist ziemlich weiß, aber Gott sei Dank ist weiter nichts passiert. Nur ein Totalschaden.

Kommunalwahlen 3: Wasser

„No Water = Death Penalty“ stand auf dem Schild, das eine Demonstrantin vor dem Internationalen Konferenzzentrum von Kapstadt hochhielt: Drinnen saßen Experten aus aller Welt und diskutierten die Wasserfrage im Zeichen der Verstädterung.
Die Demonstranten kamen aus Manenberg und Mitchells Plain, zwei Townships vor den Toren der Stadt. Sie wollten - so stand es am nächsten Tag in der Zeitung - auf Ungerechtigkeiten bei der kommunalen Wasserversorgung von Kapstadt aufmerksam machen. Zugang zu Wasser sei ein Grundrecht - und jetzt wolle die Stadt auch in den Townships Wasserzähler einbauen: „Wir sind vollkommen gegen das neue Wassersystem. Jetzt haben wir keinen Zugang mehr zu Trinkwasser.“
Der Kommunalwahlkampf tobt auch hier - die ANC-Opposition am Kap lässt grüßen. Die DA-Regierung unter Helen Zille habe den Leuten suggeriert, Wasserzähler seien eine gute Sache. Das Gegenteil aber - meint sie - sei der Fall: „Ein Wasserzähler nimmt den armen Leuten das Wasser weg, es begrenzt dein Wasser - jetzt gibt es nicht mehr genug zum Kochen, zum Waschen und für Moslems vor den täglichen Gebeten.“
Die dem ANC sehr gewogene Zeitung „The New Age“ schreibt es nicht so deutlich, aber auch so wird klar: Die Demonstranten wollen für Wasser nichts bezahlen. Kapstadt hat gerade seinen neuen Haushalt aufgestellt, und die städtischen Tarife für Wasser sind sozial gestaffelt: Die ersten sechstausend Liter (6 m³) sind für jeden Haushalt kostenlos, und danach steigen die Kosten mit steigendem Verbrauch immer stärker: von sechs bis 10,5 m³ müssen 4,32 Rand pro m³ gezahlt werden, bis 20 m³ kostet ein m³ dann 9,22 Rand, bis 35 m³ 13,66 Rand. Wer mehr als 50 m³ verbraucht, zahlt ab dieser Menge pro m³ 22,25 Rand (zu allen Preisen kommt noch die Mehrwertsteuer hinzu). Abgerechnet wird übrigens monatlich, so dass jeder Haushalt seinen Verbrauch relativ schnell erfährt.
Die Stadt hofft damit, zum Wassersparen anzuregen - und das ist dringend nötig. In den Zeitungen wird täglich gemeldet, zu welchem Prozentsatz die Dämme gefüllt sind, und manchmal ist Wasser so knapp, dass Rasensprengen verboten ist.
Wasser darf auch für arme Leute nicht kostenlos sein - darüber sind sich Wasserexperten seit mittlerweile vielen Jahren einig. Nur wer etwas für Wasser bezahlen muss, weiß seinen Wert zu schätzen und wird sparsam damit umgehen. Insofern ist Kapstadt mit der Wasserpolitik wohl auf dem richtigen Weg. Wählerstimmen gewinnt man so allerdings kaum.

Donnerstag, 24. März 2011

Kommunalwahlen 2: Umstrittene Wahllisten

Morgen Nachmittag müssen die Parteien ihre Listen für die Kommunalwahl am 18. Mai eingereicht haben. Was auf den ersten Blick unspektakulär erscheint, ist in Südafrika höchst umstritten. Vor zwei Tagen stürmten unzufriedene ANC-Mitglieder das Parteibüro in Kapstadt, weil sie mit der aufgestellten Liste unzufrieden waren; gleich 18 ANC-Bezirke fühlten sich unzureichend repräsentiert. Als das Büromobiliar zu Bruch ging, wurde die Polizei gerufen; gegen 25 Parteimitglieder sollen jetzt Disziplinarverfahren angestrengt werden.
Der ANC zerfällt in viele Fraktionen, und gerade im Western Cape ist die Partei tief zerstritten. Da kommt es schon vor, dass die eine Fraktion der Behörde eine Kandidatenliste einreicht, die Gegenseite einen Tag später eine komplett andere Liste präsentiert und die Wahlleiterin daran erinnern muss, dass die Partei sich auf eine Liste einigen müsse. Im Ostkap wurde der Streit um die Liste sogar vor dem Obersten Gerichtshof ausgetragen; die dortige ANC-Spitze gewann vorgestern und will gegen die Abweichler, die den Prozess angestrengt hatten, jetzt ebenfalls disziplinarisch vorgehen.
Ähnlich „konterrevolutionäre Elemente“ hat die Partei auch in Mpumalanga, im Free State und in North West ausgemacht - die Listen zur Kommunalwahl scheinen in vielen Parteibezirken heftig umstritten.
Häufigster Grund: Auf Parteiversammlungen gewählte Kandidaten werden von der Partei oft wieder gestrichen, und durch „verdiente“ Mitglieder ersetzt - verständlich, dass das Wahlvolk da nicht immer begeistert ist.
Für frustrierte Parteimitglieder hatte ANC-Generalsekretär Gwede Mantashe gestern allerdings einen Trost parat: „Seinen Ärger auszudrücken, trägt zum Heilungsprozess bei.“

Kommunalwahlen 1: Rassenpolitik

Tony Ehrenreich ist vom Gewerkschaftsdachverband Cosatu als ANC-Kandidat für die Bürgermeister-Wahl in Kapstadt vorgeschlagen worden. Ehrenreich, Generalsekretär der Gewerkschaft in der Provinz Western Cape, ist bei der Arbeiterschaft populär und meldet sich als Aktivist zu vielen Fragen. In der derzeitigen Rassen-Diskussion hat er sich eindeutig auf die Seite der Vereinfacher und Populisten geschlagen.
Große Teile der Wirtschaft hätten einfach kein Verständnis für einheitliche Beschäftigungschancen (employment equity), daher müsste eine entsprechende Gesetzgebung Betriebe zwingen, sich entsprechend zu verhalten. In der Kapprovinz - so Ehrenreich - seien es nicht so sehr die Coloureds, sondern vor allem die Weißen, bei denen sich etwas ändern müsse: „In vielen weißen Familien herrscht eine 100prozentige Vollbeschäftigung. Die Arbeitslosigkeit muss gerechter auf alle rassischen Gruppen verteilt werden.“ Ehrenreich: Das sei ein Verfassungsgebot.
Für den Fall seiner Wahl zum Bürgermeister hat er seinen 2500 facebook-Freunden angekündigt, dass er kein dickes Gehalt nsbeapruchen werde, sondern mit dem eines Mechanikers zufrieden sein werde. Das nimmt man einem wie ihm sogar ab und macht ihn sympathisch - als Chefmechaniker der Stadt möchte man Ehrenreich dennoch nicht an den Stellschrauben sehen, wie er Arbeitsplätze zuteilt.

Montag, 21. März 2011

Nachbeben

Thomas Scheen am 19.3.2011 in der FAZ:

„Ganz schön was los in der Welt“, begrüßt mich mein Arzt an dem Morgen, an dem Japan sich auf eine nukleare Katastrophe gefasst machen muss. Doch was er meint, sind die von allerlei Kloppereien begleiteten Kommunalwahlen in Südafrika. Japan liegt auf den Knien, doch in Südafrika interessiert das keinen Menschen. In den Medien spielt sich die Katastrophe in Fernost auf den hinteren Seiten ab. Die größte Boulevardzeitung, „The Star“, macht auf mit Shabir Shaik und dessen neuerlichem Umzug ins Gefängnis, nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Großgangster aus Durban doch nicht so krank ist, das eine Haftverschonung angezeigt wäre. Nur die Wirtschaftszeitung „Business Day“ stellt Japan auf die erste Seite, wenn auch nur aus Sorge um die Landeswährung Rand, deren Höhenflug sich vor allem mit billig in Japan geliehenem und in Südafrika investiertem Geld erklärt. Dass Südafrika mit dem Druckwasserreaktor in Koeberg als einziges afrikanisches Land über ein Kernkraftwerk verfügt, das zudem am Meer gebaut ist, scheint den Südafrikanern nur ein Achselzucken wert zu sein.

Sonntag, 20. März 2011

Südafrika? Eigentlich kein Thema…

Kleiner Zwischenstopp in Europa: die Buchmesse in Leipzig. Serbien war zwar das diesjährige Schwerpunktthema, aber sonst spielte das Ausland auf der Messe kaum eine Rolle, und das fernere schon gar nicht. Wenn da nicht die Literaturexperten des kleinen Saarländischen Rundfunks gewesen wären - aber davon später.

Leipzig ist die weite Anreise wert gewesen. Ein Massenerlebnis zwar, vor allem bei den Straßenbahnfahrten zum Messegelände (Sardinen-Gefühle sind nichts dagegen), aber in dem ganzen Rummel gab es doch jede Menge interessanter Gespräche und Lesungen. Zunächst erschlägt einen das Angebot an Veranstaltungen (im Halb-Stunden-Rhythmus gibt es jeweils 10, 20, manchmal 30 Angebote; der Katalog ist eng bedruckte 430 Seiten stark), aber dann strebt man gezielt von einem Stand zum nächsten, von der politischen Prominenz (Blüm, Biedenkopf, Steinbrück) zur belletristischen (von Autor Uwe Timm bis Rezensent Denis Scheck). Wenn man Martin Pollack (hat den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung bekommen) von Galizien erzählen und das Desinteresse des Westens an der Ukraine und Weissrusslands beklagen hört, greift man sogleich zu seinem Buch („Der amerikanische Kaiser“), das Cord Aschenbrenner in der NZZ schon so klug besprochen hat und längst auf der langen Leseliste steht.

Wer aus Kapstadt kommt (wo Europa in den Medien so gut wie gar nicht vorkommt), möchte natürlich auch von den zwei sachkundigen FAZ-Redakteuren Eckart Lohse und Markus Wehner noch näher erläutert bekommen, warum der populäre Baron so spektakulär über sich selbst stolpern konnte - nächste Woche erscheint eine aktualisierte Auflage ihrer Guttenberg-Biographie, die um ein Kapitel über den Rücktritt erweitert ist. Ebenso gewinnend die Auftritte von Helmut-Kohl-Sohn Walter, der beredt und offenbar sehr mit sich im reinen darüber spricht, wie schwer es bei einem solch übermächtigen politischen Vater ist, sein eigenes Leben zu leben - und wie viel Zuspruch er nach Erscheinen seines Buches von Politiker-Kindern aus West und Ost erhalten hat. (Aus Kapstädter Perspektive fallen einem dazu der Sohn und der Neffe des südafrikanischen Präsidenten ein, die offenbar gern und ohne Scham Nutznießer des berühmten Namens sind und, so Kulubuse Zuma, gar nicht genug Luxusschlitten in ihrer Garage stehen haben können.)

Auf der Buchmesse spielte Afrika nur eine kleine Rolle; bei Promi-Präsentationen galt das Interesse eher den aus Film und Fernsehen bekannten Damen. Immer wenn Veronica Ferres ihr Kinder-Buch vorstellte, interessierten sich Massen - natürlich für sie, nicht für das Thema -, und auch heute-journal-Moderatorin Marietta Slomka zog mit ihrem „afrikanischen Tagebuch“ Menschenmengen an. Beinah hätte es aber auch ein Sachbuch zu Prominenz gebracht: Die „Zeit“-Journalistin Andrea Böhm war mit ihrem (sehr empfehlenswerten!) Kongo-Buch für den Sachbuch-Preis der Buchmesse nominiert (gewonnen hat ihn dann Henning Ritter von der FAZ mit seinen „Notizheften“). Und der für die alltägliche Afrikaberichterstattung so wichtige Dominic Johnson füllte das viel zu kleine taz-Auditorium spielend. „Afrika vor dem großen Sprung“ war seine Botschaft. Gewürdigt wird darin u.a. die unternehmerische Eigeninitiative - die entwicklungspolitische Hilfsindustrie (zu der man ja auch inzwischen viele Promis zählen muss) kam hier in Leipzig eher schlecht weg.

Und natürlich waren unsere „Leuchttürme“ (so nennt man das ja heute - wenn man an den südafrikanischen Rundfunk denkt, überstrahlen sie alles) auf der Messe: Arte, 3Sat, der Deutschlandfunk und natürlich ARD und ZDF mit ihren Literatursendungen. In einer Hörfunksendung des Saarländischen Rundfunks, die live von der Messe ausgestrahlt wurde, war Renate zu Gast und durfte acht Minuten lang von der „Katerstimmung am Kap“ erzählen. Auch wenn die Buchverkäufe trotzdem wohl kaum groß anziehen werden: Der Leipzig-Ausflug hat sich gelohnt.

SR-Moderator Jürgen Albers hat uns auch aus dem Herzen gesprochen, als er in seiner Anmoderation die Omnipräsenz kichernder Mangas kritisierte: aufgekratzte und aufgeputzte junge Leute, die die japanische Comic-Reihe zum Anlass nehmen, in bunten Kostümen mehr oder weniger bekleidet über die Messe zu ziehen - und in ihrer Massierung langsam wirklich störten.

Wohl auch deshalb wirkten die Veranstaltungen in der Stadt so wohltuend. „Leipzig liest“ lud im ganzen Stadtgebiet zu Begegnungen ein. Christian Brückner (auf den Messeplakaten angekündigt als „deutsche Stimme von Robert de Niro“) mit Tucholskys „Rheinsberg“ und einem Septett von Beethoven; Kabarettist Peter Ensikat mit herrlich-bösen Texten über die deutsche Einheit ("Ihr könnt ja nichts dafür"), Matthias Politycki mit seinem Hörbuch „London für Helden“ über die britische Bier-Kultur, die Stadtführung der „Leipzigerin“ alias Dr. Kirsti Dubeck über das „literarische Leipzig“, die Vorstellung des jüdischen Friedhofs in Berlin-Weissensee durch die Filmemacherin Britta Wauer. Für ihren Film über diesen größten jüdischen Friedhof in Europa hat sie gerade einen Publikumspreis auf der Berlinale bekommen, er kommt Anfang April in die Kinos.

Fazit: Im nächsten März soll es wieder nach Leipzig gehen. Ein guter Rat: Möglichst früh eine Unterkunft buchen - sonst wird es teuer…

In der kommenden Woche melden wir uns dann wieder aus Kapstadt!

Freitag, 11. März 2011

(Süd-)Afrika und Libyen

(rwl) Wie sieht man denn in Südafrika die Entwicklung im Norden des Kontinents, wurden wir gefragt. Der Sturz der Diktatoren im Norden wird hier aufmerksam verfolgt, und die Kämpfe in Libyen füllen hier täglich die Zeitungsseiten.
Das Verhältnis Subsahara-Afrikas zu Ghaddafi hat niemand eleganter beschrieben als Andrew Harding, der Afrika-Korrespondent der BBC:

Africa’s Silence on Libya

Freitag, 25. Februar 2011, 12:25:59 Andrew Harding

For years the rest of Africa has treated Colonel Muammar Gaddafi like an embarrassing uncle - the sort who arrives for Christmas lunch five hours late and insists on rambling through a long-winded speech, but then makes up for it all by tucking a £50 note into your top pocket, or paying off your mortgage.
It's that combination of embarrassment and generosity - with a heavy emphasis on the latter - which must surely explain the continent's
abject silence regarding events in Libya and the fate of its "king of kings". Plus, in some of the more opulent state houses, a "there-but-for-the-grace-of-God-go-I" reticence.
The African Union - chaired until recently by Col Gaddafi himself - waited on the sidelines for days before daintily suggesting "dialogue and consultation", while South Africa's government left it to the governing African National Congress (ANC) to deplore "the unprecedented deaths". Only gallant little Botswana has
come out swinging.
The details of much of Libya's south-bound generosity are shrouded in secrecy. "Lots of dollars, MIGs, aircraft servicing, cheap oil and training," was how a well-connected source in Harare described the nature of the colonel's long-standing support for President Robert Mugabe. How many other sub-Saharan states can claim the same relationship? In return, it seems, some African countries may have allowed - or perhaps even deployed - mercenaries to help out in Tripoli.

Weniger elegant, aber nötig ist noch eine Erinnerung: Afrikas Unterstützung für den nordafrikanischen Tyrannen hat mit dazu beigetragen, die frühere UN-Menschenrechtskommission zu diskreditieren. 2003 hatten afrikanische Länder Libyen sogar für den Vorsitz der Menschenrechtskommission nominiert. 33 Nationen stimmten in den UN dafür, drei dagegen, 17 haben sich enthalten (die EU-Länder wollten die Afrikaner nicht verärgern, hieß es). Die Abstimmung war von den USA beantragt worden; bis dahin war der/die Vorsitzende immer per Akklamation bestimmt worden. Der südafrikanische UN-Botschafter Sipho George Nene fand diesen Verfahrenswechsel ziemlich ärgerlich.
An die Stelle der Menschenrechtskommission ist heute der UN-Menschenrechtsrat getreten. Auch da hinein wurde Libyen im Mai 2010 mit großer Mehrheit gewählt: 155 Staaten - etwa drei Viertel aller Mitglieder - votierten für das nordafrikanische Land, immerhin aber etwas weniger als für die anderen Kandidaten.
Jetzt ist Libyens Mitgliedschaft von der UN-Vollversammlung suspendiert worden - einmütig. Südafrika, jüngst wieder als nichtständiges Mitglied in den Sicherheitsrat gewählt, rühmt sich, die Kampagne dafür angeführt zu haben („led the campaign“, so die Außenministerin Maite Nkoana Mashabane). Auch afrikanische Politiker vertrauen offenbar auf das schlechte Gedächtnis.

Kirstenbosch-Konzerte

Immer wieder sonntags - da ziehen Völkerscharen aus Kapstadt in den Süden zum Botanischen Garten Kirstenbosch, zum Open-Air-Konzert. Offiziell geht es um 17.30 Uhr los, aber schon zwei Stunden vorher werden die Parkplätze beim Eingang knapp. Für den botanischen Garten haben die Profis kaum einen Blick - und auch keine Zeit: Sie bringen nicht nur Wolldecken, sondern auch Picknickkörbe mit und sichern sich auf der Wiese vor der kleinen Bühne die besten Plätze. Und da man länger warten muss, kann man in Vorfreude auf ein Konzert schon die eine oder andere Weinflasche mit seinen Freunden teilen. Ein Erlebnis!
Von Dezember bis April bietet Kirstenbosch eine bunte musikalische Mischung - von Rock über Gesang bis hin zur Klassik. Wir haben in diesem Jahr schon Jesse Clegg gehört, den Sohn von Johnny Clegg, der mit seiner Band gerade aus Kanada kam und sein neues Album mit Rockmusik vorstellte - und Ende März werden wir uns auch noch das Royal Philharmonic Orchestra anhören. 30 Prozent der Einnahmen von Kirstenbosch werden durch diese Sommerkonzerte erwirtschaftet, haben wir bei einer Führung durch den Garten erfahren - ohne die Musik wäre der Garten vermutlich schon pleite. Schon seit Jahren sind die Konzerte Kult. Jeder Reiseführer erwähnt sie, am besten bestellt man Karten im Voraus. Nur die - meist gutsituierten - Anwohner des Gartens sind nicht so glücklich: Viele beklagen sich über „Lärm“ und wollen lieber ihre sonntägliche Ruhe. „Das ist wie Krieg“, meint Dieter. Unsere weise Freundin Mieke wohnt mit ihm im benachbarten Bishopscourt: „Wenn die Musik schön ist, ist sie zu leise - und wenn sie laut ist, ist sie meist schrecklich.“

Donnerstag, 10. März 2011

"Mummenschanz" im Baxter's

„Mummenschanz“ in Kapstadt: Auf Plakaten und in Anzeigen sieht man dieses deutsche Wort jeden Tag. Im Baxter-Theater ist zur Zeit „Mummenschanz“ - dort gastiert die schweizer Theatergruppe, die seit nunmehr 40 Jahren eine ganz eigene Theatersprache entwickelt und dem Wort „Pantomime“ eine neue Bedeutung gegeben hat. Fast zwei Stunden ohne Sprache, ohne Musik - kurze Szenen in immer wieder neuen, phantasievollen Kostümen, die sehr oft zum Lachen reizen.
Im Saal heute abend sitzt ein sehr junges, bunt gemischtes Publikum und verfolgt die kurzen Szenen mit Begeisterung; viele freuen sich an den überlebensgroßen Gebilden, oft gibt es Szenenapplaus, und als der riesengroße rote Klumpen, der mal ein Herz, mal ein Gesicht darstellen kann, auf die Rampe zurollt, quietscht die ganze erste Reihe und hebt abwehrend die Hände. Nützt ihnen aber gar nichts! Die vier Schweizer füllen zwei ganze Wochen das große Haus im Baxter - aber schließlich haben sie ja auch drei Jahre am Broadway gespielt…

Mittwoch, 9. März 2011

Recyling

Wer viel Zeitung liest, hat auch viel Papier zu entsorgen. Altpapiercontainer aber sind noch selten am Kap, sehr selten. Vor Jahren haben wir das Papier sogar bis nach Kalk Bay mitgenommen, weil wir dort Papiersammler kannten. Inzwischen werfen wir es aber durch einen Schlitz in der Mauer der Grundschule hier in Tamboerskloof. Eine weitere Maueröffnung nimmt alles auf, was aus Glas ist. Wohin aber mit dem vielen Plastik?

Eine kurze Zeit konnte man es im Wellness Warehouse abgeben, danach in der benachbarten Schule, wo die verschiedenen Arten von Plastik schon feinsäuberlich getrennt wurden. Jetzt aber informierte ein Anschlag darüber, dass die Container nun vom Hinterhof der Schule zugänglich seien. Dort wiederum erfährt man, dass das Depot vorübergehend geschlossen sei.

Beim Wellness-Kaufhaus teilt der Schuldirektor dann mit einem Plakat förmlich mit, dass es wegen Sicherheitsproblemen nicht mehr möglich sei, weiter als Sammelstelle zu dienen. Für die, die immer noch nicht aufgeben wollen, gibt es eine Adresse im benachbarten Stadtteil Sea Point, einen Stadtplan mit Route liefert der ordentliche Direktor gleich mit.

Batterien, das haben wir gerade gelernt, kann man bei dem Supermarkt Pick'n Pay im Garden Center entsorgen. Was aber macht man mit nicht mehr funktionierenden Bügeleisen und Telefonen? Von den Kapstädtern weiß niemand nichts Genaues nicht, also muss das Internet konsultiert werden. Mit dem erstaunlichen Ergebnis, dass es im Großraum Kapstadt insgesamt 20 drop-off facilities gibt - und fünf von ihnen nehmen auch Elektromüll entgegen. Also auf nach Wynberg, eine kleine Weltreise! Dort geht es (von Wachleuten abgesehen) nicht viel anders zu als in der Feldstraße in St. Pauli: freundliche Hände nehmen einem die kaputten Teile ab. This City Works for You.

Die eigentliche alltägliche Abfallverwertung aber verläuft anders. Sobald die (große) Mülltonne an die Straße gestellt wird (in der Milner Road immer mittwochs), erscheint jemand, der nach Verwertbarem sucht. Zuerst war es hier die Hausangestellte der Nachbarn, die sich gleich aushändigen ließ, was ich oben in die Tonne legen wollte. Nun wandert alles, was nicht mehr benötigt wird, aber noch brauchbar ist, sauber und - wenn nötig (Kopfkissen!) - verpackt, oben auf die Tonne - und ist innerhalb von fünf Minuten verschwunden. Auch die Müllmänner selber sehen noch einmal nach und nehmen raus, was ihnen noch verwertbar erscheint. Und das ist immer eine ganze Menge…